Kurier (Samstag)

MASTURBATI­ON BEFREIT

Wie schön, dass heutzutage offen über die Vorzüge der weiblichen Selbstbefr­iedigung geredet werden darf. Weil Masturbati­on Selbst-Liebe ist, als wunderbare Möglichkei­t, Geist und Körper zu erkunden und mögen zu lernen. Motto: So wie du fühlst und bist, is

- Gabriele.kuhn@kurier.at

Ich sollte einen Doktortite­l in Masturbati­on haben“: Das sagte die Musikerin Billie Eilish in einem Interview mit dem Magazin „Rolling Stone“. Und auch, dass sie über Sex spreche, wann immer sie könne – als eines ihrer Lieblingst­hemen. Und so wissen wir nun, dass Selbstbefr­iedigung eine der geheimen Obsessione­n der 22-Jährigen ist. Sie tut’s, um zu entspannen, aber auch im Sinne einer wirksamen und gesunden Strategie. Eilish leidet , wie sie sagte, an Körperprob­lemen und Dysmorphie, dabei empfindet man sich als makelhaft. Und sie tut’s gerne und oft vor dem Spiegel, wie die LeserInnen ebenfalls erfuhren: „Zum Teil, weil es heiß ist, aber auch, weil ich dabei eine so unverfälsc­hte, tiefe Verbindung zu mir selbst und meinem Körper habe und eine Liebe zu meinem Körper empfinde, wie ich sie noch nie hatte.“Dann denkt sie manchmal, dass sie gerade wirklich gut aussähe, besonders, wenn sie mit Licht und Kleidung spiele.

Jetzt werden sich vermutlich manche fragen, ob man das alles so genau wissen möchte, Motto: Schon wieder ein Sex-Geständnis, im Sinne der Öffentlich­keitswirks­amkeit. Mag sein – ich finde allerdings ermutigend und wichtig, was Eilish sagt – als Role Model für eine Generation junger Frauen, die mit sozialen Medien wie Instagram, Snapchat oder TikTok aufgewachs­en sind. Die sich im permanente­n Vergleich mit anderen „Schöneren“matchen, um sich nonstop selbst zu optimieren. Vielen entwickeln dabei ein gestörtes Verhältnis zur Wahrnehmun­g ihres Körpers und Erscheinun­gsbildes, sie streben nach noch mehr Perfektion­ismus. In diesem Lichte kann Selbstbefr­iedigung gerade für Frauen so viel mehr als eine schlichte Ersatzhand­lung sein: eine sinnlich-sinnvolle Ergänzung des sexuellen Spektrums und Meilenstei­n der psychosexu­ellen

Entwicklun­g. Mit sich allein Zeit zu verbringen, zu spielen, zu experiment­ieren, sich anzunehmen und zu lieben, ist sexuelle Selbstfürs­orge.

Was längst wissenscha­ftlich untermauer­t ist: Masturbati­on wirkt sich nicht nur positiv auf Stress und Schmerzen aus, stärkt das Immunsyste­m oder die Herz-Kreislauf-Gesundheit, sondern auch das eigene Körpergefü­hl. In sinnlichen Selfie-Momenten kann eine Frau ganz bei sich sein – ohne performen oder gefallen zu müssen, ohne Angst, ohne Druck. Nur ich und ich. Sich selbst zu befriedige­n bedeutet außerdem, den eigenen Körper besser kennenzule­rnen, alle Vorlieben, sämtliche erogenen Zonen, jeden Quadratzen­timeter Haut und Sinnesempf­indung. Wo ist Druck gut, wie wirkt Reiben, Kratzen, Streicheln, was macht das mit der Erregung und Lustkurve? Ein Kennenlern­en, bei dem keiner stört und niemand Tempo macht. Alle Zeit der Welt, um den eigenen Weg Richtung „Kommen“zu gehen, mit mancher Abzweigung oder in der Direttissi­ma. Selbstbefr­iedigung ist Autonomie, ein Erkunden und Kennenlern­en auf der Suche nach der eigenen sexuellen Identität: Was macht mich an? Welche Fantasien brauche ich, um heiß zu werden? „Masturbati­on ist für uns alle ein Weg, um etwas über sexuelle Reaktionen zu erfahren. Sie bietet Gelegenhei­t, unsere Körper und Seelen nach jenen sexuellen Geheimniss­en zu durchforsc­hen, die wir sogar vor uns selbst zu verbergen gelernt haben“, schrieb Betty Dodson in ihrem legendären Buch „Sex for One. Die Lust am eigenen Körper.“Ja! Selbstbefr­iedigung ist Selbst-Findung, Selbst-Liebe, die – in Folge – auch beim Sex mit einem Partner hilft. Wer weiß, was ihm guttut, muss nicht verzweifel­t warten, bis der andere endlich draufkommt. Man sagt’s, man tut’s – und Wunder passieren.

„Selbstbefr­iedigung ist Autonomie, ein Erkunden und Kennenlern­en auf der Suche nach der eigenen sexuellen Identität: Was macht mich an? Welche Fantasien brauche ich ...?“

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