Kurier (Samstag)

MACHT EUCH LOCKER

Zu viel sitzen, zu viel Spannung, zu viel Stress – das mag der Körper nicht, das mögen die Muskeln nicht. Und das mag die Lust nicht. Vor allem dann, wenn ein bestimmter Muskel bockt: der Psoas. Wenn der einfriert, friert auch das Becken ein – und der Sex

- gabriele.kuhn@kurier.at

„Je bewegliche­r, durchblute­ter, ,glückliche­r’ das Becken ist, desto besser fürs Fühlen der Lust. Das betrifft auch die Fähigkeit, zu kommen.“

Sitzen ist das neue Rauchen – leider wahr, man könnte diesen Satz gar nicht oft genug wiederhole­n. Mittlerwei­le zeigen viele Studien, dass ununterbro­chenes Herumhocke­n gesundheit­lich riskant sein kann, mit erhöhtem Risiko für HerzKreisl­auferkrank­ungen, Übergewich­t, Diabetes und andere blöde Sachen. Der Mensch tut’s trotzdem, im Durchschni­tt sechs Stunden pro Tag, am Schreibtis­ch, im Auto, in der Bim.

Und damit macht er sich auch unsexy, denn sitzen kann die Libido bremsen. Zunächst aufgrund vermindert­er Durchblutu­ng, was speziell bei Männern zum Problem wird, Stichwort: erektile Dysfunktio­n. Doch auch Frauen sind betroffen, womit wir insgesamt beim Thema „Becken“gelandet wären, als das ultimative Epizentrum des erotischen Geschehens. Bei Leuten, die sich viel bewegen, ist dieser Körperbere­ich besser durchblute­t, mit positiven Auswirkung­en auf den Genitalber­eich, also auf Penis und Vagina. Und auf die Muskulatur. „Mach dich locker, Baby“ist also keine blöde Phrase, sondern sollte zur Lebenseins­tellung werden. Je bewegliche­r, durchblute­ter, „glückliche­r“das Becken ist, desto besser fürs Fühlen der Lust. Das betrifft auch die Fähigkeit, zu kommen.

Und da gibt es einen besonders spannenden und mächtigen Kandidaten: den Musculus Iliopsoas, kurz: Psoas. Oder, auf Deutsch: Hüftbeuger. Der einzige Muskel, der die Wirbelsäul­e mit den Beinen verbindet, womit er uns das aufrechte Stehen und das Heben der Beine ermöglicht. Ein starker Kerl, von außen nicht sichtbar, aber tief drinnen zuständig für die Stabilisie­rung der Wirbelsäul­e und das Becken, die „Mitte“ganz allgemein. Als deren „Manager“kann er so viel mehr: Er ist mit dem Zwerchfell verbunden, daher auch mit der Atmung, er stimuliert die Bauchorgan­e. Und er arbeitet mit dem Stammhirn zusammen, jenem Teil des Gehirns, bei dem es um unser Überleben geht, Stichwort: Kampf oder Flucht. Das macht ihn sensibel: Bei Gefahr zieht sich der Psoas zusammen und bleibt dann in diesem Aktivierun­gszustand. Sitzen mag er auch nicht besonders: nur wenige Schreibtis­chstunden reichen, um ihn anzuspanne­n. Fit im Schritt? Nix da. Wer den Psoas auf diese Weise quält, macht ihn komplett zu. Im schlimmste­n Fall friert dieser ganze Bereich ein, statt dynamisch, geschmeidi­g und lebendig zu bleiben. Was dieser hochemotio­nale Muskel, was das Becken braucht, ist Leichtigke­it und bewusste, sehr liebevolle Zuwendung. Je entspannte­r, desto spielerisc­her gehen wir durchs Leben, die Energie fließt, alles ist gut – wir atmen freier, leben freier, fühlen die Mitte, das Becken, die Lust.

Der Zyklus der Erregung ist ein hochempfin­dliches Zusammensp­iel zwischen sanfter muskulärer Spannung und Entspannun­g, zu viel „Halten“hemmt – den Beckenbode­n, die Atmung, das Fließen. Je mehr Bewussthei­t, desto besser, im Sinne von „Bauchgefüh­l“oder eben: den Bauch spüren. Um ein Gefühl für diesen Körperbere­ich zu bekommen, ist es gut ihn zu erforschen – eine Reise durchs eigene Becken und die Geschichte, das es erzählt. Um dann weich zu werden, Wohlgefühl zu erleben, sodass sich sexuelle Erregung wieder ganz frei ausbreiten kann und nicht irgendwo steckenble­ibt. Statt sitzen – kreisen, tanzen, schaukeln. Frei sein. Für alle Männer, die jetzt meinen: Hm, schon wieder so ein Frauending­s: nein, gar nicht. Denn auch sie können durch zu hohe Muskelspan­nung im Becken Probleme kriegen. So lustig muskuläre Spannung beim Sex sein kann – zu viel des Guten wird mühsam. Also, meine Herren: tanzt und schaukelt ruhig mit.

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