Mütterliche Mentorin und die letzte Salondame
Grande Damen. Zwei Dokus widmen sich Susi Nicoletti und Senta Wengraf
Zwei österreichische Schauspielerinnen, zwei bekannte Namen der Theater-, Filmund Society-Geschichte und doch so völlig unterschiedlich in ihrer Außenwahrnehmung: In der Reihe zeit.geschichte bittet ORF III heute, Samstag, ab 21.05 Uhr Susi Nicoletti und Senta Wengraf (22 Uhr) vor den Vorhang. Film-Expertin Gabi Flossmann setzt damit, nach zuletzt TV- und Theater-Star Christiane Hörbiger (20.15 Uhr als Wiederholung) ihre Porträt-Reihe für den ORFKultursender fort.
„Die Nicoletti war nicht nur eine großartige Komödiantin und Grande Dame, sondern auch eine sehr gute Schauspiellehrerin, für die man Schlange stand. Aus nicht wenigen ihrer etwa 800 Schüler wurden später wirkliche Stars. Privat hatte sie ein wechselvolles, aber bis ins Alter heiteres Leben, in dem sie sich auch über die schwierige Nazi-Zeit hinwegspielen konnte“, erklärt Flossmann. Mit damals zwei kleinen Kindern hielt sich Nicoletti, mit der Familie von Thomas Mann befreundet, mit u. a. Unterhaltungsfilmen über Wasser. Für die Propaganda des Dritten Reichs war sie nicht zu haben – was ihr auch jüdische Freunde ihres späteren Mannes, Regisseur und Schauspiel-Direktor Ernst Haeussermann zugutehielten.
Mehr als 7.000 Mal stand sie auf den wichtigsten Bühnen des deutschsprachigen Raums. Immer noch sind einige ihrer etwa 100 Filme (u. a. bei ORF III), in denen sie mit weiteren Größen ihrer Zeit wie Gunter Philipp oder Hans Holt spielte, zu sehen. Hinreißend ist eine DokuSzene, in der, durch Nicoletti dirigiert, die junge Pluhar und der ebensolche Brandauer sich der „Liebe“annähern müssen.
„Alle sagen, dass Nicoletti die großzügigste mütterliche Freundin war, eine, die viele in ihrer Karriere unterstützte“, erklärt Flossmann.
Eine, die den Schauspielnachwuchs beeindrucken konnte, wie sich Paulus Manker erinnert: „Sie hat natürlich manche ihrer Schüler in einem gewissen Alter … vernascht. Sie ist ja eine fesche Person gewesen.“
Lebensmensch
Private Schlagzeilen machte auch Senta Wengraf als Muse große Männer, was aber allseits diskret behandelt wurde. „Opernführer“Marcel Prawy hatte sie, als er nach Kriegsende als US-Kultur-Offizier nach Österreich gekommen war, mit Géza von Cziffra bekannt gemacht, der ihr die erste Rolle gegeben hat: „Glaube an mich“war der erste nach Kriegsende in Österreich gedrehte Film. „Marci“nannte Wengraf ihren Lebensmensch,
auch wenn die angedachte Heirat scheiterte.
In Film und Theater war sie die „letzte Salon-Dame“, wie KURIER-Autor Georg Markus sagt. Ihre stärkste „Rolle“war aber eine andere. „Sie war immer da, wenn es einem schlecht gegangen ist“, sagt Dolores Schmidinger. „Sie hat mich immer besucht, in jeder Entzugsklinik.“In einer Otto-SchenkInszenierung von „Der Talismann“Mitte der 1970er-Jahre konnte sie ihr komisches Talent ausspielen und beeindruckte auch SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky. „Damals war das Privatleben von Politikern noch tabu“, erzählt der frühere profil-Chefredakteur Herbert Lackner. So konnten die beiden relativ offen ihre Beziehung pflegen. „Sie war nicht nur eine Freundin in den Sonnenstunden des Sonnenkanzlers, sondern auch, als es ihm schon sehr, sehr schlecht ging“, erzählt Georg Markus.