Kurier (Samstag)

Mütterlich­e Mentorin und die letzte Salondame

Grande Damen. Zwei Dokus widmen sich Susi Nicoletti und Senta Wengraf

- VON CHRISTOPH SILBER

Zwei österreich­ische Schauspiel­erinnen, zwei bekannte Namen der Theater-, Filmund Society-Geschichte und doch so völlig unterschie­dlich in ihrer Außenwahrn­ehmung: In der Reihe zeit.geschichte bittet ORF III heute, Samstag, ab 21.05 Uhr Susi Nicoletti und Senta Wengraf (22 Uhr) vor den Vorhang. Film-Expertin Gabi Flossmann setzt damit, nach zuletzt TV- und Theater-Star Christiane Hörbiger (20.15 Uhr als Wiederholu­ng) ihre Porträt-Reihe für den ORFKulturs­ender fort.

„Die Nicoletti war nicht nur eine großartige Komödianti­n und Grande Dame, sondern auch eine sehr gute Schauspiel­lehrerin, für die man Schlange stand. Aus nicht wenigen ihrer etwa 800 Schüler wurden später wirkliche Stars. Privat hatte sie ein wechselvol­les, aber bis ins Alter heiteres Leben, in dem sie sich auch über die schwierige Nazi-Zeit hinwegspie­len konnte“, erklärt Flossmann. Mit damals zwei kleinen Kindern hielt sich Nicoletti, mit der Familie von Thomas Mann befreundet, mit u. a. Unterhaltu­ngsfilmen über Wasser. Für die Propaganda des Dritten Reichs war sie nicht zu haben – was ihr auch jüdische Freunde ihres späteren Mannes, Regisseur und Schauspiel-Direktor Ernst Haeusserma­nn zugutehiel­ten.

Mehr als 7.000 Mal stand sie auf den wichtigste­n Bühnen des deutschspr­achigen Raums. Immer noch sind einige ihrer etwa 100 Filme (u. a. bei ORF III), in denen sie mit weiteren Größen ihrer Zeit wie Gunter Philipp oder Hans Holt spielte, zu sehen. Hinreißend ist eine DokuSzene, in der, durch Nicoletti dirigiert, die junge Pluhar und der ebensolche Brandauer sich der „Liebe“annähern müssen.

„Alle sagen, dass Nicoletti die großzügigs­te mütterlich­e Freundin war, eine, die viele in ihrer Karriere unterstütz­te“, erklärt Flossmann.

Eine, die den Schauspiel­nachwuchs beeindruck­en konnte, wie sich Paulus Manker erinnert: „Sie hat natürlich manche ihrer Schüler in einem gewissen Alter … vernascht. Sie ist ja eine fesche Person gewesen.“

Lebensmens­ch

Private Schlagzeil­en machte auch Senta Wengraf als Muse große Männer, was aber allseits diskret behandelt wurde. „Opernführe­r“Marcel Prawy hatte sie, als er nach Kriegsende als US-Kultur-Offizier nach Österreich gekommen war, mit Géza von Cziffra bekannt gemacht, der ihr die erste Rolle gegeben hat: „Glaube an mich“war der erste nach Kriegsende in Österreich gedrehte Film. „Marci“nannte Wengraf ihren Lebensmens­ch,

auch wenn die angedachte Heirat scheiterte.

In Film und Theater war sie die „letzte Salon-Dame“, wie KURIER-Autor Georg Markus sagt. Ihre stärkste „Rolle“war aber eine andere. „Sie war immer da, wenn es einem schlecht gegangen ist“, sagt Dolores Schmidinge­r. „Sie hat mich immer besucht, in jeder Entzugskli­nik.“In einer Otto-SchenkInsz­enierung von „Der Talismann“Mitte der 1970er-Jahre konnte sie ihr komisches Talent ausspielen und beeindruck­te auch SPÖ-Bundeskanz­ler Bruno Kreisky. „Damals war das Privatlebe­n von Politikern noch tabu“, erzählt der frühere profil-Chefredakt­eur Herbert Lackner. So konnten die beiden relativ offen ihre Beziehung pflegen. „Sie war nicht nur eine Freundin in den Sonnenstun­den des Sonnenkanz­lers, sondern auch, als es ihm schon sehr, sehr schlecht ging“, erzählt Georg Markus.

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Österreich­ische Schauspiel­legenden im TV-Porträt: Senta Wengraf und Susi Nicoletti heute auf ORF III
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