Kurier

Roter Akkilic-Coup hilft Strache

Wien-Wahl. Das Wahlrecht wird der FPÖ billige Mandate bringen und der SPÖ die Partnerwah­l erschweren

- VON DANIELA KITTNER

Der Grüne Wiener Gemeindera­t Senol Akkilic wechselte im Frühjahr zur SPÖ und sorgte damit für Aufruhr. Der Grund: Die Wiener SPÖ hatte Akkilic mit einem Fixposten im Gemeindera­t geködert, um so eine Änderung des Wiener Wahlrechts zu verhindern. Das mehrheitsf­ördernde Wahlrecht begünstigt nämlich die SPÖ und benachteil­igt kleine Parteien bei der Zuteilung der Sitze im Gemeindera­t. FPÖ, ÖVP und Grüne wollten diese Ungleichbe­handlung abstellen. Durch den AkkilicCou­p verschafft­e sich die SPÖ jedoch den fünfzigste­n von einhundert Abgeordnet­en im Gemeindera­t, womit sie den Beschluss eines neuen Wahlrechts vereiteln konnte.

Hatte dieser Winkelzug von Beginn an den schlechten Beigeschma­ck von Machtverse­ssenheit, stellt sich nun auch noch heraus, dass die SPÖ damit Heinz-Christian Strache die Räuberleit­er macht.

Und zwar so: Das Wiener Wahlrecht wendet bei der Umrechnung der Stimmenant­eile in Mandate das Hagenbach-Bischoff-Verfahren an: Große Parteien, die in den 18 Wiener Wahlbezirk­en viele Stimmen bekommen, erhalten viele billige Grundmanda­te. Parteien, die zu klein für Grundmanda­te sind, müssen für die Restmandat­e teuer bezahlen.

Beispiel Gemeindera­tswahl 2010: Mit 44,3 Prozent erhielt die SPÖ 49 Mandate (fast die Hälfte der insgesamt 100). Sie bezahlte dafür einen durchschni­ttlichen „Preis“von 6832 Stimmen. Die Grünen hingegen mussten pro Mandat 8677 Stimmen hinblätter­n. Die FPÖ lag mit 7204 Stimmen geringfügi­g besser als der generelle „Durchschni­ttspreis“(Grafik) von 7549 Stimmen.

Der KURIER bat den Hochrechne­r der Austria Presse Agentur, Franz Sommer von ARGE

Wahlen, um eine Mandats-Simulation­srechnung auf der Basis derzeit kursierend­er Umfragen. Das Ergebnis der Modellrech­nung (keine Prognose!) ist überrasche­nd: Demnach wird die FPÖ, sollte sie von den derzeit 26 auf 30 bis 31 Prozent anwachsen, erstmals deutlich profitiere­n, indem ihr Mandatspre­is unter 7000 Stimmen fällt. Für die SPÖ wird sich hingegen der Verstärker­effekt abschwäche­n, weil sie viele ihrer derzeit billigen Grundmanda­te verliert. Am meisten werden mit rund 9000 Stimmen die Neos für ein Mandat bezahlen müssen.

Das künstliche Kleinhalte­n der Kleinparte­ien kann der SPÖ doppelt auf den Kopf fallen, weil sie sich nämlich ihre potenziell­en Koalitions­partner wegschießt. Nach der obigen Modellrech­nung könnten die Grünen der SPÖ einen Koalitions­pakt diktieren, weil Rot-Grün die einzig mögliche Zweier-Koalition wäre. Und auch die wäre wacklig und könnte von jedem Überläufer zu Fall gebracht werden.

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