Psychiaterin analysiert Morde
Mutter erschoss ganze Familie. Für Expertin (Bild) typisch männlich.
Analyse. Eine Mutter tötet ihre drei Kinder. Dazu die schwer kranke Mutter und den Bruder, der ebenfalls im Haus lebt. Im Hintergrund tobt ein Besuchsrechtsstreit. Der Kindesvater will seine beiden Söhne und die Tochter sehen, die 35-jährige Martina R. weist ihn ab. Wenig später greift sie in dem Haus im kleinen Ort Schildberg, NÖ, zur Waffe und löscht ihre gesamte Familie aus, ehe sie sich selbst erschießt.
„Eigentlich ein typisch männliches Verbrechen“, sagt Psychiaterin Sigrun Roßmanith. Es wäre vermutlich auch dann passiert, wenn die Mutter der Täterin keine Schusswaffe im Haus gehabt hätte. Dann hätte die Frau andere Wege gefunden – durch Vergiftung oder Erschlagen. „Der Druck, etwas auslöschen zu müssen, hätte sich nur einen anderen Weg gebahnt“, sagt Roßmanith.
Ob es sich tatsächlich um einen erweiterten Suizid gehandelt hat, bezweifelt sie. „Es kann auch eine MedeaTötung, also eine Tötung aus Rache gewesen sein. Lieber tot zusammen sein als lebendig getrennt.“Die Frau ist am Ende ihrer Kräfte. Ihre Kinder will sie auf keinen Fall verlieren. Dazu kommt der Bruder, der mit den Folgen dieser Tat nicht leben müssen soll. Und dann auch noch die schwere Erkrankung der Mutter, die sie nicht zurück lassen kann. „Das ist eine ,Alles-oderNichts’-Lösung gewesen.“
Alternativen gab es für die 35-Jährige zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht mehr. „Bewältigungsstrategien sind nicht mehr vorhanden. Konsequent wird das ganze Feld ausgeräumt“, beschreibt die Psychiaterin.
Nicht geisteskrank
Es sei eher unwahrscheinlich, dass eine schwere Geisteskrankheit die Frau zur Tat getrieben hat. Auch wenn das ein erster Reflex der Gesellschaft sei. „Nur fünf bis zehn Prozent der Mörder leiden daran.“
Das „Vorurteil“, dass Frauen eher als schützend und nährend beschrieben werden, sei falsch. „Frauen sind nicht weniger brutal. Sie sind nur kreativer und raffinierter, wenn sie töten. Auch wegen der fehlenden Körperkraft.“Bei Frauen sei der Tatort meist die eigenen vier Wände. „Wenn sie töten, dann sind es ihre Kinder, Partner oder Freunde. Nur sehr selten sind es Fremde.“Und fast nie geht es bei Frauen um Geld.
Roßmanith hat ähnliche Fälle bereits in ihrer Laufbahn als Psychiaterin erlebt. Ein derartiger Fall hat sogar dazu geführt, dass sie Gerichtspsychiaterin wurde. Im Jahr 1995 warf eine Frau erst ihre zwei Kinder aus dem Fenster im vierten Stock, dann sprang sie nach. Die Kinder starben. Die Frau landete auf dem Dach eines vorbeifahrenden Autos und überlebte, erinnerte sich aber nicht mehr an die Tat. „Es war meine schwierigste Lebenserfahrung, der Frau zu vermitteln, dass sie ihre Kinder getötet hatte.“
Die Psychiaterin hat sich intensiv mit tötenden Frauen beschäftigt. Aus ihren Erfahrungen ist ein Buch entstanden: „Sind Frauen die besseren Mörder?“Die Antwort Roßmaniths kommt gleich zu Beginn: Ja.