Tiefe Gefühle in einer Spaßgesellschaft
Kritik. Giacomo Puccinis „La Bohème“in der Regie von Andreas Gergen im Haus für Mozart
Es ist eine coole Spaßgesellschaft von heute: Jene jungen Menschen, die ganz in Weiß bekleidet mit Kopf hörern schon vor Beginn der Aufführung beim Einlass auf der Bühne zwischen Bierkisten tanzen, Bier aus Flaschen trinken und sich mit TechnoMusik volldröhnen lassen. Sie tragen lässigen Schlabberlook und steile Frisuren.
Inspiriert vom Club in Torre del Lago, den Giacomo Puccini in einer baufälligen Schenke für einen kleinen Kreis von Künstlern einrichten ließ, lässt auch Andreas Gergen „La Bohème“in einer Art Club, einem großen, kalten Raum spielen.
Auch sonst hat der Operndirektor des Landestheaters im Haus für Mozart Puccinis Meisterwerk vergegenwärtigt. So verwundert es nicht, dass Rodolfo seine Geschichten mit Laptop schreibt, dass immer wieder Handys im Spiel sind und Parpignol als tätowierter DJ erscheint und die Bühnenmusik als stamp- fender Techno-Beat über Lautsprecher kommt, was einige Zuschauer zur Pause zu Buhrufen animierte.
Unterstützt von Projektionen von fettFilm (Momme Hinrichs und Torge Moller), die auch für das praktikable Bühnenbild mit Häuserkulissen verantwortlich sind, werden aber auch magische Momente erzeugt. Es gibt auch immer wieder Brüche, denn der gut singende Chor symbolhaft in alten, schwarzen Kostümen (Regina Schill) er- scheint wie aus einer anderen Zeit. Gergen erzählt die Geschichte klar, führt Protagonisten ungemein detailliert und ideenreich und lässt jede Menge Gefühle zu.
Das Ensemble ist von hoher Qualität: Feinsinnig, nuancenreich und ergreifend ist die Mimì der Shelley Jackson. Luciano Ganci ist ein Rodolfo, der mächtig auftrumpfen kann und von Spitzenton zu Spitzenton segelt. Glasklar auch die kokette Musetta der Hailey Clark. Warmstim- mig singt David Perschall den Marcello. Gut: Elliot Carlton Hines (Schaunard) und Raimundas Juzuitis (Colline).
Viele subtile Feinheiten und leuchtende Farben hört man beim Mozarteum Orchester Salzburg Orchester Linz unter der exzellenten Mirga Grazinyte-Tyla. Jubel.