Wien darf nicht London werden
In meiner Gasse im dritten Bezirk wurde gebaut. Ein ganz nett anmutendes Mehrparteienhaus. Die Gasse ist halbwegs ruhig, ein Park gleich in der Nähe. Weil ich ständig daran vorbeigelaufen bin, habe ich irgendwann recherchiert, was die Wohnungen in diesem neuen Haus kosten.
Sieben Eigentumswohnungen waren noch frei: Darunter eine 55 m2 große mit zwei Zimmern ohne Balkon im Dachgeschoß, eine knapp 100 m2 große mit Balkon und eine 146 m2 große Wohnung mit vier Zimmern und knapp 10 m2 Balkon, beide ebenfalls im Dachgeschoß.
Was denken Sie, kostet die zuletzt genannte Wohnung? Und legen Sie ruhig noch ein paar Tausender drauf, auch wenn Sie der Meinung sind, dass die Summe ohnehin schon hoch angesetzt ist. Denn die Wohnung kommt auf – *trommeltrommel* – 995.000 Euro. Fast eine Million – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Und ja, die Wohnung ist neu und groß und zentral gelegen. Aber das Bad ist nicht aus Marmor und das Wohnzimmer ist nicht vergoldet.
Das Beispiel zeigt, wie absurd sich der Wohnungsmarkt in Wien entwickelt hat. Die Preise für Eigentum sind in den vergangenen Jahren um 69,6 Prozent (!!) gestiegen. Jene für Mieten um 32,4 Prozent (!). Das heißt, die enorme Preissteigerung beim Eigentum wirkt sich auch auf die Mieten aus. Wie also soll sich zum Beispiel ein junger Mensch eine kleine Wohnung für sich al- lein leisten können, wenn er für 45 m2 in Ottakring 600 Euro und in Neubau 900 Euro Miete zahlen muss (ohne Strom und Gas und Internet). Und wie soll sich eine zum Beispiel vierköpfige Familie eine 100 m2 große Wohnung leisten können, wenn eine solche auch in den Randbezirken 1600 Euro kostet (ohne Strom, ohne Gas und ohne Internet)?
Ja, der Zuzug ist eine Herausforderung, aber der wird nicht so schnell auf hören. Und ja, Wohnen in Wien ist noch lange nicht so teuer wie in London oder Paris. Aber wenn die Stadt nicht bald ein bisschen Gas beim Wohnungsbau gibt, wird uns dieses Schicksal wohl doch ereilen.