„So ein Feuer kann man bei uns ausschließen“
Österreich. Dass sich das Feuer in dem Hochhaus so rasch ausbreiten konnte, sorgt bei heimischen Brandschutzexperten für Verwunderung. Sie stellen klar: Ein derartiges Inferno kann in Österreich nicht passieren. „Wenn es sich um einen normal entstehenden Brand handelt, kann man so ein Feuer ausschließen“, sagt Wilfried Pausa, Chef der Prüfstelle für Brandschutztechnik und 31 Jahre lang Feuerwehrmann bei der Wiener Berufsfeuerwehr. Dafür sorgen strenge Richtlinien, auch in der Bauordung.
So müssen Hochhäuser – also Häuser, die höher als 22 Meter sind – mit einer Brandmeldeanlage ausgestattet sein. „Wenn das Gebäude gewerblich genutzt wird, muss es auch eine Sprinkleranlage geben“, erklärt Pausa. Zunehmend werden laut Christian Schütz, Chef des Ingenieurbüros „IMS – Brandschutz“, der selbst entsprechende Konzepte erstellt, auch Wohnhäuser ab 22 Metern mit Sprinklern ausgestattet. „Bis maximal elf bis zwölf Geschoße kann ein sinnvoller Löschangriff von außen gestartet werden“, meint der Sachverständige.
Die Wohnungen sind laut Pausa zudem eigene Brandabschnitte. Die Wohnungstüren hielten Temperaturen bis zu 1100 Grad aus, sie seien feuer- und rauchdicht. „Vor einigen Jahren gab es einen Brand am Wienerberg im 22. oder 24. Stock. Aber es ist nichts anderes passiert, als dass die Wohnung in Mitleidenschaft gezogen wurde“, erzählt Pausa. Die Stiegenhäuser sind heute mit Druckbelüftungsanlagen ausgestattet.
Frage nach Auslöser
Pausa findet es seltsam, dass das Londoner Hochhaus bereits beim Eintreffen der Feuerwehr in Vollbrand stand. Das könnte für Brandstiftung an mehreren Stellen sprechen, meint er. Auch unzureichende oder nicht erfüllte Brandschutzauflagen kämen in Frage. So seien Schächte eine große Gefahr – sie wirken wie ein Kamin. Daher gibt es hierzulande Brandschutzsperren.
Vielfach wurde vermutet, dass die Wärmedämmfassade bei der raschen Brandausbreitung eine Rolle gespielt habe. Experte Pausa sieht sie als Gefahrenquelle. „Bei uns sind nicht brennbare Riegel in der Fassade vorgeschrieben, damit sich das Feuer nicht über alle Stockwerke ausbreitet.“Sachverständiger Schütz glaubt, dass es auch im Gebäude eine Brandfortleitung gegeben hat.
Generell seien in Österreich auch ältere Gebäude dank feuerpolizeilicher Überprüfungen sehr sicher, meint Schütz. Gebäude müssten Temperaturen bis zu 1100 Grad mindestens 90 Minuten lang standhalten. In dieser Zeit muss ein wirksamer Löschangriff erfolgen. In London gaben Spezialisten am Abend zumindest dafür Entwarnung: Der Grenfell Tower sei schwerst beschädigt, aber nicht einsturzgefährdet, es bestehe keine weitere Gefahr für die Feuerwehrleute.