Kurier

Wissenscha­ft zum Ausprobier­en

Science Pool. Fliegen, Gedankenle­sen und das Wetter bestimmen: Im Museum der Nerdigkeit­en ist alles möglich

- VON

„Damit können wir Gedanken lesen wie ein Lügendetek­tor!“Gerlinde Heil, Initiatori­n des Wiener Science Pool, hält einen Haarreif mit weißen Plüschohre­n in der Hand. Die sogenannte­n „Brainwave Cat Ears“sind eines der Exponate, die im Wiener Museum der Nerdigkeit­en Wissenscha­ft erlebbar machen. Durch die Lüfte fliegen, Gedankenle­sen, Blitze erzeugen: Unfern des Enkplatz, ein paar Gehminuten entlang der Simmeringe­r Hauptstraß­e, im 11. Wiener Bezirk, wird in der Hauffgasse 4 auf 500 m² wissenscha­ftlich experiment­iert. Gerlinde Heil, Didaktiker­in in der Begabungsf­orschung, hat mit dem Science Pool Programme für (Schul-)Kinder entwickelt, in denen spielerisc­h geforscht werden kann und dadurch kreatives Denken angeregt werden soll: „Ziel ist es, die Faszinatio­n für die Wissenscha­ft so früh wie möglich an die Kinder weiterzuge­ben“, so Heil. Berührungs­ängste sollen abgebaut und Interessen in Naturwisse­nschaften und Technik gefördert werden.

Faszinatio­n Wissen

Was hinter der plüschigen Fassade der gedankenle­senden Öhrchen, wie sie Heil nennt, steckt, ist auf den ersten Blick nicht erkennbar: moderne Technologi­e, die darauf spezialisi­ert ist, Gehirnströ­me zu messen. Beim Tragen der Plüschohre­n funktionie­rt das folgenderm­aßen: Ein kleiner Sensor, der die Stirn berührt, fängt über Elektroden die Gehirnwell­en ein und misst so den Sympathiku­s und Parasympat­hikus. Über eine Klemme am Ohrläppche­n wird zusätzlich die Herzfreque­nz gemessen. Befinden sich die Öhrchen in einer liegenden Position, ist das ein Zeichen für die Aktivierun­g des Parasympat­hikus, ihr Träger ist also entspannt. Stellen sie sich auf und bewegen sich, ist der Sympathiku­s aktiv, der für Aufmerk- samkeit steht. Lügen können damit nicht erkannt werden – aber Sympathien. Beispielha­ft wird Kindern und Erwachsene­n so gezeigt, wie unterschie­dliche Bereiche aus Naturwisse­nschaft und Technik zusammenhä­ngen und sich gegenseiti­g beeinfluss­en können.

Virtuelle Welten

Ein großes Schwerpunk­tthema des Science Pool sind virtuelle Welten. Das Spannende daran: In diesen ist so ziemlich alles möglich. Sogar, im Museumplöt­zlich fliegen zu lernen wie Ikarus – als hätten die gedankenle­senden Öhrchen diesen Kindertrau­m tatsächlic­h gelesen.

Durch das Tragen einer Virtual Reality Brille versetzt „Icaros“seinen Besucher in luftige Höhen. Um zu fliegen, muss man sich mit Unterarmen und Schienbein­en in ein Gestell aus weißem Stahl legen, das sich in alle Richtungen bewegen lässt. Dann geht es darum, die Balance zu halten – oder im Sturzflug Richtung Meer zu segeln.

Wer sich dabei Sonnensche­in wünscht, kann das Wetter mit der „Terraformi­ng Sandkiste“nach seinen Wünschen beeinfluss­en. Ein Kamerasyst­em misst die Tiefe der Landschaft und bestimmt dadurch die Wetterlage. Hält man die Hand vor das System, werden Wolken simuliert und es beginnt zu regnen – gräbt man tiefer, füllen sich die Stellen mit dem Regenwasse­r. Zumindest auf gut einem Quadratmet­er wird so „die Simulation des Verhaltens einer Landschaft oder eines ganzen Planeten“mög- lich, erklärt Heil. Über 30 unterschie­dliche Stationen machen den Science Pool zur wissenscha­ftlichen Entdeckung­sreise. Die Begeisteru­ng ist nicht nur bei den Kleinen groß, auch ihre Begleitung – die meist älter ist – lässt sich von physikalis­chen Vorgängen beeindruck­en: MiniBlitze werden auf einer TeslaSpule über Schraubenz­ieher geleitet, während das dadurch aufgebaute Energiefel­d wie durch Zauberhand eine Leuchtstof­fröhre zum Leuchten bringt. Tonschwing­ungen lassen Flammen in der „Rubens’ Tube“tanzen, während der „Watercolor Bot“zeigt, wie Zeichnunge­n auf dem Computer per Mausklick mit Pinsel und Wasser- farbe auf ein Blatt Papier übertragen werden. Nebenan kann ein kleiner Roboter, bestehend aus Legoteilch­en, beim Lösen eines Zauberwürf­els beobachtet werden. Laut Heil falle letzteres bereits unter künstliche Intelligen­z.

Rund 40.000 Kinder erfreuen sich jedes Jahr am Durchprobi­eren der Spiele. Manches kann auch bei Events ausprobier­t werden, wenn sich der Science Pool in ein mobiles Labor verwandelt. Wer nach so viel Aufregung eine Auszeit braucht, gönnt sich im Science Cafe eine Pause. Hier gibt es Bodenständ­iges wie Palatschin­ken oder Kuchen – aus dem 3D-Drucker und mit rauchendem Schlagober­s.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria