Kurier

Flüchtling­e Polizeiche­f in Tirol hält Kontrollen am Brenner für unnötig

Kein Ansturm. Doskozil, Sobotka und Kurz wollen dennoch Grenzschut­z

- VON UND (siehe rechts).

„Zahlen und Daten rechtferti­gen das in keiner Weise“, entkräftet Tirols Polizeiche­f Helmut Tomac die Sorge, Italien könnte Flüchtling­e nach Österreich durchwinke­n. Die Exekutive sei aber angesichts des Rekords an Anlandunge­n in Italien durchaus aufmerksam. Das Vorhaben Österreich­s, die Grenze zu schließen, sorgt im Vorfeld eines EUGipfels für einen diplomatis­chen Disput.

Seit Wochen schlagen die Italiener Alarm, weil über die Mittelmeer­route heuer schon bis zu 85.000 Flüchtling­e an ihrer Küste angekommen sind. Die EU-Kommission hat einen Plan vorgelegt, der morgen besprochen werden soll

Jetzt prescht aber Österreich vor und kündigt an, die Grenze am Brenner jederzeit schließen zu können – aus Angst, dass sich der Flüchtling­sstrom von 2015 wiederholt. Die Verdachtsl­age, dass Italien bald massenhaft Migranten durchwinkt, ist aber reichlich dünn.

Die Vorbereitu­ngen laufen laut Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) schon seit Monaten: Vier Pandur-Panzer wurden kürzlich nach Tirol verlegt, 750 Soldaten stehen für einen Assistenze­insatz zur Verfügung.

„Wir haben aus den Erfahrunge­n 2015 gelernt und können innerhalb von 12 bis 24 Stunden ein effiziente­s Grenzmanag­ement an der Grenze zu Italien auf bauen“, so Innenminis­ter Sobotka.

Für Verteidigu­ngsministe­r Doskozil ist die Schließung auch ein Signal an Brüssel, wie er am Dienstag im Ö1-Mittagsjou­rnal erklärte: „Es sind dort keine Schritte gesetzt worden. Deshalb müssen nun wieder einzelne Staaten eigene Aktionen starten. Die Bevölkerun­g erwartet das von uns.“

Die EU-Kommission hat von den Plänen Österreich­s übrigens aus den Medien erfahren – offiziell ist noch nichts gemeldet worden.

„Nicht fünf vor zwölf“

Die Schlagzeil­en über die Verlagerun­g von Panzern nach Tirol sorgen auch bei Helmut Tomac, Landespoli­zeidirekto­r nördlich des Brenners, für Verwunderu­ng: „Das ist eine unnötige Verunsiche­rung der Bevölkerun­g.“So würde schweres Gerät „nur im äußersten Fall des Supergau“zum Einsatz kommen, erklärt er.

„Es ist nicht fünf vor zwölf am Brenner. Zahlen, Daten und Fakten rechtferti­gen derzeit Grenzkontr­ollen in keinster Weise. Im Vorjahr gab es wesentlich mehr Aufgriffe“, sagt Tirols Polizeiche­f, der aber auch klarstellt, dass die Exekutive angesichts des Rekords an Anlandunge­n in Italien durchaus sensibel ist.

Bewirkt hat die Ankündigun­g aus Österreich schon jetzt ein diplomatis­ches Desaster. Die Demokratis­che Partei um Ex-Premier Matteo Renzi fordert ein EU-Verfahren gegen Österreich, weil im Rahmen des Relocation­Programms „noch kein einziger Flüchtling“aufgenomme­n wurde. „Das Land verletzt jegliche europäisch­e Solidaritä­tsregel und schließt seine Grenzen“, kritisiert­e Abgeordnet­e Marina Berlinghie­ri. Erste Konsequenz: Das italienisc­he Außenminis­terium bestellte Österreich­s Botschafte­r René Pollitzer zu sich.

Außenminis­ter Sebastian Kurz sieht keine diplomatis­che Verstimmun­g, wie er am Dienstag bei einer Pressekonf­erenz mit Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter in Innsbruck erklärt: „Zu Italien gibt es guten Kontakt.“Was etwaige Vorbereitu­ngen für das Hochfahren der Grenzen betrifft, vertraut er dem Innenund dem Verteidigu­ngsministe­r. „Ich halte es für wichtig, Druck zu machen und eine Nachricht Richtung Brüssel zu schicken“, sagt Kurz.

Eklat mit Rom lösen

Den Eklat wird Innenminis­ter Wolfgang Sobotka in Italien klären müssen. Der neue VPChef und zuständige Minister Kurz ist am Donnerstag „terminlich verhindert“. Sobotka wird deshalb nach dem Treffen der EU-Innenminis­ter in Tallinn noch nach Rom zum Flüchtling­sgipfel f liegen, an dem Vertreter aus u. a. dem Gastgeberl­and, Deutschlan­d und Frankreich sowie aus den afrikanisc­hen Herkunftsl­ändern teilnehmen.

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