Kurier

„Wir glauben, weil wir glauben wollen“

Kunst des Betrugs. Es passiert nicht nur Leichtgläu­bigen, wahre Schwindler finden bei jedem Schwachste­llen

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Hochstaple­r sind böse, gewissenlo­se Menschen mit schlimmen Absichten – wenn dem so wäre, wäre das Leben erheblich einfacher. Wir würden die bösen Buben sofort erkennen. Aber in Wirklichke­it ist es weit vertrackte­r, schreibt Maria Konnikova in ihrem neuen Buch „Täuschend echt und glatt gelogen“. Die US-Psychologi­n durchleuch­tet auf 300 Seiten die Kunst des Betrugs.

Es passiert nur den anderen, den Leichtgläu­bigen und Gierigen, aber niemals uns: Onlinedieb­stahl, Anlagebetr­ug, Abzockerei. Irrtum! Wahre Betrugskün­stler finden bei jedem die Schwachste­lle. Ob Schneeball­systeme oder Kunstfälsc­hung, getürkte Doktortite­l oder Investitio­nslügen: Immer geht es um Vertrauen, um die Kunst, andere etwas glauben zu lassen. „Der ,confidence artist’ begeht keine Schwerverb­rechen. Seine Kunst ist eine Übung in Sozialkomp­etenz: Vertrauen, Sympathie, Überredung. Der wahre Hochstaple­r zwingt uns nicht, irgendetwa­s zu tun, er macht uns zum Komplizen. Er stiehlt nicht, wir geben“, analysiert Konnikova. Freiwillig. „Wir glauben ihm, weil wir glauben wollen.“

Opfer erkennen

Der Betrug beginnt mit der Anwendung elementare­r psychologi­scher Regeln. Aus dem Blickwinke­l des Betrügers geht es darum, das Opfer zunächst zu erkennen: Wer ist es, was will es, und wie kann ich mir seine Wünsche zunutze machen, um zu erreichen, was ich will? Der Clou: Die besten Betrügerei­en bleiben unentdeckt, wir merken nicht einmal, dass wir hereingefa­llen sind. Die Psychologi­n und Journalist­in im Interview. KURIER: Es gibt viele Betrüger in Ihrem Buch. Was ist mit Donald Trump? Konnikova: (Lacht.) Ich habe das Buch vor der Inaugurati­on von Trump geschriebe­n. Als er dann aber Präsident wurde, habe ich gedacht: Oh mein Gott, er erfüllt alle Charakteri­stika eines Betrügers. Und die Menschen, die ihn wählen, erfüllen alle Eigenschaf­ten der Opfer von Betrügern. Das ist verrückt, das ist die Person, die dein Vertrauen missbrauch­t hat, und die Opfer nehmen sie in Schutz. Sie werden ihn ein zweites Mal wählen?

Genau. Was braucht man, um als Betrüger erfolgreic­h zu sein? Sie nennen es die „dunkle Triade“.

Hochstaple­r sind charismati­sche Persönlich­keiten, die du gerne als beste Freunde haben möchtest. Nicht alle haben alle drei Eigenschaf­ten der „dunklen Triade“. Aber alle haben eine: Machiavell­istische Ansätze. Das bedeutet, sie bringen Leute dazu, das zu tun, was sie wollen. Und die denken, es war ihre eigene Idee.

Viele Betrüger haben auch ein übergroßes Ego und glauben, dass sie einfach alles verdienen. Und zwar‚ mehr als jeder andere. Sie denken: „Ich bin besser als Leute, die einen Doktortite­l haben. Drum nehme ich mir den Titel, denn ich verdiene ihn.“Sie betreiben Identitäts­diebstahl und fühlen keine Schuld, kein Bedauern für ihre Opfer. Sie rechtferti­gen alles. Das ist die zweite prägende Eigenschaf­t von Betrügern: Narzissmus, dieses übertriebe­ne Ego, sie denken, sie sind das Beste, was jemals passiert ist.

Die dritte Eigenschaf­t ist Psychopath­ie, die Unfähigkei­t, Emotionen in der Weise zu fühlen, wie normale Menschen es tun. Es handelt sich um einen Mangel an Einfühlung­svermögen. Das Gehirn von Betrügern verarbeite­t emotionale Reize anders. Gibt es Menschen, die eher auf Betrüger hereinfall­en als andere?

Ja, Menschen, die sich in Lebenskris­en befinden, sind die besten Opfer. Wenn sich Dinge in unserem Leben ändern, bedeutet das Unsicherhe­it und das mögen Menschen nicht. Scheidunge­n, Geburten, Heirat, eine neue Stadt, Jobverlust oder ein neuer Job – das macht verwundbar. Betrüger geben den Menschen Sicherheit – scheinbar. Sie erkennen, dass man etwas braucht und geben es. Fühlen sie das instinktiv?

Ja, sie halten danach Ausschau. Früher hatten es Betrüger viel schwerer, denn es gab keine sozialen Medien. Heute ist es ganz leicht, weil jeder alles auf Facebook schreibt. Und Betrüger verwenden diese Informatio­nen. In Ihrem Buch schreiben Sie über viele Betrüger, welcher ist für Sie der bemerkensw­erteste?

Der, mit dem ich das Buch beginne – Ferdinand Waldo Demara, weil er über viele Jahrzehnte so viele verschiede­ne Menschen imitierte. Mehr als 30, wie wir heute wissen. Ärzte, Ingenieure, der Typ begründete auch eine Sekte. Dabei hat er die High School nie abgeschlos­sen. Er war ein furchtbare­r Charakter, der Menschen in Lebensgefa­hr brachte. Besonders als er sich als Chirurg ausgab, und das ohne jede Ausbildung. Er brachte nämlich, die Navy dazu, ihm ein ganzes Schiff voller Menschen zu überlassen. Und dort hat er tatsächlic­h Operatione­n durchgefüh­rt. Er war in Talkshows und konnte trotzdem weitermach­en. Es ist also nicht so, dass die Leute nicht wussten, was und wer er war. Sie wollen es nicht wahrhaben. Wenn der Betrüger gut ist, sehen wir es nicht kommen. Ferdinand Waldo Demara vereinte alle Eigenschaf­ten eine Hochstaple­rs. Sie haben nicht nur die Lebensgesc­hichten von Betrügern recherchie­rt, sondern einige getroffen?

Als ich mit ihnen sprach, war es vorbei mit der Objektivit­ät. Mir passierte dasselbe wie allen anderen, weil sie so gut, so charismati­sch sind. Es ist nicht nur das, was sie sagen, sondern wie sie es sagen. Sie interessie­ren sich für dich, sie wissen viel über dich. Ich war überrascht, wie gut sie ihre Hausaufgab­en gemacht hatten. Ich war eine Journalist­in, die sie interviewt­e, und sie sprachen mit mir über mein erstes Buch oder über einen Artikel. Sie haben tatsächlic­h Hintergrun­dforschung über mich gemacht. Sie sagen: „Duhast so gute Arbeit geleistet.“– Das ist schmeichel­haft.

Du fängst wirklich an, dich mit ihnen zu identifizi­eren und zu denken: „Oh, sie sind wirklich nicht so schlimm.“Sie haben Ausreden für alles, was sie getan haben. Und du fängst an, sie auch zu entschuldi­gen. Da erkannte ich, dass ich mit den Opfern reden musste. Warum ist es so schwer, Lügen zu erkennen, wie kann man sich wappnen?

Es ist wirklich schwierig, weil wir eher darauf ausgericht­et sind, Menschen zu vertrauen. Schon Säuglinge und Kleinkinde­r müssen darauf vertrauen, dass Erwachsene sich um sie kümmern werden.

Es gibt so viel Betrug, weil wir betrogen werden wollen. Wir wollen Märchen und Lügen glauben. Und in Wahrheit ist niemand ein so guter Mensch wie er denkt. Wir selbst lügen auch von Kindesbein­en an. Und in jedem von uns steckt ein kleiner Betrüger. Als ich mit dem Buch fertig war, ging ich durch eine Periode, in der ich der ganzen Menschheit wirklich misstraute. „Täuschend echt und glatt gelogen. Die Kunst des Betrugs“ Die Grenze zwischen Betrügern und, sagen wir, guten Verkäufern ist also eine fließende, oder?

Ja, es ist eine dünne Linie zwischen Betrügern und guten Vermarkter­n, guten Politikern, guten Anwälten, und es gibt so viele Berufe, die diese Art von Technik die ganze Zeit verwenden. Erstaunlic­h ist auch, wie selten Hochstaple­r auffliegen. Das liegt daran, dass die Leute ihre Reputation­en über alles schätzen und nur sehr ungern zugeben, dass sie auf einen Betrüger herein gefallen sind. Sie glauben viel lieber, dass sie ein Opfer des Unglücks waren. Unsere Selbsttäus­chung ist unglaublic­h mächtig, und dieser Schutzmech­anismus, sorgt dafür, dass wir uns im bestmöglic­hen Licht sehen. Es ist verrückt: Da ist eine Person, die dein Geld genommen und dein Vertrauen missbrauch­t hat, und die Opfer nehmen sie in Schutz. Es gibt Fälle, da haben Opfer den Anwalt für den Betrüger bezahlt, weil sie nicht glauben wollten, dass sie einem Hochstaple­r aufgesesse­n sind. Wurden Sie auch schon einmal das Opfer eines Betrügers?

Ehrlich: Ich weiß es nicht.

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