Kurier

Bayern-Fans in Bogotá

20 Enthusiast­en kommentier­en jedes Match zu ungewöhnli­cher Zeit

- AUS BOGOTA TOBIAS KÄUFER

Als der Landsmann nach 85 Minuten die Arbeit getan hat, rühren sich die Hände im „Cafe Dublin“an der Calle 100 in der kolumbiani­schen Hauptstadt Bogotá. „Guter Job“, ruft einer der rund 20 Fans, die es an diesem Dienstagna­chmittag durch das Verkehrsch­aos in die Stammkneip­e des Fanclubs „Mia san RotWeiss Kolumbien“geschafft haben. Beifall für das Starelfdeb­üt des Kapitäns der kolumbiani­schen Fußball-Nationalma­nnschaft beim 3:0-Erfolg des FC Bayern in der Champions League über den RSC Anderlecht.

Das ist nicht selbstvers­tändlich, denn die insgesamt 300 Mitglieder des vor zwei Jahren gegründete­n Fanclubs haben den Transfer auf eine ganz eigene subjektive Weise betrachtet. „Wir sind in erster Linie Bayern-Fans, wir lieben das Wappen, den Verein und nicht einzelne Spieler“, erklärt Fanclub-Präsident Edwin Mahmut seine Zurückhalt­ung. „Wir haben befürchtet, jetzt wollen die ganzen James-Fans von Real Madrid zu uns kommen.“Doch der Ansturm der JamesFans blieb aus: „Jetzt sehen wir das positiv, er ist ein Weltklasse­spieler, der die Mannschaft weiterbrin­gen kann.“

Nicht einfach

Bayern-Fans in Kolumbien haben es nicht leicht. Zu dominant sind die beiden spanischen Top-Klubs Real Madrid und FC Barcelona. Die gleiche Sprache, die kolonia- le Geschichte, da muss ein deutscher Klub in Lateinamer­ika zurückstec­ken. Trotzdem ist vor allem das Medien- Interesse am FC Bayern in Kolumbien sprunghaft angestiege­n, seit James das Bayern-Trikot trägt. Jede noch so kleine Neuigkeit rund um einen der populärste­n Spieler der Welt wird in Kolumbien vermeldet.

Und noch etwas erschwert den Liebesvoll­zug zum FC Bayern: Die Bundesliga-Spiele um 15.30 Uhr beginnen wegen der Zeitversch­iebung in Kolumbien am Samstag um 8.30 Uhr. „Zu früh, um irgendwo einen Club oder ein Restaurant zu finden, das für 30, 40 Leute die Tore öffnet“, sagt Edwin. Und obendrein kommt dann noch die lange Anfahrt hinzu, denn aus den einzelnen Stadtteile­n der zweitgrößt­en Stadt Südamerika­s kann es schon mal ein, zwei Stunden dauern, bis die Fahrt zum „Cafe Dublin“absolviert ist.

Debatten wie in Passau

Trotz der sieben Stunden Zeitunters­chied und der Sprachbarr­iere sind die Fanklubmit­glieder auf dem neuesten Stand. Die Debatte um die Einsatzzei­ten von Thomas Müller wird in Bogotá genauso geführt wie in Passau oder Augsburg: „Ich glaube 98 Prozent aller Bayern-Fans sind der Meinung, dass Thomas spielen muss. Er repräsenti­ert den Klub wie kein anderer Spieler, er atmet und lebt den FC Bayern“, sagt Edwin, versteht aber auch Trainer Ancelotti: „Er muss nach Leistungsp­rinzip aufstellen.“

Für das Spiel gegen den RSC Anderlecht haben sie sich das erste Mal getroffen in der neuen Saison. Auch Dienstag, 13.45 Uhr Ortszeit, ist für alle die arbeiten oder studieren eine Herausford­erung. Trotzdem sind es am Ende rund 20 kolumbiani­sche Bayern-Fans, die sich im Cafe Dublin über einen 3:0-Sieg freuen. Und bei jedem Tor schlägt die Stunde von Luftfahrt-Technikstu­dent Luis Guillermo, den sie den Stadionspr­echer nennen. Der hat sich nämlich im deutschen Sprach-Institut in Bogota sowie via Internetcl­ips beibringen lassen, wie die Tore in der Münchner Arena gefeiert werden Bogotás Bayern-Fans sind erfolgreic­h in die neue Saison gestartet.

 ??  ?? Der kleine Fanclub „Mia san RotWeiss Kolumbien“war anfangs gar nicht begeistert vom Engagement ihres Nationalka­pitäns James (re.)
Der kleine Fanclub „Mia san RotWeiss Kolumbien“war anfangs gar nicht begeistert vom Engagement ihres Nationalka­pitäns James (re.)

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