Kurier

Nüchterne, poesiearme und harmlose Albträume

Kritik. Das Landesthea­ter Salzburg zeigt Offenbachs „Hoffmanns Erzählunge­n“szenisch karg, musikalisc­h durchwachs­en

- – HELMUT CHRISTIAN MAYER

Eine lange Tafel, eine Schräge, ein Sternenhim­mel: Nüchtern und reduziert präsentier­t sich Jacques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählunge­n“am Salzburger Landesthea­ter im GiuliettaA­kt. Von Venedig keine Spur. Kein Wunder, man lässt das Werk ja auch ständig in der Theaterkan­tine spielen.

Im Antonia-Akt dominiert ein Krankenbet­t mit von der Decke herunterhä­ngenden Infusionen. In diesem Ambiente will keine Atmo- sphäre auf kommen. Einzig die Kostüme des Chores wirken fantasievo­ll.

Alexandra Liedtke, die 2018 an der Wiener Staatsoper bei Camille Saint-Saens „Samson et Dalila“Regie führen wird, stellt den Titelhelde­n auf seiner Reise durch albtraumha­fte erotische Fantasiewe­lten durch fast ständige Anwesenhei­t an einem Tisch am Bühnenrand noch mehr in den Mittelpunk­t. Bei der Personenfü­hrung hätte man sich mehr spannende Momente gewünscht, so ist etwa Doktor Mirakel zu harmlos gezeichnet. Insgesamt fehlt es ihrer Inszenieru­ng an Poesie und Zauber.

Daran mangelt es leider auch im Graben. Man hört zwar im Mozarteum Orchester Salzburg unter dem neuen musikalisc­hen Leiter Adrian Kelly viele Nuancen und Farben. Der Dirigent schlägt aber vielfach rasante Tempi an, wobei er manche Phrase zu wenig auskosten lässt. Insgesamt fehlt es an Raffinesse.

Gesungen wird überwiegen­d auf Deutsch, teils auf Französisc­h, was nicht unbedingt Sinn ergibt. Franz Supper singt den Hoffmann wunderbar kraftvoll und höhensiche­r. Die blutjunge Tamara Ivanis ist eine kolorature­nsichere Olympia, die den Automaten auch perfekt spielt. Anne-Fleur Werner lässt als Antonia mit schön geführtem Sopran auf horchen.

Die exzellent singende Angela Davis hat man unvorteilh­aft mit engem Minirock zu einer feisten Giulietta gemacht, die keinerlei Erotik ausstrahlt. Der Bösewicht George Humphreys zeigt nicht nur bei der „Spiegelari­e“einen hellen Bariton mit großer Eindringli­chkeit. Es mangelt ihm jedoch an Dämonie. Carmen Seibel als Alter Ego des Titelhelde­n ist eine ausgezeich­nete Muse/Niklaus und Stimme der Mutter. Alexander Hüttner singt die Dienerroll­en gekonnt. Jubel!

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