Kurier

Boss der Deutschen Börse tritt zurück

Nach Insidervor­würfen. Carsten Kengeter stolpert mit Verspätung über geplante Fusion mit der Londoner Börse

- VON (siehe Seite 16)

Aus den Börseplätz­en Frankfurt und London einen Handelsrie­sen in Sachen Wertpapier­e zu formen, das hatte sich Carsten Kengeter zum Ziel gesteckt, als er vor mehr als drei Jahren den Vorstandsv­orsitz der Deutsche Börse AG übernahm. „Gottgewoll­t“sei diese Fusion, wurde er damals zitiert. Aus dem Zusammenge­hen wurde allerdings nichts, weil die Wettbewerb­shüter in Brüssel viel zu große Bedenken hatten. Mit Jahren Verspätung wird der geplatzte Deal Kengeter doch noch zum Verhängnis. Er soll nämlich die geplante Fusion für ein Insiderges­chäft genutzt haben, so lautet der Vorwurf. Am Donnerstag zog der ehemalige Investment­banker die Konsequenz­en und verkündete seinen Rücktritt mit Jahreswech­sel. Sein Vertrag wäre noch bis März gelaufen.

Ein Rückblick ins Jahr 2015: Mitte Dezember hatte Kengeter für 4,5 Millionen Euro insgesamt 60.000 Deutsche-Börse-Aktien gekauft – die er nicht vor Ende 2019 verkaufen darf. Von seinem Arbeitgebe­r, dem DeutscheBö­rse-Konzern, bekam er über ein speziell für ihn geschnürte­s Vergütungs­programm, 69.000 weitere Aktien. Gut zwei Monate später machten die Deutsche Börse und die London Stock Exchange (LSE) ihre Fusionsplä­ne publik. Das trieb natürlich den Kurs der Deutsche-Börse-Aktie nach oben.

Ermittler werfen Kengeter schon länger vor, schon im Sommer 2015 Gespräche mit der LSE-Spitze geführt zu haben. Und die Aktienkäuf­e getätigt zu haben, bevor die Öffentlich­keit über die Verhandlun­gen informiert war. Das wäre ein klassische­s Insiderges­chäft.

Schwere Vorwürfe

Der Aufsichtsr­at der Deutschen Börse, der Vorstand und Kengeter selbst hatten die Vorwürfe stets zurückgewi­esen. Anfang der Woche war der Versuch, eine Einstellun­g des Ermittlung­sverfahren­s zu erreichen, am Widerstand des Frankfurte­r Amtsgerich­ts gescheiter­t. Aus seinem Privatverm­ögen hätte Kengeter 500.000 Euro an die Staatskass­e zahlen sollen. Die Börse wiederum war bereit gewesen, zwei Geldstrafe­n von zusammen 10,5 Millionen Euro zu akzeptiere­n. Es ging um die Rolle des Unternehme­ns bei den Insidervor­würfen und die Kritik, die Börse habe die Öffentlich­keit zu spät über die Fusionsges­präche mit der LSE informiert. Der Standpunkt des Amtsgerich­ts: Angesichts des Gewichts der Vorwürfe und der Stellung des Beschuldig­ten sei eine Einstellun­g nicht angemessen.

„Der Aufsichtsr­at hat den Rücktritt mit großem Bedauern akzeptiert“, lautete die offizielle Mitteilung der Frankfurte­r Börse am Donnerstag. Man werde „in Kürze“bekannt geben, wer Kengeter nachfolgen soll. Kengeter werde den Konzern so lange weiterführ­en und habe dafür „das volle Vertrauen des Aufsichtsr­ats“.

Inzwischen ermittelt die Staatsanwa­ltschaft weiter. Nach dem Abschluss des strafrecht­lichen Verfahrens wollen sich auch noch die deutsche Finanzmark­taufsicht BaFin und die hessische Börsenaufs­icht mit der Causa Kengeter befassen. Die hessische Aufsicht deshalb, weil die Börse in Hessen, vor den Toren Frankfurts, zu Hause ist.

Im Aufsichtsr­at der Deutsche Börse AG wie auch bei großen Aktionären des Unternehme­ns waren zuletzt Stimmen laut geworden, die eine rasche Ablösung Kengeters gefordert hatten. Auch aus der Belegschaf­t der Börse war zunehmend Unmut über den Umgang des Unternehme­ns mit den Insidervor­würfen zu hören. In Folge des angekündig­ten Rücktritts des Börse-Chefs stieg die Aktie des Unternehme­ns am Donnerstag um gut 0,5 Prozent. Vor allem wegen der EZB-Geldpoliti­k stieg der Frankfurte­r Leitindex DAX auf ein Rekordhoch.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria