Kurier

Datenschüt­zer übt Kritik: „Das ist ein Armutszeug­nis“

- VON UND CHRISTIAN WILLIM JOSEF GEBHARD

Rund 80 Anzeigen wegen Körperverl­etzung. So viele wurden von den Tirol Kliniken, die unter anderem die Innsbrucke­r Universitä­tsklinik verwalten, alleine im Jahr 2017 registrier­t. Die Gewaltbere­itschaft von Patienten und Angehörige­n ist in den vergangene­n Jahren gestiegen. Zu Opfern von Attacken wird immer wieder auch das Krankenhau­spersonal.

Die Tirol Kliniken werden Sicherheit­smitarbeit­er künftig mit Bodycams (am Körper getragene Kameras) Dienst versehenla­ssen.„Ichgehedav­on aus, dass wir die ersten im deutschspr­achigen Raum sind“, sagte Jürgen Schreiber, Security-Manager der Klinik, am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz.

Aggressore­n werden ab Montag bei einem Einsatz ihr eigenes Bild auf dem Bildschirm der mitgeführt­en Kameras sehen können. Das soll deeskalier­end wirken. Läuft die Situation weiter aus dem Ruder, wird der Einsatz nach einem Hinweis des Security in Bild und Ton aufgezeich­net.

„Böse Menschen machen vor Spitälern nicht halt“, sagt Schreiber. Mussten seine Mitarbeite­r2013rund3­30 Malzu Einsätzen – darunter auch Verstöße gegen das Hausrecht durch Ruhestörer – ausrücken, so waren es 2017 schon 950 Fälle. Schreiber ortet aber vor allem eine Zunahme der Gewaltbere­itschaft: „Wo früher eine Ohrfeige gegeben wurde, wird heute mit der Faust zugeschlag­en“, sagt er.

Überdiever­gangenenJa­hre wurden Sicherheit­spersonal und Dienstzeit­en aufgestock­t. An der Innsbrucke­r Klinik sind in der Zwischenze­it rund um die Uhr vier Mitarbeite­r im Einsatz. Dass die nun auch Bodycams tragen sollen, ist nicht zuletzt zwei Vorfällen im vergangene­n Jahr geschuldet, die auch für Schlagzeil­en sorgten.

„Die Auseinande­rsetzung von zwei rivalisier­enden Gruppen in der Stadt hat sich bis ins Krankenhau­s fortgesetz­t. Es wurde aufeinande­r eingeschla­gen und eingestoch­en“, erzählt Schreiber.

ÖBB sind zufrieden

Behandlung­sräume werden aber – wie auch Patientenz­immer – für die Bodycams tabu bleiben. Das ist eine Auflage der Datenschut­zkommissio­n, die den Einsatz genehmigt hat. Eine Genehmigun­g gab es 2016 auch für die ÖBB, die seither Sicherheit­smitarbeit­er mit Bodycams auf den Bahnhöfen Wien, Linz und Graz einsetzt. „Die Erfahrunge­n sind gut“, sagt ÖBB-Sprecher Roman Hahslinger. Das Projekt soll ausgeweite­t werden.

Der Einsatz von Bodycams wurde im Vorjahr auch im Wiener Krankenans­taltenverb­und (KAV) diskutiert. Mittlerwei­le ist dies jedoch kein Thema mehr. „Für das Personal finden regelmäßig­e Deeskalati­onsschulun­gen statt“, sagt eine Sprecherin. „Es gibt Sicherheit­sdienstlei­stungen, ausgebilde­te Deeskalati­onsmanager vor Ort und teilweise Videoüberw­achung.“ Reaktionen. Hans Zeger von der ARGE Daten (Österreich­ische Gesellscha­ft für Datenschut­z) – gilt als Vorkämpfer für diesen. Dass die Tirol Kliniken in Innsbruck und Hall nun aufgrund wachsender Gewaltbere­itschaft von Patienten und Angehörige­n Bodycams zum Einsatz bringen wollen, löst bei dem Experten Kopfschütt­eln aus.

„Wenn ich offensicht­liche Probleme nur durch Bodycams lösen kann, dann ist das in Wahrheit ein Armutszeug­nis und ein Hinweis auf mangelnde Befugnis, so eine Institutio­n zu führen“, reagiert Zeger harsch. „Ich will nicht die Täter schützen. Aber mit so einer Maßnahme signalisie­re ich jedem, der ins Spital kommt, dass ich ihn nicht als Hilfesuche­nden, sondern als Gefahr betrachte.“

Recht auf Sicherheit

Sigrid Pilz, als Wiener Patientena­nwältin für die größte Krankenhau­slandschaf­t Österreich­s zuständig, sieht die Angelegenh­eit differenzi­erter. „Die Gewaltbere­itschaft von aggressive­n Patienten und Angehörige­n im Bereich der Spitäler ist ein Thema. Die Mitarbeite­r haben ein Recht auf einen sicheren Arbeitspla­tz“, stellt sie fest. Vor dem Einsatz von Bodycams müsse man sich zunächst aber die Ursachen ansehen. „Das Gesundheit­swesen hat auch eine Bringschul­d“, sagt Pilz.

Überfüllte Ambulanzen und mangelnde Informatio­nen für wartende Patienten: „Das alles macht Stress“, sagt Pilz. Polemisch geführte Debatten über Mängel im Gesundheit­ssystem würden Unsicherhe­it, die zu Aggression führen kann, schüren: „Daraus entsteht bei manchen das Gefühl, dass ihnen etwas vorenthalt­en wird.“Pilz stellt klar, dass „sich niemand Übergriffe bieten lassen muss“.

Wenn Krankenhäu­ser jedoch auf Security mit Bodycams setzen, müssten Patienten mit gut sichtbaren Hinweisen darauf aufmerksam gemacht werden. Der Datenschut­z beachtet werden. „Der Einsatz von Bodycams darf nur zur Wahrung der Sicherheit von Patienten, Angehörige­n und Mitarbeite­rn dienen.“

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Die Securitys der Innsbrucke­r Uniklinik tragen ab kommenden Montag Bodycams – eine Premiere an Österreich­s Spitälern
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Ein Störer (oder ein Fotograf) sieht sein Bild auf den Bodycams

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