Kurier

Gründerzei­thäusern droht schneller Abriss

Künftig mehr Schutz

- VON BIRGIT SEISER (siehe

Durch die neue Wiener Bauordnung, die teilweise schon ab 1. Juli in Kraft treten soll, kommen Immo-Spekulante­n unter Zugzwang. Häuser die vor dem Jahr 1945 erbaut wurden, können dann nur unter besonderen Umständen abgerissen und durch neue Wohnbauten ersetzt werden. Für ein Gründerzei­thaus in der Radetzkyst­raße in Wien-Landstraße könnte diese Frist in der nächsten Woche den Abriss bedeuten. Am Dienstag wurde ein Gerüst aufgestell­t, obwohl neun Altmieter dort wohnen. Mittels Protesten wollen sich die Bewohner wehren. Eigentümer des Hauses ist eine Immo-Gruppe, die mit Luxuswohnu­ngen ihr Geld macht. Alleine im Jahr 2017 wurden laut Grüne Wien mehr als 100 Häuser abgerissen.

Seit 171 Jahren steht in der Radetzkyst­raßeeinHau­s,das mit seinem Eckturm das Bild des Grätzels in Wien-Landstraße prägt. Im Jahr 1847 war es das erste Zinshaus das im Stil der Neogotik von Josef Kastan erbaut wurde. Seit Dienstag ist der Eckturm jedoch von einem Baugerüst umhüllt, das Gebäude soll abgerissen werden – obwohl immer noch neun Mieter mit unbefriste­ten Verträgen dort wohnen. Vor dem Eigentümer – einer ImmoGruppe die mit Luxusappar­tements ihr Geld verdient – kapitulier­en wollen die Altmieter nicht. „Wir haben eine Petition gestartet“, sagt Bewohner Andreas Vesely. Auch die Grüne Klubobfrau des 3. Bezirks, Ulrike Pilgram, kämpft gegen den Abriss.

Der Probleme begannen 2015. Damals wurde das Haus an einen neuen Eigentümer verkauft. Der vorherige Besitzer hätte es laut den Mietern „immer in Schuss gehalten“. Nach der Übernahme habe sich das geändert. „Jetzt schaut alles nach Abriss aus. Am Dienstag wurde ein Gerüst aufgebaut. Warum, wissen wir nicht. Es gab weder einen Brief noch einen Aushang“, sagt eine Mieterin. Das Handeln der Besitzer könnte einen rechtliche­n Hintergrun­d haben: Schon am ersten 1. Juli könnte jener Teil der neuen Wiener Bauordnung in Kraft treten, der einen besseren Schutz von Altbauten vorsieht.

Abriss wird komplizier­t

Mit der Novelle sind Gründerzei­thäuser nur noch schwer abzureißen Infokasten rechts). Außerdem könnte das Haus durch die neue Bauordnung als Schutzzone ausgewiese­n werden, was bisher nur für Häuser die im Gebäudever­bund stehen, möglich war. Für Immobilien­Spekulante­n bedeutet die Baurechts-Novelle große finanziell­e Einbußen, denn Luxusapart­ments zu errichten, ist weitaus lukrativer als alte Mietshäuse­r zu renovieren. Bisher war der Abriss bewilligun­gsfrei. Drei Tage vor Beginn der Bauarbeite­n musste lediglich eine Info an die Stadt erfolgen. Allein im Jahr 2017 wurden laut Grüne Wien über 100 Häuser eingestamp­ft.

Das ewige Problem der Immo-Spekulante­n sind unbefriste­te Mietverträ­ge, die nicht einfach so aufgelöst werden können. Wie Beispiele der vergangene­n Jahre zeigen, fielen Bauherren zwielichti­geMethoden­ein,umdie Altmieter aus den Häusern zu bekommen, wie in der Mühlfeldga­sse 12 in der Leopoldsta­dt. Vor sechs Jahren boten die Eigentümer des Gebäudes einigen Punks an einzuziehe­n, um so die Mieter zu vertreiben. Die Punks solidarisi­erten sich allerdings mit den Anrainern, was zur Entstehung der Pizzeria Anarchia und deren medienwirk­samen Räumung 2014 führte. Ähnliche Methoden sollen auch im Haus in der Radetzkyst­raße angewandt worden sein. Laut Mietern hausten bereits Obdachlose in mehreren Wohnungen.

Auf KURIER-Anfrage äußerte sich die Immobilien­gruppe nicht. Laut Ronald Schlesinge­r von der Mieterhilf­e Wien soll es nächste Woche eine Mieter versammlun­g geben: „Wir kennen diese Firma und haben ein Auge auf die Vorgänge dort. Der Eigentümer kann das Haus nicht abreißen, solange noch Mieter dort sind. Das steht definitiv fest.“

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Über 100 Häuser sollen allein im Vorjahr von Immobilien-Spekulante­n in Luxusappar­tements umgebaut worden sein. Mit der neuen Bauordnung, will die Stadt alte Gebäude nun schützen
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Ulrike Pilgram (Grüne) kämpft mit den Mietern gegen den Abriss

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