Afrika braucht weder Kommissar noch Marshallplan
Im
KURIER-Interview vom 2. August kritisiert CaritasPräsident Michael Landau die aktuelle Handelspolitik und plädiert für einen EUKommissar und Marshallplan für Afrika.
Caritas-Chef Landau hat die entwicklungspolitischen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte verschlafen.
Politische Vertreter aller Couleurs überschlagen sich regelmäßig mit ihren Forderungen nach richtig viel Geld für Afrika – in der irrigen Annahme, dass man damit alle Probleme lösen könne. Jüngstes Beispiel dafür: Caritas-Chef Michael Landau. Er greift damit eine ursprüngliche Idee Deutschlands aus dessen G20-Präsidentschaft vor zwei Jahren auf.
Schon damals musste man erleben, dass je mehr Einwände von Expertenseite laut wurden, desto heftiger forderten Politik und große Teile der Zivilgesellschaft einen Marshallplan für Afrika. Und die genannten Beträge konnten nicht gigantisch genug sein.
Eine jüngste Anfrage an den eigentlichen Vater der Idee, den deutschen Entwicklungsminister Gerd Müller, enthüllte, dass im laufenden Entwicklungshilfebudget der Bundesrepublik dafür gar kein Geld mehr vorgesehen ist. Sage und schreibe „null Euro“im Jahr 2018!
Fehlende Programme
Das hat einfach damit zu tun, dass man die zusätzlichen Unsummen eines Marshallplans schlicht und einfach nicht braucht. Es wäre grundsätzlich genügend Geld im Rahmen der bestehenden Entwicklungshilfe vorhanden – was fehlt, sind die wirksamen Programme und Projekte zur industriellen Entwicklung Afrikas. Und dafür gibt es nun eben keine einfachen Lösungen. Davon abgesehen, dass der Marshallplan zum Wiederauf bau bereits industrialisierter Gebiete nach einem Weltkrieg gedacht war.
Wiederauf bau ist vergleichsweise simpel im Vergleich zu einem Kontinent wie Afrika, wo es nichts gibt, dass man wiederauf bauen könnte. Selbst afrikanische Staaten erkennen inzwischen, dass ein „Marshallplan mit Afrika“keinen Zusatznutzen bringen würde.
Das politische Gedächtnis ist aber bekanntlich kurz und daher finden sich immer wieder noch Menschen, die in einem solchen Marshallplan für Afrika die große Lö- sung sehen. Obwohl er von der Praxis längst ad acta gelegt wurde. Damit aber nicht genug, greift Michael Landau auch gleich noch tiefer in die Mottenkiste der europäischen Entwicklungspolitik und fordert gar noch einen eigenen „EU-Kommissar für Afrika“. In der irrigen Annahme, wenn es nur einen hohen Posten für etwas gibt, dann löst das dann auch gleich alle Probleme. Hätte er sich vor seinem Interview die nötigen Hintergrundinformationen besorgt, wäre ihm jedoch aufgefallen, dass es einen solchen Kommissar bereits schon einmal gab.
Vor 20 Jahren war nämlich João de Deus Pinheiro der EU-Kommissar für Be- ziehungen zu Afrika und Entwicklungshilfe (1995– 1999). Und es gibt genügend Literatur und wissenschaftliche Aufarbeitung, warum man von dieser „geografischen Zuständigkeit“schleunigst wieder abgegangen ist. Heutige Ansätze und Lösungen liegen stattdessen aus guten Grund bei thematischen Zuständigkeiten.
Wie sollten auch globale Herausforderungen wie Handel, Klimawandel, Migration oder etwa Umweltfragen auch anders gelöst werden?