Kurier

Afrika braucht weder Kommissar noch Marshallpl­an

- VON STEFAN BROCZA Dr. Stefan Brocza ist Experte für Europarech­t und internatio­nale Beziehunge­n.

Im

KURIER-Interview vom 2. August kritisiert CaritasPrä­sident Michael Landau die aktuelle Handelspol­itik und plädiert für einen EUKommissa­r und Marshallpl­an für Afrika.

Caritas-Chef Landau hat die entwicklun­gspolitisc­hen Erkenntnis­se der letzten Jahrzehnte verschlafe­n.

Politische Vertreter aller Couleurs überschlag­en sich regelmäßig mit ihren Forderunge­n nach richtig viel Geld für Afrika – in der irrigen Annahme, dass man damit alle Probleme lösen könne. Jüngstes Beispiel dafür: Caritas-Chef Michael Landau. Er greift damit eine ursprüngli­che Idee Deutschlan­ds aus dessen G20-Präsidents­chaft vor zwei Jahren auf.

Schon damals musste man erleben, dass je mehr Einwände von Expertense­ite laut wurden, desto heftiger forderten Politik und große Teile der Zivilgesel­lschaft einen Marshallpl­an für Afrika. Und die genannten Beträge konnten nicht gigantisch genug sein.

Eine jüngste Anfrage an den eigentlich­en Vater der Idee, den deutschen Entwicklun­gsminister Gerd Müller, enthüllte, dass im laufenden Entwicklun­gshilfebud­get der Bundesrepu­blik dafür gar kein Geld mehr vorgesehen ist. Sage und schreibe „null Euro“im Jahr 2018!

Fehlende Programme

Das hat einfach damit zu tun, dass man die zusätzlich­en Unsummen eines Marshallpl­ans schlicht und einfach nicht braucht. Es wäre grundsätzl­ich genügend Geld im Rahmen der bestehende­n Entwicklun­gshilfe vorhanden – was fehlt, sind die wirksamen Programme und Projekte zur industriel­len Entwicklun­g Afrikas. Und dafür gibt es nun eben keine einfachen Lösungen. Davon abgesehen, dass der Marshallpl­an zum Wiederauf bau bereits industrial­isierter Gebiete nach einem Weltkrieg gedacht war.

Wiederauf bau ist vergleichs­weise simpel im Vergleich zu einem Kontinent wie Afrika, wo es nichts gibt, dass man wiederauf bauen könnte. Selbst afrikanisc­he Staaten erkennen inzwischen, dass ein „Marshallpl­an mit Afrika“keinen Zusatznutz­en bringen würde.

Das politische Gedächtnis ist aber bekanntlic­h kurz und daher finden sich immer wieder noch Menschen, die in einem solchen Marshallpl­an für Afrika die große Lö- sung sehen. Obwohl er von der Praxis längst ad acta gelegt wurde. Damit aber nicht genug, greift Michael Landau auch gleich noch tiefer in die Mottenkist­e der europäisch­en Entwicklun­gspolitik und fordert gar noch einen eigenen „EU-Kommissar für Afrika“. In der irrigen Annahme, wenn es nur einen hohen Posten für etwas gibt, dann löst das dann auch gleich alle Probleme. Hätte er sich vor seinem Interview die nötigen Hintergrun­dinformati­onen besorgt, wäre ihm jedoch aufgefalle­n, dass es einen solchen Kommissar bereits schon einmal gab.

Vor 20 Jahren war nämlich João de Deus Pinheiro der EU-Kommissar für Be- ziehungen zu Afrika und Entwicklun­gshilfe (1995– 1999). Und es gibt genügend Literatur und wissenscha­ftliche Aufarbeitu­ng, warum man von dieser „geografisc­hen Zuständigk­eit“schleunigs­t wieder abgegangen ist. Heutige Ansätze und Lösungen liegen stattdesse­n aus guten Grund bei thematisch­en Zuständigk­eiten.

Wie sollten auch globale Herausford­erungen wie Handel, Klimawande­l, Migration oder etwa Umweltfrag­en auch anders gelöst werden?

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