„Tennis ist leicht zu manipulieren“
Interview. Die Spitze des Play Fair Code über den Kampf gegen die Spielmanipulation
SeitdemFallTabogawurden 15.000 Sportler, Funktionäre, Trainer und Schiedsrichter vom Play Fair Code geschult. Gegründet worden war der Verein auf Initiative von Sportministerium, ÖFB und Fußball-Bundesliga aber schon davor. „Und das war gut. Denn als im Herbst 2013 manche den Fußball generell verteufeln wollten, konnte entgegnet werden: DerPlayFairCodewarschon bei allen damals 20 Bundesliga-Vereinen, um erstmals eine Schulung vorzunehmen“, erinnert sich Geschäftsführer Severin Moritzer. Gemeinsam mit Präsident Günter Kaltenbrunner hat er sich der Präventionsarbeit in Österreichs Sport verschrieben.
KURIER: Fünf Jahre sind seit dem Fall Taboga vergangen. Bleibt der Kampf gegen Spielmanipulation einer gegen Windmühlen?
Günter Kaltenbrunner: Ist nicht auch der Kampf gegen Doping einer gegen Windmühlen? Kriminelle Energien sind nicht zu verhindern. Uns geht es vor allem um die Prävention. Und die machen Severin Moritzer und seine Mitarbeiter sehr gut. Das spüren wir auch an vielen positiven internationalenReaktionen.
Severin Moritzer: Die Prävention und die Intervention – sprich Polizeiarbeit und Justiz – arbeiten immer besser zusammen. Auszuschließen ist aber nie etwas.
Ist es das Ziel, dass möglichst wenig an die Öffentlichkeit dringt? Oder wäre es manchmal gut, wenn über Missstände berichtet wird, um die Sinnhaftigkeit des Vereins zu betonen?
Moritzer: Wir werden öfter mit Verdachtsmomenten kontaktiert, diese Fälle werdendannnacheinemfestgelegten Verfahren abgearbeiden tet. Ich würde es nicht gut finden, wenn mehr an die Öffentlichkeit dringt, weil das dem Sport an sich schaden würde. Auch wenn das vielleicht ein allzu ethischer, naiverZugangist. Kaltenbrunner: Diese Fälle sind – so negativ sie sind – der Beweis, wie wichtig es ist, dass es uns gibt. Wir sind ein Best Practice Beispiel. Aber der Weg ist ein weiter. Früher hatte die Wettmafia ja international kaum Gegenwehr.
Wie sehen Sie die Rolle von Taboga als mögliche Hilfe in Ihrem Kampf? Kaltenbrunner: Ich habe den Eindruck, dass Taboga geläutert ist. Ich wünsche mir, dass er aus seinen früheren Fehlern so lernt, dass es ein gutes„zweites Leben“gibt. Moritzer: Es hat bei einigen Schulungenemotionale Diskussionengegeben, weil frühere Mitspieler oder Gegner Eindruck bekamen, wir würden Dominique Taboga eine Bühne bieten. Das tun wirnicht. WirhabenvorJahren klar festgelegt, dass wir nicht die Plattformsind, um Tabogazuresozialisieren. Er hat vielen Menschen, Klubs und dem Fußball Schaden zugefügt. Deswegen kommt er in den Videos vor, aber nicht als Mitarbeiter.
Welche Sportler sind besonders anfällig für Manipulation? Moritzer: Gefährlich wird es etwadann, wennZahlungen ausbleiben. Dazu gibt es erschreckende Studien aus Osteuropa: Je schlechter die Zahlungsmoral, desto mehr öffnen sich Spieler für andere Quellen und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für Spielmanipulationen.
Berichtet wurde hauptsächlich über Fußball-Skandale. Insider meinen aber, dass Tennis viel anfälliger wäre. Kaltenbrunner: Fußball ist der populärste Sport und damit auchder meist attackierte. Moritzer: Im Fußball ist das meisteGeldimUmlauf, auch amWettmarkt. Aber ja: Tennis ist die am leichtesten zu manipulierende Weltsportart. Wir kennen das ausAussagen des verurteilten ExProfis Daniel Köllerer. Als Tennisspieler gehst du auf den Platz und kannst ganz einfach die Entscheidung treffen „Heute verliere ich“. Selbst Experten können das dannkaumerkennen.
Das spricht dafür, dass sich auch der Tennisverband dem Play Fair Code anschließt. Moritzer: International werden imTennis 60 bis 70 Fälle pro Quartal gemeldet. Das sagt einiges aus. Kaltenbrunner: Die Verbände für Fußball, Ski, Eishockey und Basketball sind bei uns Mitglied. Mit dem Tennisund Handball-Verband sind wir in sehr guten Gesprächen. Langfristig sind auch Tischtennis und Volleyball einThema.
Belgien ist aktuell die Nr. 1 der Fußball-Weltrangliste und in einen großen Skandal verstrickt. Wenn dieses Land nicht davor gefeit ist, warum sollte es dann Österreich sein? Kaltenbrunner: Nur weil sie die Besten sind, heißt es nicht, dass sie nicht anfällig fürkriminelleEnergiensind. Oder glauben Sie, dass die MenscheninBelgienbessere sind als in Österreich?
Nein, aber es ist kaum davon zu hören, dass viele belgische Fußballer auf ihr Gehalt warten müssten. Kaltenbrunner: Das mag ein Teil des Mosaiks sein, aber soweit wir wissen, geht es in Belgien um extrem große Summen. Da geht’s nicht um Gehaltsaufbesserung, sonderngroßangelegtenBetrug. Moritzer: Die österreichischen Maßnahmen gibt es kaumwoinEuropaundganz sicher nicht in Belgien. Es gab dort schon vor knapp zehn Jahren Fälle vonManipulationen. Dort ist nicht allesGold, wasglänzt. Waswir tun, zeigt Wirkung, ist aber schwer mit traditionellen Kennzahlenmessbar. Kaltenbrunner: Die leichte Rechnung „Es ist nix passiert, also haben wir alles verhindert“, gibt’s leider nicht.