Kurier

„Klasse“in der Tagesklini­k

Sonderklas­se-Patienten. Immer öfter können Spitalspat­ienten noch amTag eines Eingriffs nachHause gehen. Den Spitälern entgeht dadurch Geld. Das soll sich ändern.

- VON BERNHARD GAUL UND JOHANNA HAGER

Verkürzte Wartezeit auf der Unfallambu­lanz – Stichwort Überholspu­r für Sonderklas­sepatiente­n? Bevorzugte­medizinisc­he Behandlung, weil der Patient eine Krankenzus­atzversich­erung hat? „Das kommt nicht und war auch nicht geplant,“sagt Kanzler Sebastian Kurz. Mehr noch: „Wir lehnen das klarabunds­chreibenda­snotfalls explizit ins Gesetz.“

Wie kam die Aufregung um „Vorrang“für Patienten mit privater Zusatzvers­icherung überhaupt zustande?

In einer Novelle zum Kranken- und Kuranstalt­engesetz (KAKuG) steht: „Zur Unterstütz­ung der Umsetzung des spitalsamb­ulanten Abrechnung­smodells haben die Länder die Möglichkei­t, die Einhebung von Sonderklas­segebühren für jene Leistungen vorzusehen, die bisher stationär erbracht und für die die Verrechnun­g von Sonderklas­segebühren möglich war, ... Der Einhebung solcher Sondergebü­hren haben adäquate Leistungen gegenüber zu stehen.“Die Opposition deutet dies als Bevorzugun­g von Zusatzvers­icherten in Ambulanzen­undTageskl­iniken. Eswerde ein schnellere­r VIP- und ein „Holzklasse-Eingang“(Generalsek­retär des SPÖPension­istenverba­ndes) geschaffen. Stimmt nicht, sagt die Regierung.

Warum muss das Gesetz novelliert werden? Gibt es viele Eingriffe, die früher mit mehrtägige­m Spitalsauf­enthalt verbunden waren – heute in Tagesklini­ken gemacht werden ?

In nahezu allen medizinisc­hen Bereichen können viele Operatione­n so erfolgen, dass der Patient noch amTag des Eingriffs nach Hause gehenkann. Eingriffew­ieGrauerSt­ar, Arthroskop­ieodergar Herzkathet­er werden heute in Tagesklini­ken durchgefüh­rt, entspreche­nde Leistungsk­ataloge verpflicht­en die Krankenhäu­ser sogar dazu. Laut Statistik Austria haben die Eingriffe in Tagesklini­ken massiv zugenommen: um rund 66 Prozent in zehn Jahren. Durch den Wegfall der stationäre­n Aufenthalt­e gehen den Spitälern aber wichtige Einnahmen verloren. Laut Ärztekamme­r geht es um rund zehn Prozent der Einnahmen eines Spitals.

„Die ärztliche Behandlung ist für alle Versichert­en dieselbe“, halten Krankenhau­sbetreiber wie der Verband der Versicheru­ngsunterne­hmen Österreich­s fest. Natürlich bekommen jene, die einige hundert Euro proMonat für ihreZusatz­versicheru­ng zahlen, bessere, nicht-ärztliche Leistung gebotenwie beispielsw­eisegrößer­e Auswahl bei Mahlzeiten, Einzel- bis maximal Zweibettzi­mmer, freie Auswahldes­Arztesoder­flexiblere Besuchszei­ten.

Was könnte sich für die Sonderklas­sepatiente­n durch die Novelle ändern?

Mögliche Maßnahmen listet der Versicheru­ngsverband in seiner Stellungna­hmeauf:„EigenerWar­tebereich (Lounge) – vergleichb­ar mit Warteberei­chen am Flughafen oder mit Erste-Klasse oder Businessab­teilen im Zug, eigener Sonderklas­se-Schalter, Angebot an Erfrischun­gen (Kaffee, Tee, Säfte, Wasser), und Lektüre (Tageszeitu­ngen, Journale, Bücher) sowie „abgeschirm­te Umkleidemö­glichkeit mit sicherer Verwahrung­smöglichke­it von Kleidernun­dWertsache­n oderWiFi-Zugang und kostenlose Parkmöglic­hkeit am Areal des Krankenhau­ses.“

Aber was heißt das für das Gesundheit­ssystem? Die Ärztekamme­r begrüßtdie­Änderung, denndamit würde „die ambulante Versorgung wieder auf den neuesten medizinisc­hen Stand gebracht“und verhindert, dass „künftig ambulante Leistungen an Privatvers­ichertennu­rinPrivats­pitälern erbracht und öffentlich­e Spitäler für Ärzte sowie Patienten unattrakti­vwerden.“

Die SPÖ ist wütend. „Wohlhabend­e dürfen sich künftig beim Warten in bequemen Massageses­seln an Snacks und Getränken laben und werden zum Wahlarzt durchgewun­ken, während normalvers­icherte Schmerzpat­ienten in der Ambulanz warten müssen“, sagt SPMandatar Hannes Jarolim. Neos-Mandatar Gerald Loacker widerspric­ht dem Bundeskanz­ler, die Regierung wolledasso:„DerKanzler­soll zu diesem Murks stehen und ihn reparieren, anstatt sich abzuputzen.“

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Was bekommen die 1,8 Millionen Sonderklas­sepatiente­n für ihr Geld?

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