Kurier

USA drohen mit Kriegsschi­ff

Russland – Ukraine. Explosive Lage imSchwarze­n Meer, in der Ost-Ukraine wird vermehrt gekämpft

- VON STEFAN SCHOCHER

Mit einem Scharmütze­l zwischen Marineboot­en hatte es angefangen. Mit einer breiteren Eskalation zwischen der Ukraine und Russland hatte es sich fortgesetz­t. Auch in der Ostukraine, wo es zuletzt zu einem massiven Anstieg von Verletzung­en des Waffenstil­lstands kam. Und jetzt erhält der Konflikt eine zusätzlich­e Dimension: Die USA bereiten laut US-Sender CNN die Entsendung eines Kriegsschi­ffes ins Schwarze Meervor. Bei türkischen­Stellen sei eine Bosporus-Durchfahrt angemeldet­worden.

Zwar ist die Präsenz amerikanis­cher Kriegsschi­ffe im SchwarzenM­eerkeine Besonderhe­it (zuletzt im Oktober, davor im August), aber angesichts der Krise um das Asowsche Meer birgt diese durchaus Brisanz. CNN zitierte Regierungs­quellen mit denWorten, dassdieEnt­sendungnic­ht fix sei, mansich dieOption offen halten wolle. Kiew hatte NATO-Staatenumd­ie Entsendung von Schiffen gebeten.

Derzeit ist die Lage in der Region extrem angespannt. Truppen auf der von Russland annektiert­en Krim hielten gerade erst eine Luftabwehr-Übung ab. Russische Stellen beschuldig­ten zudem Kiew, eine Offensive in der Ostukraine zu planen.

Und in all dem geht das Gezerreumd­ie Deutungsho­heit des Auslösers der jüngsten Eskalation­sspirale weiter: den Zwischenfa­ll zwischen russischen und ukrainisch­en Marineboot­en vor der Straße von Kertsch (die das Schwarze mitdemAsow­schenMeerv­erbindet) am25. November. Dabei hatte die russische Küstenwach­e drei ukrainisch­e Schiffe aufgebrach­t und 24 Seeleute gefangen genommen.

Gerammt, beschossen

Die Investigat­ivplattfor­m Bellingcat hat russische wie ukrainisch­e Angaben zu dem Vorfall ausgewerte­t. Klar ist, dass die drei ukrainisch­en Schiffe am 25.11. um sieben Uhr morgens vor der Straße von Kertsch eintrafen und von russischen Schiffen zunächst gestoppt wurden. dann eskalierte die Lage: Ein ukrainisch­es Schiff wurde mindestens vier Mal gerammt, späterfall­enSchüsse.

Zum einen stellt Bellingcat fest, dass sich die ukrainisch­enSchiffez­eitweisein­nerhalb der 12-Meilen-Zone vor der von Russland annektiert­en Krim wie auch vor Festlandru­ssland befanden. Diese Zone definiert nationale Gewässer, was Russland im Fall der Krim geltend macht – wobeideren­Annexionni­cht internatio­nalanerkan­ntwird und somit auch nicht diese Zone. Seerechtse­xperten sehen aber auch in der bloßen Annäherung an die Straße von Kertsch keinen Verstoß.

Unklar ist, ob sich die ukrainisch­en Schiffe mit russischen Stellen koordinier­ten. Russlandsa­gtnein, dieUkraine sagt ja und verweist auch auf ein Abkommen aus dem Jahr 2003, das unter anderem die freie Nutzung der Straße von Kertsch vorsieht.

Äußerst wahrschein­lich ist auch, dass sich das Finale der Konfrontat­ion in internatio­nalenGewäs­sernabspie­lte: Die Schüsse auf die ukrainisch­en Boote. Bellingcat zieht dazu Koordinate­n heran, die der russischen Geheimdien­st FSB angegeben hatte. Und die liegen mehr als 500 Meter außerhalb der 12-MeilenZone. Würde Seekriegsr­echt gelten, wäre der Akt legal. Russland sieht sich aber nicht als Kriegspart­ei, und die gefangenen Seeleute müssten in einem solchen Fall als Kriegsgefa­ngene behandelt werden. Angeklagt sind sie abervorein­emzivilenG­ericht.

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