Und Martha sagte „Ja“
Paul McCartney. Ein 76-Jährigermachte in derWiener Stadthalle drei Stunden lang Lärm
GegenEndegabeseinenHeiratsantrag. Ein Paar durfte aufgrund seiner hochgehaltenen Plakate auf die Bühne. UndKyleausAtlantabatMartha (my dear!) aus Kanada umihreHand.
Und Father McCartney schaute so drein, als wolle er die Trauung an Ort und Stelle vollziehen.
KeineNostalgie
Ein Konzert gab es übrigens auchnoch. Undeswaranders als die Wien-Shows von 2003 und 2013. Sie waren ebenfalls großartig, aber sie waren von Nostalgie getragen. Das Konzert diese Wocheklang, passendzumTourmotto „Freshen up“, nach einer rüden Jungband, welche gerne die Autoritäten ärgern möchte.
Anders gesagt, man hätte sich nie gedacht, wahrheitsgemäß feststellen zu können: McCartney war lauter alsdieunlängstanselberStelle lärmenden Slayer.
Natürlich gab es „Hey Jude“und„LetItBe“und„Blackbird“. Esgababerauchdasgeschriene „I’ve Got A Feeling“, eine brüllend laute Version von „Got To Get You IntoMy Life“(näher kamen die Beatles dem Soul nie) oder „Helter Skelter“in vollerWucht.
Reißfestes Stimmband
Es gab auch fünf neuere Stücke, unddie bekamengenauso viel Jubel. Und natürlich gab es viel Solo- bzw. WingsMaterial: „Band On The Run“dröhnte in den Ohren, bei „Live And Let Die“wurde wie üblich die Halle gesprengt, bei„MaybeI’mAmazed“hatte man Angst, seine Stimmbänder würden reißen.
Taten sie aber nicht.
Man konnte aber auch viel Ungewöhnliches hören. Etwa„InSpiteOfAllTheDanger“(eine McCartney/Harrison-Komposition) vom allerersten Demo, das die Beatles nochalsTheQuarrymenaufnahmen, 1958.
UkuleleundMandoline
Oder „Being For The Benefit Of Mr. Kite“, ein sehr schräger Lennon-Song vom Sgt.Pepper-Album. Die Band spielte die schrillen Soundeffekte gnadenlos nach. Oder die George-Harrison-Hommage „Something“, wie immerzuBeginnmitUkulelegespielt.
Oder„DanceTonight“mit McCartney an der Mandoline. Beim alten SkihüttenSchlager (der geschrieben wurde, bevor man den Skihütten-Schlager überhaupt erfand) „Ob-La-Di, Ob-LaDa“dürfte das Publikum begeistert mitsingen. Bei „Hey Jude“ebenso.
Ein schöner Moment ergab sich bei „Let Me Roll It“: Die Band jammte auf dem Hendrix-Riff von „Foxey Lady“, und McCartney gab eine Anekdote rund um Hendrix und Eric Clapton zum Besten.
Grüßeuch, Wien!
DassderOpagernevomKrieg erzählt, merkte man öfter. Am liebsten, sagte er selbst, hätteerdashalbeKonzertmit Geschichten gefüllt. Das störte jedoch nie, McCartney ist ein guter Erzähler, sein Mischmasch aus Englisch und Deutsch („Austrian, not german“) wirkte sehrsympathisch. ErbegrüßtedasPublikum mit „Grüß euch Wien, Servus Österreich“.
Ausziehen!
EinigeFan-Lieblingefrüherer Tourneen, wie„TheLongAnd Winding Road“, „Magical Mystery Tour“, „The Fool On The Hill“oder „Jet“fehlten diesmal. McCartney wollte sichwirklich neu erfinden.
Irgendwann zog er sich sein Sakko aus, und das Publikumjubelte.„Dasistdereinzige Garderobe-Wechsel des Abends“, sagte er, wie um die Menge zu beruhigen. Ein schönesBild: Normalerweise werden junge Popstars bekreischt, wenn sie etwas ausziehen, und nicht 76-Jährige.
Fitundrelevant
McCartney schaut fit und agil aus, er ist schlank und ist aus der Ferne nicht von seinem Ich aus 1965 zu unterscheiden. Seine Performance hat nichts von einem, der hart auf die Achtzig zugeht.
Es hat den Eindruck, als müsse er mit diesem heftigen Konzert nichtdemPublikum, sondern sich selbst etwas beweisen: Dass er noch Relevanz hat.
Hat er. Her mit dem nächsten Album!
Hat ein solches Konzert auch Fehler? Ja, ein paar Mal vergriff er sich am Klavier, bei „Let It Be“fiel er kurz aus der Spur, die Chöre bei „Eleanor Rigby“waren ziemlich wackelig. Und manchmalvergaßerdenText und rettete sich mit Lautmalerei, aber das hat er immer schon so gemacht.
Undwas ist das alles? Genau: wurscht.
Zahlen
AlleindieZahlendieserShow sind beeindruckend: 38 (!) Songs in knapp drei Stunden, das schafft keine junge Band. 11.000 Besucher in der ausverkauften, bestuhlten Stadthalle, unter ihnen Bundespräsident Alexander Van der Bellen waren restlos begeistert.
Martha aus Kanada sagte übrigens „Ja“. KURIER-Wertung: