Die neuen Kunstvermittler
Museen. Prominente sollen vielerorts Lust auf alteKunstmachen. Sie können ihr auch imWeg stehen
„Wenn man die Scheu überwindet und diese Räume mit offenem Herzen betritt, geschieht etwas Magisches“, sagt der bis zum Hals tätowierte Mann mit Brille, der aussieht, als sei er Sänger einer Punk-Band. Doch Matt Lodder ist Kunsthistoriker, und als solcher führt er durch die achtteilige TV-Reihe „Magie der Museen“.
Die vom ORF koproduzierte Doku will Kunstvermittlung im Fernsehen neu definieren – ein Belehren von oben herab ist tabu, es geht um zeitgemäße Ästhetik, ein Nebeneinandermehrerer Perspektiven und um persönliche Erlebnisse in den größten und wichtigstenMuseen derWelt.
Berühmte Fürsprecher
Dabei leben prominente Fürsprecherinnen und Fürsprecher ihre Begegnungen mit Kunst vor: In derWien-Folge (9. 12., 15.35 Uhr, ARTE; 10. 12., 23.15 Uhr, ORF 2) wirbelt Design-Ikone Vivienne Westwood durchs Kunsthis- torischeMuseum(KHM), bewundert Velázquez’ Mädchenbildnisse und die Kinder in Bruegel-Gemälden („ich wünschte, Kinder würden heute noch so spielen!“). Für weitere Folgen holte das Produzententeam denOpernstarJoyceDiDonato in den Prado in Madrid oderDesignerWolfgangJoop in die Uffizien in Florenz.
Das Konzept, prominente PersönlichkeitenAufmerksamkeitfüroftals„schwierig“verschrieneKunstgenerieren zu lassen, hat auch seine Tücken. In Wien sorgte kürzlich US-Kultregisseur Wes Anderson für gehörigenWirbel, als er zur Eröffnung der Ausstellung, die er mit seiner Partnerin Juman Malouf im KHM kuratiert hatte (bis 28. 4. 2019), auchseineKumpanen Bill Murray und Tilda Swintonmitbrachte. DerPromi-Glamour hätte die kleine, dichte Ausstellung beinahe überstrahlt.
„Dieser Celebrity-Faktor hat mich nicht uneingeschränkt glücklich gemacht“, bekenntKHM-Direktorin Sabine Haag im KURIER-Gespräch. Sie betont aber, dass die AndersonSchau bewusst mit forschungsorientierten Präsentationen ausbalanciert wurde. Nach Abflauen des Rummels sei eine differenzierte Betrachtung möglich: „Man sieht, dass sich Anderson und Malouf wirklich etwas dabei gedacht haben“.
Die Medienkarawane bleibt aber naturgemäß nicht zur zweiten und dritten Betrachtung, sie zieht weiter zur nächsten Attraktion – etwa ins Pariser Musée d’Orsay, wo der US-Maler und Regisseur Julian Schnabel ebenfalls eine Sammlungspräsentation kuratierte und diese gleich zur Promotion seines neuen Van-GoghFilms nutzte (bis 13. 1. 2019).
Wer sich auf das Spiel mit der Prominenz einlässt, muss also genau überlegen, welche Botschaft vermittelt werden soll. Ein Imagetransfer, wie ihn das Auktionshaus Sotheby’s im vergangenen Sommer versuchte, als es Altmeister-Bilder in die Londoner Boutique von Victoria Beckham hängte, fördert vielleicht Umsätze, aber kaum ein tieferes Kunstverständnis. Museen bemühen sich daher meist um einen neuen, unkonventionellen Blick, der Kunsthistorikern – so die Annahme – fehlt.
EhrengastundTüröffner
„Wir bezeichnen diese Persönlichkeiten nicht als Promis, sondernalsEhrengäste“, sagt Tuan Lam, der die Reihe „Magie der Museen“als „creative producer“koordinierte. „Das Museum sollte der eigentliche Protagonist sein. Die Persönlichkeiten sind für uns emotionale Türöffner, dennsieschaffenauch mit ihrer eigenen Arbeit etwas Emotionales, womit sie Menschen erreichen.“
Dennoch, bekennt Lam, sei der Einsatz derProminenten stets ein „Tauziehen“gewesen, der etliche Entscheidungen gegen die übliche Medien-Dynamik verlangt habe. So plaudertWestwood nun im KHM über Erziehung undSelbstfindung, Wolfgang Joop über das Älterwerden. Aufnahmen aus Joops Villa, über die sich jedes CelebrityMagazinmächtiggefreuthätte, schnitt Lam aus der Doku jedoch wieder heraus – der Balancewegen.