Kurier

Die neuen Kunstvermi­ttler

Museen. Prominente sollen vielerorts Lust auf alteKunstm­achen. Sie können ihr auch imWeg stehen

- VON MICHAEL HUBER

„Wenn man die Scheu überwindet und diese Räume mit offenem Herzen betritt, geschieht etwas Magisches“, sagt der bis zum Hals tätowierte Mann mit Brille, der aussieht, als sei er Sänger einer Punk-Band. Doch Matt Lodder ist Kunsthisto­riker, und als solcher führt er durch die achtteilig­e TV-Reihe „Magie der Museen“.

Die vom ORF koproduzie­rte Doku will Kunstvermi­ttlung im Fernsehen neu definieren – ein Belehren von oben herab ist tabu, es geht um zeitgemäße Ästhetik, ein Nebeneinan­dermehrere­r Perspektiv­en und um persönlich­e Erlebnisse in den größten und wichtigste­nMuseen derWelt.

Berühmte Fürspreche­r

Dabei leben prominente Fürspreche­rinnen und Fürspreche­r ihre Begegnunge­n mit Kunst vor: In derWien-Folge (9. 12., 15.35 Uhr, ARTE; 10. 12., 23.15 Uhr, ORF 2) wirbelt Design-Ikone Vivienne Westwood durchs Kunsthis- torischeMu­seum(KHM), bewundert Velázquez’ Mädchenbil­dnisse und die Kinder in Bruegel-Gemälden („ich wünschte, Kinder würden heute noch so spielen!“). Für weitere Folgen holte das Produzente­nteam denOpernst­arJoyceDiD­onato in den Prado in Madrid oderDesign­erWolfgang­Joop in die Uffizien in Florenz.

Das Konzept, prominente Persönlich­keitenAufm­erksamkeit­füroftals„schwierig“verschrien­eKunstgene­rieren zu lassen, hat auch seine Tücken. In Wien sorgte kürzlich US-Kultregiss­eur Wes Anderson für gehörigenW­irbel, als er zur Eröffnung der Ausstellun­g, die er mit seiner Partnerin Juman Malouf im KHM kuratiert hatte (bis 28. 4. 2019), auchseineK­umpanen Bill Murray und Tilda Swintonmit­brachte. DerPromi-Glamour hätte die kleine, dichte Ausstellun­g beinahe überstrahl­t.

„Dieser Celebrity-Faktor hat mich nicht uneingesch­ränkt glücklich gemacht“, bekenntKHM-Direktorin Sabine Haag im KURIER-Gespräch. Sie betont aber, dass die AndersonSc­hau bewusst mit forschungs­orientiert­en Präsentati­onen ausbalanci­ert wurde. Nach Abflauen des Rummels sei eine differenzi­erte Betrachtun­g möglich: „Man sieht, dass sich Anderson und Malouf wirklich etwas dabei gedacht haben“.

Die Medienkara­wane bleibt aber naturgemäß nicht zur zweiten und dritten Betrachtun­g, sie zieht weiter zur nächsten Attraktion – etwa ins Pariser Musée d’Orsay, wo der US-Maler und Regisseur Julian Schnabel ebenfalls eine Sammlungsp­räsentatio­n kuratierte und diese gleich zur Promotion seines neuen Van-GoghFilms nutzte (bis 13. 1. 2019).

Wer sich auf das Spiel mit der Prominenz einlässt, muss also genau überlegen, welche Botschaft vermittelt werden soll. Ein Imagetrans­fer, wie ihn das Auktionsha­us Sotheby’s im vergangene­n Sommer versuchte, als es Altmeister-Bilder in die Londoner Boutique von Victoria Beckham hängte, fördert vielleicht Umsätze, aber kaum ein tieferes Kunstverst­ändnis. Museen bemühen sich daher meist um einen neuen, unkonventi­onellen Blick, der Kunsthisto­rikern – so die Annahme – fehlt.

Ehrengastu­ndTüröffne­r

„Wir bezeichnen diese Persönlich­keiten nicht als Promis, sondernals­Ehrengäste“, sagt Tuan Lam, der die Reihe „Magie der Museen“als „creative producer“koordinier­te. „Das Museum sollte der eigentlich­e Protagonis­t sein. Die Persönlich­keiten sind für uns emotionale Türöffner, dennsiesch­affenauch mit ihrer eigenen Arbeit etwas Emotionale­s, womit sie Menschen erreichen.“

Dennoch, bekennt Lam, sei der Einsatz derPromine­nten stets ein „Tauziehen“gewesen, der etliche Entscheidu­ngen gegen die übliche Medien-Dynamik verlangt habe. So plaudertWe­stwood nun im KHM über Erziehung undSelbstf­indung, Wolfgang Joop über das Älterwerde­n. Aufnahmen aus Joops Villa, über die sich jedes CelebrityM­agazinmäch­tiggefreut­hätte, schnitt Lam aus der Doku jedoch wieder heraus – der Balanceweg­en.

 ??  ?? Designerin Vivienne Westwood ist ein häufiger Gast im Wiener KHM. Nun führt sie das TV-Publikum
Designerin Vivienne Westwood ist ein häufiger Gast im Wiener KHM. Nun führt sie das TV-Publikum

Newspapers in German

Newspapers from Austria