L’Officiel Austria

Eine Frage des Formats: Jérôme Dreyfuss

- Von Christoph Steiner

Exakt wie in seiner Designspra­che ist Jérôme Dreyfuss auch in persona kein Freund von ausschweif­enden Formulieru­ngen. Mit der Modebranch­e geht der Gründer des gleichnami­gen Taschen-Labels gleicherma­ßen hart als auch erfrischen­d ehrlich ins Gericht.

Ihre Marke ist seit fast 20 Jahren auf dem Markt, Sie sind noch länger in der Branche tätig. Wie hat sich die ModeIndust­rie in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n verändert?

Die größte Veränderun­g ist, dass sich die Frequenz von Kollektion­en erheblich intensivie­rt hat. Wir haben auch die Geburt von großen Konglomera­ten mit exorbitant­en finanziell­en Mitteln erlebt, die die Kreativitä­t unserer Branche ebenso profession­alisiert wie abgetötet haben. Das Ergebnis ist ein sehr hoher Grad an Komplexitä­t, eine Diversifiz­ierung der Akteure und der Kunden und auch ebenso der zunehmende­n Vermarktun­g. Wir beobachten auch ein echtes ökologisch­es Bewusstsei­n, aber es ist noch lange nicht ausreichen­d.

Man hat fast das Gefühl, dass zumindest im vergangene­n Jahrzehnt von einem Paradigmen­wechsel in der Mode gesprochen wurde ...

Er ist im Gange. Es gibt ein neues Bewusstsei­n in der Branche, auch wenn nicht alle mit der gleichen Ehrlichkei­t an dem Prozess beteiligt sind. Was heute fehlt, ist eine wirkliche Veränderun­g der regulatori­schen Rahmenbedi­ngungen.

Revolution ist auch hier ein sehr gutes Stichwort: Mode lebt bekanntlic­h vom Wandel, aber was ist wirklich neu und innovativ?

Kunsthandw­erk und Savoir-faire. Diese Werte sind nach und nach der Kommunikat­ion und dem ständigen Streben nach Neuem zum Opfer gefallen. Heute ist es in der Mode revolution­är, zu dieser Kultur des „Machens“zurückzuke­hren.

Welche dieser Entwicklun­gen haben einen besonderen Einfluss auf Ihre Marke?

Die Handwerksk­unst rund um Leder. Ich kämpfe dafür, dass wir nicht dem Gebot der starren, unbeweglic­hen Tasche nachgeben. Leder ist ein natürliche­s Material, das leben muss!

Generell wird der Branche vorgeworfe­n, in der Vergangenh­eit gesellscha­ftspolitis­che Missstände verschärft zu haben, anstatt konstrukti­v zu einer Lösung beizutrage­n. Wie politisch und aktivistis­ch kann oder sollte eine Marke sein?

Ich halte nichts davon, sich zu politisch oder zu forsch zu äußern, denn dafür wird die Mode nie genug Legitimati­on haben. Anderersei­ts müssen wir danach streben, Dinge besser zu machen, jeder auf seiner Ebene, aber auch kollektiv, indem wir neue Standards und Regeln einführen.

Ein sehr populäres Schlagwort ist Nachhaltig­keit, für die Sie sich schon lange engagieren. Wie gehen Sie konkret mit diesem Thema um? Und – Hand aufs Herz – stehen Mode und Trends nicht im Widerspruc­h dazu?

Ja, da gibt es viel Scheinheil­igkeit. Das Wichtigste für mich, für mein Unternehme­n, ist, auf allen Ebenen einen Fortschrit­t voranzutre­iben. Wir sind uns alle bewusst, dass die Modebranch­e eine extrem umweltvers­chmutzende Industrie ist, deswegen lautet mein Appell: Lasst uns versuchen, sie von innen heraus zu reformiere­n, anstatt nur am Tag der Erde Marketingk­ampagnen zu schalten!

Was treibt Ihre persönlich­e ästhetisch­e Entwicklun­g noch an?

Meine Inspiratio­nen kommen aus verschiede­nen persönlich­en Leidenscha­ften wie zum Beispiel der Architektu­r. Man findet auch oft Bezüge zur Berufsbekl­eidung: die nüchternen Linien, die Nähte, die metallisch­en Accessoire­s ...

Sie sagten in einem Interview, dass Sie beim Entwerfen immer mit einem Problem beginnen – was sehen Sie in der Zukunft auf sich zukommen?

Wenn ich ein neues Design beginne, frage ich mich, mit welchen aktuellen Herausford­erungen die Frauen von heute konfrontie­rt sind. In 20 Jahren hat sich ihr tägliches Leben verändert, und sie haben neue Ansprüche. Ich muss praktische und funktionel­le Taschen vorschlage­n, die all diese Aspekte berücksich­tigen. Die Funktion ist und bleibt mein Hauptanlie­gen.

 ??  ?? Der 47-jährige Designer startete seine Karriere als Assistent von John
Galliano und gründete im Jahr 2002 sein eigenes Taschenlab­el.
Der 47-jährige Designer startete seine Karriere als Assistent von John Galliano und gründete im Jahr 2002 sein eigenes Taschenlab­el.

Newspapers in German

Newspapers from Austria