ISAMAYA FFRENCH
Ein vom Tanzen durchtrainierter Körper, Lippen, voller als jene von Angelina Jolie, und Haare, die schnell von Platin über Lila zu Tiefschwarz mit rotem Ansatz wechseln: Isamaya Ffrench ist die Verkörperung einer radikalen, provokativen und extrem kreativen Idee von Schönheit. Sie als Make-up-Künstlerin zu definieren, wäre extrem reduktiv, vielmehr fungiert die Britin als Kreativdirektorin und Schlüsselfigur der Modeszene. Das gelingt ihr nicht nur durch die fantasievollen Visionen, die sie auf Shootings und den Laufstegen von Iris Van Herpen, Louis Vuitton, Giambattista Valli oder Halpern Studio bewiesen hat, sondern auch durch ihre ständige Arbeit an der persönlichen Neuerfindung. Letztere bringt sie immer öfter vor die Linse der Fotografen, mit denen sie zusammenarbeitet. Darunter das Duo Mert und Markus, die sie als sexy Vampir direkt aus dem Set von „Dracula” von Francis Ford Coppola porträtiert haben. Ffrench wurde 1990 in Cambridge geboren und ging nach London, um 3D-Design am „Chelsea College of Arts” und anschließend Industrie-Design am „Central Saint Martins College of Art and Design” zu studieren. Um ihr Studium zu finanzieren, begann sie als Nebenjob, auf Partys Kinder zu schminken: „So habe ich gelernt, Farben zu kombinieren und schnell zu arbeiten. Es war ein Anfang, der meine Herangehensweise an Make-up beeinflusst hat: stark, grafisch, bildhaft. Dann bat mich eine befreundete Fotografin, für ein Shooting kreatives Bodypainting an einem Model zu machen: Da wurde mir klar, dass Make-up mich wirklich interessieren könnte.” Ohne formale Ausbildung, sagt Isamaya, habe sie die Tricks des Handwerks aus einem Buch gelernt, das sie schon als siebenjähriges Mädchen fasziniert habe, „The Art of Makeup” von Kevyn Aucoin (Star-Visagist der 80er- und 90er- Jahre, Anm. d. Red.). 2014 wurde sie BeautyRedakteurin eines Magazins, im Jahr darauf Botschafterin von Yves Saint Laurent Beauté, 2016 wählte Tom Ford sie als kreative Beraterin für seine Kosmetiklinie. 2018 ist sie Creative Director von der Publikation „Dazed Beauty”, seit vergangenem Jahr ist sie globale Make-up-Botschafterin von Christian Louboutin Beauté, und seit Mai steht sie als Global Beauty Director auch im Dienst von Burberry Beauty.
Was ist der interessanteste Look, den Sie bisher kreiert haben?
Die Arbeit mit Marilyn Manson war ein wahr gewordener Traum. Der Gedanke, dass jemand wie er mir die künstlerische Kontrolle überlassen würde, ist ein unglaubliches Gefühl. Und das Gleiche könnte ich über meine Zusammenarbeit mit Yves Tumor sagen. Ich habe vorletztes Jahr mein erstes Musikvideo für ihn gedreht,
und es ist einer der stolzesten Momente meiner Karriere.
Welcher Designer, Fotograf bzw. Prominenter
inspiriert Sie am meisten bei der Arbeit?
Ich liebe die Zusammenarbeit mit Junya Watanabe bei seinen Shows. Er stellt mich vor Herausforderungen und zwingt mich, diese zu lösen. Je mehr wir zusammenarbeiten, desto mehr verstehe ich seine Vision. Und ich genieße es sehr, mit Louboutin zu arbeiten, einer komplexen Persönlichkeit, die ein extrem intensives Leben geführt hat. Ich bin magisch angezogen von seiner Art, Frauen und ihre einzigartige Schönheit zu begreifen.
Stimmt es, dass Sie an einem Dokumentarfilm über zeitgenössische Vorstellungen von Schönheit arbeiten?
Es wird eine Serie von sieben, acht Episoden sein. Global gesehen entwickelt sich die Ästhetik ständig weiter, und wir müssen uns immer wieder neu darauf einstellen, wie Technologie und jüngere Generationen den Status quo beeinflussen.
Ihr Instagram-Account zeigt Sie in einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit Ihrem Image, Sie tragen Prothesen, wechseln die Haarfarbe, sind ausgesprochen sexy oder inszenieren sich als monströse Kreatur. Was fasziniert Sie an dieser kontinuierlichen Transformation?
Ich mache es wirklich nur, wenn ich Lust dazu habe. Ich fühle mich nicht gezwungen, mich weiter zu verändern, um meine persönliche Marke zu fördern oder um relevant zu bleiben. Das macht jeder. Ich langweile mich sehr schnell und ändere ständig mein Aussehen, mehr, um mich zu unterhalten als alles andere.
Sie sind eine Kosmetik-Enthusiastin. Sind Sie fasziniert von der Sinnlichkeit der Produkte, oder sehen Sie diese in erster Linie als Werkzeuge?
Ich sehe sie ausschließlich als Werkzeuge. Ich habe eine unglaubliche Kosmetikerin, Jasmina Vico, und ich lasse niemanden sonst in die Nähe meiner Haut. Sie rät mir zur Verwendung von Vitamin C anstelle von Retin-A, und für den Rest brauche ich nur einen Lichtschutzfilter und eine Feuchtigkeitscreme.
Gibt es ein Beautyprodukt, von dessen Herstellung Sie träumen?
Meine Traumprodukte haben einen Sinn für Humor! Make-up ist nur vorübergehend und sollte dazu dienen, Spaß zu haben und sich gut zu fühlen. Wie die limitierte „LoubiDazzle“- Edition an Lippenfarben von Louboutin: Sie ist matt, wenn Sie sie auftragen, aber wenn Sie anfangen, jemanden zu küssen, wird sie glitzernd. Je mehr Sie küssen, desto mehr glitzert die Farbe.
Was wäre für Sie als Creative Director das aufregendste Shooting, das sie sich vorstellen können?
Arnold Schwarzenegger als Model, Kerry Warn als Haar-Stylist, John Galliano als Stylist, das Make-up von Serge Lutens mit dem Bühnenbild von Peter Marino unter der Art-Direktion von Chris Cunningham (Regisseur von Musikvideos, darunter Madonnas „Frozen” und Björks „All is Full of Love”, Anm. d. Red.).
Gibt es neben Kevyn Aucoin und Serge Lutens noch andere Make-up-Künstler, die Sie bewundern?
Daniel Sallstrom, Hungry, Porsche Poon, Lisa Eldridge ... Die Welt ist voll von erstaunlichen Make-up-Talenten!
Ich habe irgendwo eine Liste von anderen Kreativen gelesen, die Sie inspiriert haben, da waren Luigi Colani, Chris Cunningham, Kansai Yamamoto ... Wen würden Sie heute hinzufügen?
Arca (Musiker, DJ und Performer, Anm. d. Red.), Rick Farin (Digitalkünstler und Mitbegründer des Kreativstudios Actual Objects, Anm. d. Red.), Cave Canem (Videokünstler, Anm. d. Red.), Bryan Rivera (Designer und Creative Director, Anm. d. Red.), Actual Objects und Sega Bodega (Musiker, Anm. d. Red.).