Mode-MÄRCHEN
„Schönheit macht uns zu besseren Menschen“, sagt Ziad Nakad. Mit seinen opulenten Roben will der in Beirut ansässige Haute-Couture-Designer vor allem eines: fabelhafte Geschichten erzählen.
Der Libanon scheint eine Quelle für Haute-Couture-Designer zu sein – warum hat sich das Land aus Ihrer Sicht dahingehend entwickelt?
Im Libanon zu leben, gibt einem die Kraft, Herausforderungen zu überwinden und schwierige Zeiten zu überstehen. Es gibt einem auch das Bedürfnis, etwas zu kreieren. Es stimmt, dass wir eine lange Tradition in Sachen Handwerkskunst, Stoffe und der Stickerei haben. Außerdem basiert unsere Kultur auf gesellschaftlichen Ereignissen: Hochzeiten sind riesig, Frauen kleiden sich gerne glamourös, jedes Ereignis ist eine willkommene Ausrede, ein schönes Kleid zu auszuführen. Ich denke, dass das Aufwachsen in einem solchen Umfeld durchaus den Beruf als Designer fördert.
Neben Ihren Kollegen Zuhair Murad und Georges Hobeika bleiben auch Sie mit Ihrem Hauptsitz in Beirut Ihren Wurzeln treu. Können Sie uns anhand der jüngsten Haute-Couture-Kollektion erklären, welche Elemente Ihrer Entwürfe in Ihrer Herkunft verwurzelt sind und welche Rolle der Einfluss anderer Kulturen spielt?
Die Kultur und die Wurzeln sind nur dann wichtig und interessant, wenn sie mit neuen Impulsen vermischt werden! Die Mode muss eine Ode an den Multikulturalismus sein. Dass ich mein Atelier in Beirut habe, ist natürlich wichtig, weil ich auf diese Weise auch meinem Land etwas zurückgebe. Aber, und das ist eine exklusive Information für L’Officiel, ich plane, im Jahr 2022 ein Atelier in Paris zu eröffnen!
Die Hauptinspiration der aktuellen Kollektion ist die berühmte Treppe des „Château de Chambord“im Loiretal. Wie haben Sie die Architektur umgesetzt? Oder ging es Ihnen mehr um das Ambiente und die Idee eines großen Auftritts?
Ich bin sehr stark von der französischen Kultur und Geschichte beeinflusst und oft in Frankreich unterwegs. Was die Kollektion „Renaissance” betrifft, so begann alles mit der Form der doppelten Wendeltreppe. Ich wollte dieses architektonische Meisterwerk in Kleider verwandeln, die für den Körper einer Frau drapiert sind. Für mich ist die Form eine Ode an die Weiblichkeit, sie formt die
„GLAMOUR und OPULENZ finden sich in DETAILS, in der QUALITÄT eines Stoffes. Es ist nicht nur protzig!“
Ziad Nakad
Kurven und unterstreicht die Linien des Körpers. Sie hat auch eine Bewegung, und das liebe ich an einem Kleid, fließende Elemente, die mit architektonischen Details verbunden werden.
Opulenz und Glamour ist etwas, das in all Ihren Kollektionen seinen Platz hat, inwieweit hat sich Ihre Definition dieser beiden Schlagworte in den vergangenen Monaten durch die Corona-Krise verändert?
Eigentlich habe ich keine Veränderung im Wunsch meiner Kunden nach Glamour festgestellt. Nochmals: Opulenz ist kein böses Wort! Wir alle haben Glamour und Opulenz verdient. Sie findet sich in Details, in der Qualität eines Stoffes. Es ist nicht nur protzig! Besonders seit Covid-19 suchen die Menschen nach Qualität und nicht nach Quantität, und das ist das Ziel der Couture.
Wie sehen Sie persönlich die Arbeit von Designern wie Kerby Jean-Raymond, Gründer der Marke Pyer Moss, der zum ersten Mal in Paris Haute Couture zeigte, aber eher Kunst und politische Statements als tragbare Kleidung präsentierte?
„Tragbarkeit“ist ein Konzept. Haute Couture ist Kunst, und jeder Designer erfindet dieses Konzept jede Saison neu. Es ist auch eine Möglichkeit, sehr starke Botschaften zu übermitteln. Politische Statements sind nicht meine persönliche Art, meine Kunst auszudrücken, aber ich respektiere all jene, die das tun.
Die Zukunft ist auch hier ein gutes Stichwort: Zwischen einer Renaissance der Handwerkskunst und visionären Konzepten, die die digitale Mode propagieren – was ist Ihre Vision für die Zukunft der Mode und der Haute Couture?
Wir alle müssen träumen, wir alle brauchen Hoffnung. Schönheit macht uns zu besseren Menschen, also ist die Zukunft der Mode die Liebe.