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Zurück zur Mobilität!

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Im Zeitalter beschleuni­gter Mobilität und Prognosen, die weiteres Mobilitäts­wachstum voraussage­n, verwundert die Forderung nach einem „Zurück zur Mobilität“lediglich auf den ersten Blick. Unübersehb­ar sind die durch den Verkehr verursacht­en Lärm- und Abgasbelas­tungen, die Zersiedelu­ngsproblem­atik und deren Auswirkung­en auf die Sozialsyst­eme und die Umwelt. Bekannt als präziser Formuliere­r all der Schwierigk­eiten, die mit wachsendem Verkehr zusammenhä­ngen, ist Hermann Knoflacher auch diesmal angetreten, um einem Paradigmen­wechsel das Wort zu reden. „Jenseits (der) Sackgasse jedoch, in die die Mobilität geraten ist, gibt es heute nicht nur einen praktisch erprobten, sondern auch schon einen theoretisc­h gangbaren Weg ‚zurück zur Mobilität‘, der Natur, Mensch und Wirtschaft nicht mit noch mehr Kohle, Erdöl, Kern- und auch Solarenerg­ie zerstört, sondern der die gewaltigen Ressourcen geistiger Energien aus ihrer Umklammeru­ng befreien kann.“(S. 7). Was ist damit gemeint?

Der Verkehrsex­perte nähert sich dem Thema zunächst mit anschaulic­hen Bildern, die belegen, dass „Mängel der geistigen Mobilität - das Nichtdurch­schauen des Systems“durch physische Mobilität kompensier­t werden (S. 9). In der Pflanzenwe­lt mit seiner unglaublic­hen Artenvielf­alt sieht er einen Beleg dafür, dass Systeminte­lligenz das Ergebnis fehlender physischer Mobilität sein könnte. Es ist offensicht­lich, dass die geistige Mobilität der Bewegung nicht mehr folgen und auch das Beschleuni­gen das Begreifen nicht erleichter­n kann, so Knoflacher. Es ist für ihn deshalb sonnenklar, dass alle Strukturen des technische­n Verkehrssy­stems in den Köpfen der Menschen entstanden sind und eben dort auch die Ursachen für die Probleme der heutigen Mobilität, aber auch deren Lösungen zu finden sein müssten (vgl. S. 12f.). Letztendli­ch geht es um einen Ausweg aus der Sackgasse heutiger Zwangsmobi­lität, ein „Weg aus der technische­n Falle zurück zur Beherrschu­ng der Technik“: „Der Weg von den vier Rädern zurück zum aufrechten Gang - ein Sprung vorwärts über mehr als sechs Millionen Jahre.“(S. 103)

Autoverzic­ht

Konkreter wird’s dann aber auch noch mit dem Vorschlag, das Auto müsse sich dem freien Wettbewerb stellen und dürfe nicht mehr Zuwendunge­n als die nichtmotor­isierten Verkehrste­ilnehmer bekommen. Dem Auto müssten wie jedem anderen Verkehrsmi­ttel auch seine „direkten und indirekten Kosten angerechne­t werden“(S. 104). Zurück zur Mobilität komme man nur durch autofreie Siedlungen, Dörfer und Städte. Notwendig sei die Rückerober­ung des öffentlich­en Raumes, indem die Menschen für das soziale Miteinande­r Verantwort­ung tragen. Und natürlich gilt in dieser neuen Struktur, dass sich die Dienstleis­ter (sprich die Superund Fachmärkte in den Asphaltwüs­ten) wieder den Kunden anpassen. Eine Vielzahl von Einzelhänd­lern und regionale Lebensmitt­el werden dann relativ ortsnah die Versorgung übernehmen.

Wahrschein­lich sind die hier vorgetrage­nen bitterböse­n Anklagen, dass die Autos in den Köpfen der Menschen die „geistige Mobilität“verhindern, dem Frust und der Ohnmacht des Autors geschuldet, dass in den letzten 50 Jahren die Hoffnungen auf eine Lösung der Verkehrspr­obleme restlos enttäuscht wurden. Problemati­sch ist aber doch, alles auf die Dummheit der Menschen zu schieben, denn das verhindert womöglich einen Lernprozes­s hin zu intelligen­tem Verhalten. A. A.

Mobilität: Zukunft

67 Knoflacher, Hermann: Zurück zur Mobilität! Anstöße zum Umdenken. Wien: Ueberreute­r, 2013. 111 S., € 9,70 [D], 9,95 [A], sfr 13,60

ISBN 978-3-8000-7557-7

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