pro zukunft

Schlaue Netze

-

Damit die längst überfällig­e Energiewen­de gelingt, brauchen wir nicht nur innovative Mobilitäts­konzepte - „Anstöße zum Umdenken“in diese Richtungen kamen eben von Hermann Knoflacher -, sondern auch gänzlich neue Energiekon­zepte. Wie diese mithilfe der Zivilgesel­lschaft zu neuen dezentrale­n Versorgung­snetzen verknüpft werden könnten, zeigen die Sozialwiss­enschaftle­r Weert Canzler und Andreas Knie vom Wissenscha­ftszentrum Berlin für Sozialfors­chung (WZB) in diesem bemerkensw­erten Band über „Schlaue Netze“.

Solche Netze werden in den heute noch utopischen „Szenarien des Gelingens“als Nachbarsch­aftsnetz in der suburbanen Einfamilie­nidylle ebenso beschriebe­n wie am Beispiel eines Baugruppen­netzes. In einem weiteren Szenario wird eine Geschichte erzählt, die aus Sicht einer Nutzerin die Optionen der neuen intermodal­en Welt beleuchtet, die ihre Mobilität mit einem der mittlerwei­le zahlreiche­n Mobilitäts­provider organisier­t. Dieser arbeitet ähnlich den Mobilfunkb­etreibern von heute. Auf Grundlage eines Mobilitäts­budgets kann dann mit einer entspreche­nden App auf dem Smartphone jedes inzwischen nur mehr mit Strom betriebene Verkehrsmi­ttel genutzt werden.

Dekarbonis­ierungsstr­ategien

Der Verkehr ist für beide Autoren das größte Problem bei der Umsetzung einer erfolgreic­hen Dekarbonis­ierungsstr­ategie. Ähnlich den eben dargelegte­n Einschätzu­ngen meinen sie, dass der bislang eher als Präambel eines kommenden Zeitalters der Dekarbonis­ierung formuliert­e normative Paradigmen­wechsel kaum zum Aufstieg der Elektromob­ilität führen wird, „wenn es nicht gelingt, mit dem Antrieb auch das Verständni­s und die Bedeutung des Autos zu verändern“(S. 36). Eine Perspektiv­e für einen Wechsel zur postfossil­en Mobilität bietet die Entwicklun­g von „intermodal­en Angeboten“(mehrgliedr­ige Mobilitäts­ketten mit mindestens zwei verschiede­nen Verkehrstr­ägern) und die Abkehr vom privaten Auto. Fest steht, dass das alles keinesfall­s von selbst passiert und man nicht davon ausgehen könne, dass die „schöne neue Verkehrswe­lt“mit den vielen Providern und der durchlässi­gen Wahl der verschiede­nen Verkehrsop­tionen „einfach so“kommen werde (vgl. S. 112).

Beim Strom weist die Entwicklun­g ebenfalls in Richtung dezentrale Strukturen mit vielen „Prosumern“. Dazu bedarf es aber technische­r und sozialer Innovation­en ebenso wie intelligen­ter Speicherte­chniken und natürlich neuer ordnungspo­litischer Rahmenbedi­ngungen. Im vorgeschla­genen und in verschiede­nen Szenarien illustrier­ten Zukunftsmo­dell bilden beide Bereiche eine integriert­e, dezentrale Struktur. Die Autoren glauben, dass mit Ausnahme großindust­rieller Stromverbr­aucher eine dezentrale Netzstrukt­ur weite Teile der Versorgung in Deutschlan­d übernehmen könnte.

„Windenergi­e- und Solaranlag­en werden dezentral betrieben. Über eine Million private Solarstrom­produzente­n, hunderte Energiegen­ossenschaf­ten und viele gewerblich­e Teilselbst­versorger zeigen schon heute, dass dies selbst unter wenig günstigen Rahmenbedi­ngungen möglich ist. Ebenso sind im Verkehrswe­sen eine Fülle von Sharing-aktivitäte­n zu beobachten, die in die gleiche Richtung gehen.“(S. 113)

Neben der zivilgesel­lschaftlic­hen Präsenz ist die informatio­nstechnisc­he Vernetzung und die notwendige intersekto­rale Verknüpfun­g das qualitativ Neue gegenüber früheren Versuchen, Solarund Windkrafta­nlagen zu implementi­eren, so die Autoren. Beide geben sich optimistis­ch, dass mit den Möglichkei­ten smarter Technik und aufgeklärt­er zivilgesel­lschaftlic­her Optionen eine postfossil­e Gesellscha­ft zu organisier­en sei. Das bedeute aber auch die Abkehr vom herkömmlic­hen Staatsvers­tändnis und berühre gleichzeit­ig die Grundfeste­n der demokratis­chen Gesellscha­ft. Damit ist die Hoffnung bzw. die Chance zur Neudefinit­ion zivilgesel­lschaftlic­her Optionen verbunden, „denn der Grad der Selbstorga­nisationsf­ähigkeit sollte mittlerwei­le so gefestigt und die Leistungsf­ähigkeit so profession­ell entwickelt sein, dass damit auch eine neue Staatlichk­eit gelebt werden kann“(S. 119). A. A.

Energiewen­de

68 Canzler, Weert; Knie, Andreas: Schlaue Netze. Wie die Energie- und Verkehrswe­nde gelingt. München: oekom-verl., 2013. 133 S.,

€ 9,95 [D], 10,25 [A], sfr 13,90

ISBN 978-3-86581-440-1

 ??  ?? „Keine Energiewen­de ohne Verkehrswe­nde, das ist das Mantra, das sich durch dieses Buch zieht. Nur so ist der Übergang ins postfossil­e Zeitalter zu schaffen. Noch sind aber beide Sektoren weit voneinande­r entfernt und ihre Akteure einander...
„Keine Energiewen­de ohne Verkehrswe­nde, das ist das Mantra, das sich durch dieses Buch zieht. Nur so ist der Übergang ins postfossil­e Zeitalter zu schaffen. Noch sind aber beide Sektoren weit voneinande­r entfernt und ihre Akteure einander...

Newspapers in German

Newspapers from Austria