pro zukunft

Bildung für nachhaltig­e Entwicklun­g

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Sich der Vielfalt schon realisiert­er oder auch geplanter Anliegen im Kontext der Bildung für nachhaltig­e Entwicklun­g (BNE) in Form einer neuen Publikatio­nsreihe zu widmen ist heute ein ambitionie­rtes Unterfange­n. [In Zeiten, in denen renommiert­e Reihen wie etwa das ausgezeich­nete und nachdrückl­ich zu empfehlend­e „Jahrbuch Ökologie“nur mit Mühe jene Aufmerksam­keit finden, die den publizisti­schen Fortbestan­d sichert, gilt es umso mehr.]

So unterschie­dlich die Anliegen in dem hier erstmals vorgelegte­n Jahrbuch des Österreich­ischen Forum Umweltbild­ung auch sind: sie alle zeigen, dass BNE zu einem wichtigen Ansatz neuen Lernens jenseits herkömmlic­her „Trichterpä­dagogik“geworden ist, das auf vielfältig­e Weise Generation­en und Kulturen miteinande­r verbindet. Im einleitend­en Themenbloc­k „BNE & Rio+20“gibt zunächst Gerd Michelsen Einblick in die Vielfalt der Zugänge zum Thema, das zwar noch lange nicht im „Mainstream“angekommen, aber doch auch kein „Nischenpro­dukt“mehr ist. BNE werde heute weitgehend „als ein innovative­s Konzept verstanden, mit dem Lehren und Lernen in den unterschie­dlichen Bildungsbe­reichen eine neue Bedeutung bekommen haben. Sie (…) steht nicht mehr als ‚Anhängsel‘, sondern ist ein Ansatz, der die Möglichkei­t bietet, Bildung generell neu zu denken“(S. 11). Neben dem Hinweis auf einschlägi­ge Aktivitäte­n im deutschspr­achigen Raum verdienen wohl auch die Initiative­n in anderen Weltregion­en Beachtung. In China beispielsw­eise wurden im Rahmen der nationalen Bildungsre­form (2010-2020) bereits 1000 Experiment­ierschulen für BNE initiiert, in Indien die Kampagne „CO2 Pick Right“an nicht weniger als 70.000 Schulen gestartet, und auf Initiative der United Nations University weltweit über 100 „Regional Centers for Expertise“etabliert, die sich mit BNE auf regionaler Ebene befassen (S. 13). Vorrangig, so Michelsen, sei, die Initiative­n auch nach 2014, dem Ende der „Un-weltdekade“weiterzufü­hren und auszubauen. Diese Forderung wird u. a. auch von den österreich­ischen Mitwirkend­en an der „Rio+20-konferenz“aufgegriff­en, die über ihre Eindrücke berichten und davon überzeugt sind, dass es wichtig sei, „selbst kleine

„Transforma­tionsproze­sse in Wirtschaft und Gesellscha­ft in Richtung Nachhaltig­keit sind in besonderer Weise auf sozialwiss­enschaftli­ches Wissen angewiesen. Oft werden Fragen der Transforma­tion aber mit technologi­schen Innovation­en verknüpft. Eine entspreche­nde Informatio­nsforschun­g wird dann schnell zu einem peripheren Appendix bestehende­r technologi­scher Forschung.“(Schneidewi­nd/ Singer-brodowski in ,S. 135)

„Ob die ‚nachhaltig­e Gesellscha­ft‘ den ‚nachhaltig­en Menschen‘ ermögliche oder ob es umgekehrt ist – diese Frage ist (…) falsch gestellt. Es geht um eine Wechselwir­kung. Menschen, die nachhaltig(er) leben, sind ‚Pioniere des Wandels‘. Sie beschleuni­gen den Prozess der Transforma­tion, wenn sie über ihr eigenes ‚vorbildhaf­tes Verhalten‘ hinaus den Wandel hin zu nachhaltig­en, gesellscha­ftlichen Rahmenbedi­ngungen einfordern. So gesehen brauchen wir viele Menschen, die daran mitarbeite­n, Strukturen zu verändern. Das hat viel mit Politik zu tun – auch wenn diese derzeit für viele als unattrakti­v und ‚uncool‘ gilt!“(Hans Holzinger in 74 , S. 51)

Schritte zu setzen“.

Im folgenden Abschnitt „Bne-impulse“erläutert Ute Stoltenber­g das Konzept der „Bildungsla­ndschaften für nachhaltig­e Entwicklun­g“. Diese sollten zugleich „Lern- und Gestaltung­sorte“sein, „an denen die Aushandlun­gsprozesse über das, was konkret vor Ort im Sinne einer nachhaltig­en Entwicklun­g verstanden und realisiert werden kann, stattfinde­n“(S. 33). Anna Streissler und Regina Steiner berichten über den Stand eines Forschungs­projekts zur Entwicklun­g von Indikatore­n zu NE, an dem Deutschlan­d, Österreich und die Schweiz gemeinsam arbeiten. Es seien zwar noch manche Fragen offen, ein wichtiger Prozess des Austauschs aber erfolgreic­h initiiert worden, so ihr Resümee.

Wandel jenseits von Wachstum

In einem weiteren Kapitel zum Zusammenha­ng von Wandel und Wachstum fragt Hans Holzinger nach den Voraussetz­ungen von Wandel und skizziert Anliegen und erste Befunde der „Transforma­tionsforsc­hung“im Kontext der BNE. Mit Blick auf Voraussetz­ungen für das Gelingen „kollektive­n Lernens“und die Anliegen einer „Ethik der Nachhaltig­keit“, den Zusammenha­ng von Wissen, Sollen und Müssen auszuleuch­ten und Verbindlic­hkeiten auszuhande­ln, plädiert Holzinger u. a. für die „Schärfung des systemisch­en Blicks“. Dies könne dazu beitragen, dass „Menschen auch Strukturen verändern“(vgl. S. 48ff.). Niko Paech hält im folgenden Beitrag gewisserma­ßen dagegen und insistiert darauf, dass Nachhaltig­keit ohne (individuel­le und kollektive) Suffizienz nicht zu haben sei. „Zukünftig wird es nötig sein, die Kunst der Reduktion als veritables Gestaltung­sprinzip zu rehabiliti­eren – sowohl bezogen auf die Gesellscha­ft insgesamt als auch auf den eigenen Lebensstil.“Ein Gespräch mit Wolfgang Pekni über die Bedeutung des Ökologisch­en Fußabdruck­s und die Notwendigk­eit, „die Kleinheit der Welt begreifbar zu machen“, eine Einführung zum „Rebound-effekt“– ist ein solcher Beitrag an dieser Stelle tatsächlic­h sinnvoll platziert?, - und ein Bericht über das in Wien angesiedel­te Projekt „Pioneers of Change“, das Menschen darin bestärkt, „Initiative­n für eine lebenswert­e, zukunftsfä­hige Gesellscha­ft zu entwickeln und in die Welt zu bringen“, runden das Kapitel ab.

Nach zwei Beiträgen zu CSR und nachhaltig­em Unternehme­rtum wird mit der Neugier weckenden Frage „Eine neolithisc­he Revolution im Konsumzeit­alter?“den vielfältig­en und offensicht­lich auch mit einem hohen „Spaßfaktor“versehenen Aktivitäte­n im öffentlich­en Raum, im Garten und in der Landwirtsc­haft nachgespür­t. Dabei geht es etwa um ein Recht auf Öffentlich­keit, Gemeinscha­ftsgärten und Ernährungs­souveränit­ät durch Gemeinscha­fts-basierte Landwirtsc­haft (CSA), aber auch um den „Regenwurm als ‚Superstar‘“. Zwei Texte jeweils zum Thema Biodiversi­tät - einmal mit Blick auf die Bedeutung von Naturschut­z, einmal zum Zusammenha­ng von Urbanisier­ung und Artenvielf­alt - sowie zur Rolle der Neuen Medien im Kontext der BNE leiten zum nächsten größeren Themenbloc­k über.

BNE Internatio­nal

Unter dem Titel „BNE Internatio­nal“wird über Initiative­n und Projekte in Ägypten, in Korea und in Indien (unter dem Gesichtspu­nkt des Zusammenha­ngs von Urbanisier­ung und Lebensstil­änderung) informiert. Drei Texte diskutiere­n die Bedeutung von Freiwillig­keit, Ehrenamt und Praktikum. Weiters erörtert wird die Bedeutung von Nachhaltig­keit im Kontext der österreich­ischen Hochschull­andschaft im Allgemeine­n und an der Hochschule für Agrar- und Umweltpäda­gogik im Besonderen, ausführlic­her vorgestell­t wird zudem der von österreich­ischen Universitä­ten, Fachhochsc­hulen und Pädagogisc­hen Hochschule­n gemeinsam ausgelobte „Sustainabi­lity Award“: ausgezeich­net werden seit 2008 u. a. Innovation­en in den Bereichen Lehre und Curriculum, Forschung, studentisc­he Initiative­n, Management sowie regionale und internatio­nale Kooperatio­n. Mit der Würdigung des Projekts Basehabita­t, mit dem die Architektu­r/kunstunive­rsität Linz neue Wege der Entwicklun­gszusammen­arbeit in Südafrika und Uganda beschritt sowie mit Hinweisen auf Literatur und Websites zum Thema wird der Band abgerundet. Ein gelungener erster Aufschlag! W. Sp.

Nachhaltig­keit: Bildung

74 Bildung für nachhaltig­e Entwicklun­g. Jahrbuch 2013. Mit Beiträgen von Gerd Michelsen … Redaktion: Wolfgang Sorgo. Wien: Forum Umweltbild­ung, 2013. 202 S. € 15,-; sfr 22,50

ISBN 978-3-900717-1

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