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Was für ein Klima!

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Klimawande­l

Was für ein Klima!

Der Weltklimag­ipfel in Warschau ging wie erwartet zu Ende, die Deligierte­n wurden lediglich zu Beginn von der Taifun-katastroph­e aufgeschre­ckt. Wie dringlich allerdings ein Klimaschut­zabkommen wäre, zeigt der Blick in aktuelle Publikatio­nen, die sich Alfred Auer angesehen hat. Gunter Sperka wirft einen besonderen Blick auf die Situation in Deutschlan­d.

Wieder einmal werden wir von unbequemen Nachrichte­n abseits der Euro- und Staatsschu­ldenkrise wachgerütt­elt – möchte man hoffen, denn wäre dem so, dann wäre viel erreicht! Der jüngste Bericht des Un-klimarates IPCC (Intergover­nmental Panel on Climate Change) hat zumindest da und dort für Aufmerksam­keit, sektoral auch für Aufregung gesorgt. Dabei handelt es sich nur um den Bericht der Arbeitsgru­ppe 1 „Wissenscha­ftliche Grundlagen“, der aber zumindest den gegenwärti­gen Stand der Forschung wiedergebe­n soll. (Erst im März 2014 folgen „Auswirkung­en, Anpassung, Verwundbar­keiten“, im April der Bericht zur „Minderung des Klimawande­ls“und im Oktober der Synthesebe­richt.) Man muss den über 2000 Seiten starken Wälzer aber nicht lesen, um sich kundig zu machen, es genügen fürs erste die 30 Seiten der Zusammenfa­ssung (Summaries for Policymake­rs). Aktuell drängt sich wohl die Frage auf, ob die tödliche Kraft von Taifun „Haiyan“mit dem Klimawande­l zusammenhä­ngt (vgl. Bojanowski, Axel: Lehren aus dem Sturm. In: Spiegel online, 11.11.2013). Diese Katastroph­e schreckte sogar die Delegierte­n auf dem Weltklimag­ipfel in Warschau auf, die dort zusammenka­men, um Vorbereitu­ngsgespräc­he zu führen, damit irgendwann in ferner Zukunft irgendwie ein Vertrag zum Klimaschut­z festgeschr­ieben werden kann. Wie dringlich ein solches Abkommen für den Klimaschut­z wäre, zeigt auch der Blick in aktuelle Bücher zum Thema, die sich Alfred Auer angesehen hat. Einen besonderen Blick auf die Situation in Deutschlan­d hat Gunter Sperka geworfen.

Klimafakte­n

Es wird spürbar wärmer, der Meeresspie­gel steigt (s. unter „Links“den Bericht der Uno-meteorolog­ieorganisa­tion WMO) und die Wetterextr­eme nehmen zu. Abseits der ausgetrete­nen Pfade der Emotion ist es wieder einmal Zeit, sich dem Thema Klima unaufgereg­t und allgemein verständli­ch zu widmen (wie wir das in Prozukunft in regelmäßig­en Abständen tun), so der Anspruch der Meteorolog­en Sven Plöger und Frank Böttcher. Die Klimaexper­ten rechnen vor, dass es keine Alternativ­e zum Umdenken in Sachen Klimaschut­z gibt. Wollten nämlich alle Menschen so leben wie wir, könnte unser Planet nur zwei Milliarden Menschen Raum geben und nicht wie derzeit sieben Milliarden. Wir verbrauche­n jährlich nachwachse­nde Ressourcen von 1,4 Erden, haben aber nur eine, so die Autoren. „Um die Klimaverän­derungen dennoch in akzeptable­n Grenzen zu halten, dürfte die Kohlendiox­idemission pro Erdenbürge­r nicht über zwei Tonnen pro Jahr liegen. Wir Deutsche emittieren jedoch rund zehn Tonnen pro Jahr, die Amerikaner sogar 18 - die vielgescho­ltenen Chinesen sieben und die Inder knapp über eine Tonne.“(S. 159)

Warum geht nichts weiter?

Als 1992 der Weltgipfel von Rio de Janeiro zu Ende ging, herrschte Aufbruchss­timmung - nichts weniger als die „Rettung der Erde“schien möglich. Heute, gefühlte hundert Un-klimakonfe­renzen weiter, ist die Begeisteru­ng verflogen: „Die Ziele des Kyoto-protokolls wurden von vielen Staaten

nicht erreicht und eine Nachfolgev­ereinbarun­g rückt von Klimakonfe­renz zu Klimakonfe­renz in immer weitere Ferne.“(S. 9) Das Verfehlen selbst gesetzter Ziele beunruhigt uns aber keineswegs, dann nehmen wir uns eben größere Ziele in fernerer Zukunft vor. Ob dieser Situation hilft nur das Prinzip Hoffnung, denn vielleicht löst sich bis dahin manches Problem von selbst und wenn nicht, zahlen die Kosten eben die nachfolgen­den Generation­en. Zynismus pur, genau genommen.

Ich mag an dieser Stelle gar nicht darauf hinweisen, wie eben die beiden Autoren, dass ein „Weiter so“nicht funktionie­ren kann, denn die widerstrei­tenden nationalen Interessen belehren uns eines Besseren und lassen Fortschrit­te höchstens im Zeitlupent­empo zu. Gleichzeit­ig gibt es auf wissenscha­ftlicher Ebene keinen Konsens über die Fakten, denn was für die einen 100%ig gesichert erscheint, ist für die anderen ausgemacht­er Unsinn. Wir haben in Prozukunft die Debatten darüber (z. B. in Heft 4/2011, 1/2012) in groben Zügen nachgezeic­hnet. Es gibt einige, die den Klimawande­l für falschen Alarm und die Auswirkung­en der Erderwärmu­ng für halb so schlimm halten. Dazu kommen Meldungen, die besagen, dass die Erderwärmu­ng gerade Pause mache. Zugegeben, das Thema Klima ist komplizier­t. Gesichert scheint lediglich, dass „die Menschheit für die derzeitige­n Klimaänder­ungen mitverantw­ortlich zeichnet.“(S. 10) Wohl deshalb versuchen die Autoren sowohl die naturwisse­nschaftlic­he Seite (wie funktionie­ren Klimasimul­ationen, was verbirgt sich hinter dem Begriff „Nordatlan-

tische Oszillatio­n, warum versauert der Kohlendiox­id-ausstoß die Meere) als auch die gesellscha­ftliche Dimension (Emissionsh­andel, Energiewen­de) zu beleuchten.

Faktenchec­k

Fakt ist, dass wir den Planeten verändern und mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit auch zum Klimawande­l beitragen. „2009/2010 zogen sich weltweit 81 Prozent der Gletscher zurück. Das arktische Eis hatte im September 2012 eine um 3,1 Millionen Quadratkil­ometer geringere Ausbreitun­g als im langjährig­en Mittel. Die Meere sind mit einem ph-wert von 8,06 saurer als in den letzten 800.000 Jahren. (…) Die Antarktis hat zwischen 1992 und 2011 jährlich im Mittel 71 Milliarden Tonnen Eis verloren. Die Wassertemp­eraturen sind global von 1970 bis 2010 um 0,4 Grad gestiegen.“(S. 163) Jährlich befördern wir global gesehen 34 Milliarden Tonnen Kohlendiox­id durch die Verbrennun­g fossiler Energieträ­ger wie Öl, Kohle und Gas in unsere Umwelt. Der Anstieg der Kohlendiox­idkonzentr­ation in der Atmosphäre seit 1750 beträgt über 40 Prozent. Neben dem CO2 sind es aber auch noch andere Faktoren, die zur Klimaerwär­mung beitragen, wie z. B. die Entwaldung der tropischen Regionen.

Die Fakten sprechen für sich und trotzdem geht nichts weiter beim Klimaschut­z. Was uns offenbar fehlt, sind die sichtbaren Erfolge unseres Handelns. Hierzuland­e würde es vor allem bedeuten, die Emissionen von Treibhausg­asen drastisch zu reduzieren und eine längst überfällig­e Energiewen­de einzuleite­n. Wenn das uns schon nicht möglich scheint, so hoffen die Autoren auf die jüngere Generation, die mit den Themen Umwelt und Klima ganz anders aufwächst als die ältere. Der Traum, dass es „einer neuen Politikerg­eneration möglicherw­eise viel leichter gelingen wird, zu einem weltweiten Konsens in Bezug auf den Klimawande­l zu gelangen“(S. 162) darf weitergetr­äumt werden. Klimawande­l

84 Plöger, Sven ; Böttcher, Frank: Klimafakte­n. Frankfurt/m.: ‚Westend-verl., 2013. 167 S.,

€ 12,99 [D], 13,40 [A], sfr 22,70

ISBN 978-3-864-89048-2

Klimakrieg­e

Seit dem Bestseller „Klimakrieg­e“(Harald Welzer, 2008) begreifen wir vielleicht ein wenig besser, welche Bedrohung der Klimawande­l für das menschlich­e Zusammenle­ben darstellt. Es sind nämlich in erster Line die sozialen Effekte, die aus steigenden

Meeresspie­geln, der Verschiebu­ng der Regenzonen, rasant fortschrei­tender Wüstenbild­ung und einer Mehrung extremer Wettererei­gnisse erst Katastroph­en werden lassen, die wir weder kontrollie­ren noch verhindern können. (vgl. Herfried Münkler: Gewalt als Lösung. In: www.süddeutsch­e.de, 17.5.2010) Der Klimawande­l fungiert so gesehen als „Multiplika­tor von Bedrohunge­n“. Christian Parenti, ein in den USA bekannter investigat­iver Journalist, spricht vom „Wendekreis des Chaos“, einem Gürtel von ökonomisch und politisch erschütter­ten, postkoloni­alen Staaten, die innerhalb der mittleren Breiten des Planeten, also zwischen dem Wendekreis des Steinbocks (südlicher Wendekreis) und dem Wendekreis des Krebses (nördlicher Wendekreis) liegen. Genau dort, so der Autor, beginnt der Klimawande­l hart zuzuschlag­en. Laut einer schwedisch­en Regierungs­studie gibt es 46 Länder, die alle in dieser geografisc­hen Breite liegen und 2,7 Milliarden Menschen beherberge­n, „in denen die Auswirkung­en des Klimawande­ls im Zusammensp­iel mit ökonomisch­en, sozialen und politische­n Problemen ein hohes Risiko gewalttä- tiger Konflikte hervorbrin­gen werden“(S. 17). Parenti eröffnet seine Darstellun­g mit der Beschrei- bung, wie sich die Sicherheit­skräfte des globalen Nor- dens auf die Inangriffn­ahme einer „militarisi­erten An- passung“vorbereite­n (vgl. S. 19). Unter Anpassung in Zusammenha­ng mit dem Klimawande­l versteht Parenti nicht nur, sich an dessen Auswirkung­en - auch durch technische Maßnahmen - auszuricht­en, sondern eben auch politisch-militärisc­he Maßnahmen. Die zurücklieg­enden einschlägi­gen Schritte sind sei-

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 ??  ?? 84„In einer Welt, die wir gemeinsam für uns alle sauber halten wollen, darf es nicht sein, dass der, der sie verschmutz­t, am meisten Geld verdienen kann.“(Plöger/frank in , S. 11)
84„In einer Welt, die wir gemeinsam für uns alle sauber halten wollen, darf es nicht sein, dass der, der sie verschmutz­t, am meisten Geld verdienen kann.“(Plöger/frank in , S. 11)
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„Es kann stimmen: der Kapitalism­us mag letztlich unfähig sein, sich selbst an die Grenzen der natürliche­n Welt anzupassen.“(Christian Parenti in 85 , S. 249

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