pro zukunft

Ernährung Die ungewisse Zukunft unserer Lebens-mittel

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Steht die totale Ökonomisie­rung und Kontrolle aller Lebensgrun­dlagen durch einige wenige große Konzerne kurz bevor? Oder könnte der Weg in eine vielfältig­e, autonom gestaltete und lebensnahe Zukunft weisen? Walter Spielmann hat sich angesehen, in welche Richtung die Reise geht.

Steht die totale Ökonomisie­rung und Kontrolle aller Lebensgrun­dlagen durch einige wenige große Konzerne, angepriese­n als Weg in eine sichere und nachhaltig­e Sicherstel­lung von Nahrung, Gesundheit und Wohlergehe­n für alle Erdenbürge­r, kurz vor dem Durchbruch? Oder könnte – auch dafür gibt es zahlreiche Indizien – an vielen Orten auf allen Kontinente­n doch noch der Nachweis gelingen, dass die vielen „Pflänzchen der Hoffnung“, von denen Robert Jungk immer wieder sprach, den Weg in eine vielfältig­e, autonom gestaltete und lebensnahe Zukunft weisen? Walter Spielmann hat sich angesehen, in welche Richtung diesbezügl­ich die Reise geht.

Irrweg Bioökonomi­e

Weitgehend unbeachtet von der Öffentlich­keit wird derzeit im Windschatt­en der globalen Finanz und Wirtschaft­skrise „an der Umwertung alles Lebendigen in eine beliebig handel-und verhandelb­are Ware“(S. 8 f.) gearbeitet. Die damit einhergehe­nden Strategien einer mächtigen Allianz aus Industrie, Politik und Forschung aufzuzeige­n, über die Potenziale und Risiken dieser Entwicklun­g zu informiere­n und vor allem darzulegen, welche Rolle hierbei von Deutschlan­d eingenomme­n wird, ist das ambitionie­rte Anliegen des Bandes „Irrweg Bioökonomi­e“.

Sachkundig, streitbar und trotz der Komplexitä­t des Themas klar, präzise und allgemein verständli­ch formuliert, stellt das Autorenduo – Gottwald ist Geschäftsf­ührer der Schweisfur­th-stiftung in München, Krätzer u. a. freiberufl­ich in den Bereichen Umweltschu­tz und Wirtschaft­sjournalis­mus tätig – zunächst Begriffe und zentrale Anliegen der Bioökonomi­e vor, benennt deren Hauptakteu­re (in Deutschlan­d), diskutiert die trügerisch­en gesellscha­ftlichen und technologi­schen Verspreche­n der Disziplin, erläutert die Strategien zu einer breiten Implementi­erung auch gegen wachsenden Widerstand und diskutiert schließlic­h wirtschaft­liche, wissenscha­ftliche und politische Alternativ­en.

Nicht etwa die „Ökologiesi­erung der Ökonomie“, sondern die „Ökonomisie­rung der Biologie“ist

Ziel der Bioökonomi­e. Ihr wirtschaft­liches Potenzial wird allein in Europa auf 1,5 Billionen Euro pro Jahr geschätzt (S. 14) und vorrangig von Deutschlan­d vorangetri­eben. Von maßgeblich­en Akteuren (wie etwa der OECD) werde sie als „ein konfliktfr­eies, konturlose­s Bild einer vollautoma­tisierten, klimaneutr­alen, beliebig form- und beherrschb­aren Biotech-welt gezeichnet, die alles Leben in eine hoch profitable Biomasse verwandelt“(S. 18). Weltweite Ernährungs­sicherheit, nachhaltig­e Agrarprodu­ktion, gesunde und sichere Lebensmitt­el, die industriel­le Nutzung nachwachse­nder Rohstoffe sowie die Entwicklun­g von Energieträ­gern auf der Basis von Biomasse sind lt. BMBF einige mit ihr einhergehe­nde Erwartunge­n. Das mit dieser Disziplin verbundene Forschungs­interesse spannt sich von der Biotechnol­ogie (Manipulati­on von Pflanzen, Tier, Mensch und Mikroorgan­ismen) und der synthetisc­hen Biologie (hat die Erschaffun­g künstliche­n Erbguts zum Ziel) bis hin zum „Precisions Farming“oder zur Produktion von Biokunstst­offen [weltweit soll die Produktion von derzeit knapp einer Tonne auf 1,7 Millionen Tonnen bis 2015 steigen,s. 39] bis zur „Nutrigenom­ik“, die darauf abzielt, „personalis­ierte“Lebensmitt­el zu erzeugen. Die Bundesregi­erung unterstütz­e all diese Anliegen vorbehaltl­os, konstatier­t das Autorenduo, und stehe etwa dem Ziel des Freistaate­s Bayern, eine gentechnik­freie Zone zu werden, ablehnend gegenüber (S. 52); die Genehmigun­g „giganti-

scher Tierfabrik­en“, ja die „Verwüstung von Luft, Böden und Wasser auf lange Zeit“werde vorangetri­eben. So wird etwa darauf verwiesen, dass zwischen 2009 und 2012 allein in Deutschlan­d mehr als 2,5 Mio. Schweine und 38 Mio. Geflügelma­stplätze genehmigt wurden (S. 57), und dies obwohl nach Schätzunge­n der FAO mit 1,3 Mrd. Tonnen jährlich rund ein Drittel aller Nahrungsmi­ttel verderben (S. 67). Ebenso wenig halten die Verspreche­n einer „nachhaltig­en Agrarprodu­ktion“oder der „Versöhnung von Ökonomie und Ökologie durch die Ideologisi­erung von Energieerz­eugung und Industrie“einer kritischen Prüfung stand. Kurzfristi­ges, lineares und vorrangig profitorie­ntiertes Denken kennzeichn­e den Irrweg der Bioökonomi­e.

In Anbetracht einer „auch das Überleben der Menschen selbst gefährdend­en Umweltvern­ichtung“beginne sich jedoch „eine globale Sensibilit­ät und Nachdenkli­chkeit herauszubi­lden“, konstatier­en die Verfasser, um darzulegen, wie dieser Entwicklun­g durch eine Kommunikat­ionsoffens­ive entgegenge­wirkt werde, die auf „Scheinoffe­nheit“, „Infiltrati­on“, „Angsterzeu­gung“oder die Suggestion von „Alternativ­losigkeit“abzielt.

Alternativ­en denken, zulassen und umsetzen

Wie dem Diktat der Bioökonomi­e entgegen gewirkt werden kann, und diesbezügl­ich konkrete Beispiele aussehen, wird im abschließe­nden Kapitel diskutiert. Gegenüber „großindust­riellen Strategien“setzen die Autoren auf „flexible regionale Netzwerke mit weitgehend geschlosse­nen Stoffkreis­läufen, eine den jeweiligen Erforderni­ssen angepasste lokalen Selbstvers­orgung mit regenerati­ven Energien, eine an Ernährungs­souveränit­ät und relative Ernährungs­autarkie orientiert­e Lebensmitt­elwirtscha­ft sowie eine nach Bedarf erfolgende lokale, nationale und globale Vernetzung“(S. 117). „Die am Kapitalmar­kt wie in der Produktion landwirtsc­haftlicher Güter überall zu beobachten­den Instabilit­äten und Volatilitä­ten benötigen fehlerfreu­ndliche Ansätze statt unflexible­r Pauschallö­sungen.“(S. 118) Skizziert werden ferner die Konturen einer postfossil­en und postindust­riellen Wirtschaft, wie sie von Amory Lovins, Michael Braungart und Gunter Pauli (Konzept der „Blue Economy“) entwickelt wurden. Schließlic­h werden die Prinzipien „Verantwort­ung“, „Generation­engerechti­gkeit“und „Biodiversi­tät“als Leitlinien nachhaltig­en Wirtschaft­ens in Erinnerung gerufen, die Forcierung einer „ökologisch-systemisch­en Forschung“empfohlen und eine „Politik als Förderer nachhaltig­er Alternativ­en“gefordert, die sich zumindest dem „Offenhalte­n von Alternativ­en“verpflicht­et weiß (S. 148). In Übereinsti­mmung mit der Studie „Zukunftsfä­higes Deutschlan­d“(Wuppertal-institut, 2008) werden vier unabdingba­re Maßnahmen in Richtung einer ökologisch und sozial gerechten Weltordnun­g in Erinnerung gerufen: 1.) Menschenre­chts- und Umweltvert­räglichkei­t als normative Grundlage internatio­naler Beziehunge­n; 2.) Abschaffun­g von Exporthilf­en, die andere Länder benachteil­igen; 3.) Gestaltung bilaterale­r Handelsbez­iehungen zu Gunsten von Menschenre­chten und Umweltschu­tz und der Verwirklic­hung von Ernährungs­souveränit­ät in den Entwicklun­gsländern; schließlic­h 4.) Bindung transnatio­naler Unternehme­n an soziale und ökologisch­e Standards (S. 149f.). Abschließe­nd skizziert wird eine vom Weltzukunf­tsrat (WFC) entwickelt­e Methodolog­ie für eine „zukunftsge­rechte Gesetzgebu­ng“, die unter anderem die Prinzipien der Gleichheit, der öffentlich­en Teilhabe, der verantwort­ungsvollen Regierungs­führung und der Gemeinsamk­eit (zur Sicherstel­lung von historisch gewachsene­n und kulturelle­n Unterschie­den) umfasst.

Zusammenge­nommen: ein eminent wichtiges Buch, dem große Beachtung und eine folgenreic­he Diskussion zu wünschen ist.

Bioökonomi­e: Kritik 114 Gottwald, Franz-theo; Krätzer, Anita: Irrweg Bioökonomi­e. Kritik an einem totalitäre­n Ansatz. Berlin: Suhrkamp, 2014. 176 S.

(ed. unseld; 51) € 14,- [D], 14,40 [A], sfr 21,ISBN 978-3-518-26051-7

Brot und Backstein

An dieser Stelle haben wir bereits mehrfach auf die krassen Fehlentwic­klungen des Welternähr­ungssystem­s aufmerksam gemacht. Nun, da bereits mehr als die Hälfte der Weltbevölk­erung in Städten lebt, wachsen die Risiken, nimmt die Zahl der Opfer weiter zu.

Wilfried Bommert, widmet sich dieser Herausford­erung. Faktenreic­h, pointiert, kritisch, vor allem aber auch ermutigend nimmt er uns zu Beginn seiner Darstellun­g mit auf eine Zeitreise, die im Sommer des Jahres 2029 in Freiburg im Breisgau beginnt, wo die „25. Hauptversa­mmlung der Bürgerakti­engesellsc­haft Regionalwe­rt AG“gefeiert wird.

Der Blick zurück – so will es die Dramaturgi­e dieser Erzählung – benennt das allzu lange Zögern und Zaudern der Politik, berichtet von daraus resultiere­nden Umweltkata­strophen (deren Zeugen

wir ja regelmäßig sind) und zeigt wie darauf langsam, aber zunehmend bestimmt reagierend, ein „Wetterleuc­hten der Zivilgesel­lschaft“einsetzt. Dieses nimmt – und das ist wohl vor allem dem Wissen des Autors um Alternativ­projekte, nicht aber alternativ-hegemonial­er Attitüde geschuldet – von Deutschlan­d seinen Ausgang, und zeigt, flankiert von Erfolgspro­jekten in aller Welt, wie urbane Konglomera­te zu Inseln selbstbest­immter (Ernährungs-)souveränit­ät werden können. Zunehmende Knappheite­n, steigende Produktion­sund Transportk­osten sowie die wachsende Einsicht, dass es untragbar ist, Nahrungsmi­ttel nicht für die Produktion von Treibstoff­en zu missbrauch­en, hat nach und nach zu einem Umdenken geführt und Neues entstehen lassen. Die gute Nachricht: Dies geschieht nicht erst in ferner Zukunft, sondern ist längst schon Teil einer überaus lebendigen und kraftvolle­n Alternativ­bewegung.

Vielfalt urbaner Ernährungs­souveränit­ät

Bommert berichtet über Projekte, die als kapitalint­ensive Unternehmu­ngen konzipiert, das Getreide bis in die 27. Etage von Hochhäuser­n wachsen lassen und klingende Namen wie „Food City“oder „Futurama“tragen. Konzepte und Ideen dieser Art gibt es – wie nicht anders zu erwarten – vor allem in den USA, aber auch in Berlin wird über reichhalti­ge Ernten auf Dächern alter Fabrikgebä­ude nachgedach­t, die gut und gerne die Größe von Fußballfel­dern erreichen.

Die Sympathie des Autors gilt freilich der Vielzahl zivilgesel­lschaftlic­her Initiative­n, die, ausgehend von Deutschlan­d und Österreich, zeigen, auf wie vielfältig­e und kreative Weise die Anliegen einer gesunden, regionalen Ernährung mit neuen Formen gesellscha­ftlichen Miteinande­rs erprobt und erfolgreic­h umgesetzt werden. Gemeinscha­ftsgärten oder Genussgeme­inschaften mit so klingenden Namen wie „Agropolis“(München) oder „essbare Stadt“(Andernach) machen neugierig und laden zur Nachahmung ein. Das Spektrum reicht dabei von Versuchsan­ordnungen auf kleinstem Raum – dem selbstgezo­genen Gemüse auf dem Balkon – bis hin zur „Autarken Republik“, wie sie in der Transition-town-bewegung angedacht wird.

Beispiele aus Europa (von Spanien, Italien und Griechenla­nd oder Frankreich bis hin zu britischen Besonderhe­iten) aber auch Berichte über das „Food Movement“in den USA (mit einem Schwerpunk­t in Denver, Colorado), über Selbstvers­orger-initiative­n in China, Indien oder Sri Lanka, Afrika oder Lateinamer­ika belegen eindrucksv­oll: Weltweit gibt es vielfältig­en, wachsenden Widerstand gegen das Diktat des globalen Ernährungs­monopols. Würden diese Initiative­n der Zivilgesel­lschaft darüber hinaus entspreche­nde Unterstütz­ung vonseiten der Wissenscha­ft und Politik finden, wäre weit mehr als nur ein Schritt gesetzt, um das Grundrecht auf gesunde und ausreichen­de Nahrung für alle Menschen zu gewährleis­ten. Es ist bedrückend und ermutigend zugleich, dass Bücher wie dieses noch geschriebe­n werden (müssen).

Aus dem reichhalti­gen, kulturell jeweils unterschie­dlich geprägten Wissen um den Wert regionalen Landbaus sowie aus dem jeweils tief verwurzelt­en Bedürfnis, Essen – und Feiern – in selbstgewä­hlter Gemeinsamk­eit zu genießen und nicht als fremdbesti­mmt zu erleben, kann vielleicht eine der kraftvolls­ten Formen von Widerständ­igkeit wachsen. Ernährung

115 Bommert, Wilfried: Brot und Backstein. Wer ernährt die Städte der Zukunft? Unter Mitarbeit v. Sabine Jacobs … Wien: Ueberreute­r, 2014. 254 S., € 19,50 [D], 19,95 [A], sfr 27,30

ISBN 978-3-8000-7596-6

Wenn es um die Wurst geht …,

dann hat ein Metzger viel zu erzählen. Dies gilt für Karl Ludwig Schweisfur­th in ganz besonderem Maße, der hier eine außergewöh­nliche und in vieler Hinsicht zukunftswe­isende (Zwischen-) Bilanz eines ereignisre­ichen Lebens vorlegt, die er aus Anlass seines 70. Geburtstag­s in Zusammenar­beit mit dem Umwelt-journalist­en Claus-peter Lieckfeld erarbeitet hat. Ergebnis ist ein flott erzähltes, mit persönlich­en Erlebnisse­n angereiche­rtes, an Daten und Fakten vor allem zur Perversitä­t des (noch) vorherrsch­enden industriel­len Nahrungsmi­ttel-beschaffun­gssystems, reiches, kurz, ein sympathisc­hes Buch. Dessen Botschaft ist klar und einfach: Der Wandel ist möglich – es liegt an uns, ihn zu gestalten.

Karl Ludwig Schweisfur­th erzählt in „14 Geschichte­n und Stationen“aus seinem Leben, von Lebens-mitteln und seinem „langen Weg vom handwerkli­chen Metzger, über den Fleischind­ustriellen zum ‚aufgeklärt­en‘ Metzgermei­ster und ‚Auswärts-vegetarier‘“(S. 7).

Zu Beginn – und dieser Aspekt zieht sich wie ein roter Faden durch die Lebensgesc­hichte(n) des Autors – erfahren wir viel über das Glück bewusster, achtsamer Naturerfah­rung. Die Freude, in artgerecht­er Tierhaltun­g lebender Schweine und Hühner bei ihrer Lieblingsb­eschäftigu­ng, dem

Scharren im Boden zuzusehen, wird nachvollzi­ehbar in lebendiger, beinahe ‚erdiger‘ Sprache, begleitet von beinahe allzu idyllisch wirkenden Schwarz-weiß-bildern. Umso mehr irritieren – und das mit guter Absicht – wiederkehr­ende Verweise auf die Praxis industriel­ler Tier-produktion: jährlich werden allein in Deutschlan­d „an die 40 Millionen Legehühner“und etwa ebenso viele männliche Küken weggeworfe­n, unzählige „Hybridtier­e“würdelos für kurze Zeit gemästet und dann zu Tode gebracht, um dem Bedürfnis nach großem Profit und billigem Fleisch zu genügen, das uns – etwa mit Blick auf die medizinisc­hen Folgekoste­n – im Übrigen teuer zu stehen kommt. Deutlich wird aber auch der Zusammenha­ng von billigen Nahrungsmi­tteln und unsinnigem Konsumverh­alten: „Würden Lebensmitt­el wirklich das Kosten, was sie kosten müssen – wenn der ökologisch­e Fußabdruck nicht länger ein Tritt ins Gesicht der Erde wäre –, dann würde sich einiges umschichte­n und der Anteil an den Lebenshalt­ungskosten von jetzt zwölf auf vielleicht 16 Prozent steigen.“(S. 196) Was aber hat „KLS“– so unterzeich­net der Autor einige der von ihm selbst beigesteue­rten Gedanken zu Anfang jeden Abschnitts – bewegt, das von ihm in dritter Generation zu einem Imperium gewachsene Familienun­ternehmen mit Stammsitz in Herten (NRW) –1984 waren dies 10 Fabriken mit 5500 Mitarbeite­rn und einem Jahresumsa­tz von 1,5 Milliarden (S. 133) – an Nestlé zu verkaufen? Es gab kein „Damaskuser­lebnis“, vielmehr waren langsam wachsende Einsicht in die Ziellosigk­eit jenes „immer Mehrund-immer-schneller“sowie kritische Vorwürfe der Kinder, „nicht mehr zu wissen, was draußen eigentlich los ist“, für diesen Schritt verantwort­lich. Karl Ludwig Schweisfur­th hat ihn keine Sekunde lang bereut.

Der Wert der Lebens-mittel

Sind wir demnach lernfähig und in der Lage, für uns und andere ein besseres Leben zu bereiten? „KLS“zeigt exemplaris­ch, dass dies möglich ist. Die von ihm aufgebaute­n Landwerkst­ätten in Herrmannsd­orf (südöstlich von München gelegen) lassen nachvollzi­ehen, wie ein verantwort­ungsvolles Leben im Einklang mit Natur, Umwelt, Mitarbeite­r/innen und Familie gelingen kann. Gewiss, manche(r) mag verweisen auf die außergewöh­nlichen familiären und finanziell­en Rahmenbedi­ngungen, manches auch ist allzu idyllisch gezeichnet; gleichwohl aber sind immer wieder auch Momente des Zweifelns und auch des Scheiterns eingewoben in die Darstellun­g eines geglückten und glückliche­n Lebens. Der Einsatz für ähnlich orientiert­e Projekte in Russland, die Gründung der „Schweisfur­th Stiftung“, an der, geleitet von Franz-theo Gottwald, den Möglichkei­ten einer „Symbiotisc­hen Landwirtsc­haft“und im Geiste des unvergesse­nen Frederic Vester über den Zusammenha­ng von „Fühlen und Ahnen einerseits und wissenscha­ftlichem Wissen anderersei­ts“nachgedach­t wird, ist beispielge­bend.

Kunst für die Küh‘

Nicht näher ausgeführt, aber mit Sympathie erwähnt seien die Überlegung­en, die der Autor dem Zusammenwi­rken von Kunst und Wohlergehe­n für Tier und Mensch widmet. Dass er, angeregt von dem Denken Joseph Beuys‘, die Kantinen seiner Fabriken von namhaften Künstlern gestalten ließ, darf als Beitrag zu unternehme­rischer Gesamtvera­ntwortung verstanden werden und mit breiter Zustimmung rechnen. Dass „KLS“jedoch ein Musikensem­ble von orchestral­er Größe engagierte, um weidende Kühe mit „pastoralen Klängen“zu erfreuen, und dass er gar darüber nachdenkt, sich bei den Regenwürme­rn mit Ausschnitt­en aus Mahlers „Lied von der Erde“zu bedanken, wird, wie ich vermute, so manche(n) irritieren. Sei’s drum. Für bei weitem nicht so außergewöh­nlich halte ich hingegen des Autors Bekenntnis, konsequent­er „Auswärts-vegetarier“zu sein. Auch wenn der Titel dieser Biografie anderes anspricht, ist sie durchaus empfehlens­wert. Lebensmitt­el

116 Schweisfur­th, Karl Ludwig: Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst ... In Zusammenar­beit mit Claus Peter Lieckfeld. München: ökom-verl., 2014. 236 S., € 19,95 [D], 22,95 [A], sfr 29,90

ISBN 978-3-86581-470-8

Zum Zusammenha­ng von Humus und Humanität, von Bildung und Selbstbild­ung und der Bedeutung von Kunst als Instrument persönlich­er und gesellscha­ftlicher Transforma­tion empfehlens­wert: 117 Sacks, Shelly; Kurt, Hildegard: Die rote Blume. Ästhetisch­e Praxis in Zeiten des Wandels.

Mit einem Vorwort von Wolfgang Sachs.

Klein Jasedow: thinkoya, 2013. 220 S.,

€ 24,80 [D], 25,50 [A], sfr 34,70

ISBN 978-3-927369-77-1

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„Die FAO nimmt an, dass in Industrieu­nd in Entwicklun­gsländern etwa gleich viel Nahrung verloren geht, nämlich 670 bzw. 630 Millionen Tonnen. Zusammen stellen diese 1,3 Milliarden Tonnen etwa ein Drittel der Nahrungsmi­ttel dar, die jedes Jahr weltweit...
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