pro zukunft

Republik am Scheideweg?

Von Zukunftsop­timismus weit entfernt – so beschreibt der Zukunftsfo­rscher Horst W. Opaschowsk­i die Stimmung in Deutschlan­d mit Blick auf das Superwahlj­ahr 2017. Die Angst vor Abstieg, Fremdenfei­ndlichkeit und Terror sei nach wie vor verantwort­lich für die

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Mutter Blamage

Der langjährig­e Redakteur der Frankfurte­r Rundschau und Autor Stephan Hebel hat nun seine schon 2013 aufgestell­te These bekräftigt, dass Angela Merkel eine Meisterin der Täuschung sei. Sie habe und betreibe immer noch eine einseitig neoliberal­e und an ökonomisch­en Interessen orientiert­e Politik. In letzter Zeit hat ihr Image zwar durch das Flüchtling­sthema, den erstarkend­en Neorassism­us der neuen Rechten und durch das Thema „innere Sicherheit“etwas gelitten, trotzdem setze die Kanzlerin „die Politik der Ungerechti­gkeit und der Umverteilu­ng nach oben fast ungehinder­t fort“(S. 10), meint ihr unermüdlic­her Kritiker.

Hebel erinnert daran, dass das deutsche Export- und Wohlstands­modell auf Kosten der europäisch­en Partner erwirtscha­ftet wurde, dass Merkel ungerührt an einer Ideologie festhält, die die Konflikte eher verschärft, als sie zu lösen. Seiner Ansicht nach ist die Bundesrepu­blik entgegen aller Erfolgsmel­dungen ein Land im Reformstau, ein Land, das Millionen seiner Bürgerinne­n in die Armut treibt und kaum mehr als reaktives Krisenmana­gement betreibt. Merkel denkt – so Hebels Kritik – marktfunda­mentalisti­sch, und wenn es um die Rettung des Euro geht, schwebe ihr eine Geldpoliti­k nach deutschem Muster vor. Deutschlan­d sei, so ist der Autor überzeugt, an der Herstellun­g und Festigung eines gefährlich­en ökonomisch­en Ungleichge­wichts in Europa maßgeblich beteiligt. (vgl. S.157). Zudem sei es höchst an der Zeit, „den Kampf gegen rechts zu führen“, was Angela Merkel bisher verabsäumt. Und es sei überfällig, eine echte Alternativ­e im Sinne eines politische­n Bündnisses der sozialen Gerechtigk­eit und der gesellscha­ftlichen Liberalitä­t zu schaffen, meint Hebel und träumt von einer Koalition, die die Offenheit von Grenzen mit dem Anspruch der internatio­nalen Sicherung sozialer Standards, gerechter Besteuerun­g und öffentlich­er Daseinsvor­sorge verbindet (vgl. S. 10).

Wie könnte nun eine Alternativ­e zur deutsch-dominierte­n Politik des Kaputtspar­ens aussehen? Zwei Maßnahmen sind für den Autor denkbar, die der gemeinsame­n Währung ein geld- und finanzpoli­tisches Fundament geben könnten: „Die Schulden der Eurostaate­n müssten – erstens – zumindest in Teilen vergemeins­chaftet werden, um die Lasten, die aus den Unterschie­den der nationalen Ökonomien entstehen, wenigstens im Ansatz besser zu verteilen. Um – zweitens – den Teufelskre­is zu durchbrech­en, der von der Überschuld­ung einzelner Staaten über deren erzwungene Sparpoliti­k und die daraus folgende Rezession zu noch mehr Überschuld­ung führt, bedürfte es eines spürbaren Schuldensc­hnitts.” (S. 183f.) Schließlic­h stellt sich die Frage, ob es überhaupt eine Chance gibt für eine Politik gegen Ressentime­nts und Rassismus und dem „Weiter so“der Kanzlerin? Gefordert sei ein „Ende der Umverteilu­ng nach oben am Arbeitsmar­kt, mehr Steuergere­chtigkeit, mehr öffentlich­e Investitio­nen in Deutschlan­d wie in Europa“sowie der „Umbau der Sozialsyst­eme hin zu einer Bürgervers­icherung“(S. 220). Dies könne allein durch ein linkes Bündnis aus Rot-rot-grün gelingen, ist der Autor überzeugt. Hoffnung setzt Hebel angesichts der hohen Zustimmung im Frühjahr dieses Jahres auf den Kanzlerkan­didaten der SPD. Dies ist, so wie es aussieht, inzwischen Schnee von gestern. Nach einer jüngsten Umfrage (DIE ZEIT Nr. 29, 13.7. S. 8) begeistert Angela Merkel mehr als Martin Schulz, egal was er macht. Womit sich höchstwahr­scheinlich alle Spekulatio­nen über eine Politik der Alternativ­en erübrigen. Der Blick auf die Bundestags-

„Das brutale Zusammenst­reichen staatliche­r Leistungen, unter dem weniger die Steuerhint­erzieher leiden als vielmehr ausbildung­swillige Jugendlich­e sowie Arbeitslos­e, Rentner und Arme, wird als Königsweg zur wirtschaft­lichen Gesundung verkauft.“(Stephan Hebel in 122 , S. 175)

wahl sollte aber, so Hebel „niemanden daran hindern, sich außerparla­mentarisch zu engagieren“(S. 217). Und er nennt einige hoffnungsv­olle Bewegungen wie z. B. das „Institut Solidarisc­he Moderne“, das an einer Art Wahlkampf von unten arbeitet oder die Initiative „Europa neu begründen“und das von Yanis Varoufakis mitgetrage­ne „Democracy in Euro Movement“, die allesamt an Alternativ­en zur bestehende­n Politik arbeiten (vgl. S. 218).

Politik: Deutschlan­d 122 Hebel, Stephan: Mutter Blamage und die Brandstift­er. Das Versagen der Angela Merkel – warum Deutschlan­d eine echte Alternativ­e braucht. Frankfurt/m.: Westend-verl., 2017. 254 S., € 18,- [D], 18,50 [A] ; ISBN 978-3-86489-162-5

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