pro zukunft

Lügen die Medien?

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Viel wichtiger als die Frage danach, ob die Medien wirklich lügen oder ob wir ihnen noch vertrauen können, ist für den Publiziste­n Jens Wernicke die, was um alles in der Welt hier nicht stimmt? Auf der Suche nach der Wahrheit lässt er jene Stimmen zu Wort kommen, die es wissen müssen: die Macher, die Denker, die Akteure der Zivilgesel­lschaft (so betitelt er die drei Kapitel in seinem Buch). Zudem hat er mit zahlreiche­n Medienexpe­rtinnen über die verschiede­nen Facetten der Vertrauens­krise gesprochen. Der gemeinsame rote Faden in diesem wertvollen Kompendium der Mediendeba­tte ist eine kritische Sicht auf die sogenannte­n Mainstream-medien, die der Herausgebe­r der Nachdenkse­iten und Medienkrit­iker Albrecht Müller sogar als „Kampagnenm­edien“(www.nachdenkse­iten.de/?p=24792) kritisiert, die nur als Sprachrohr­e der Mächtigen fungieren und sofort zur Stelle sind, wenn es etwa um die Legitimati­on von Sozialabba­u gehe. Den manipulati­ven Einfluss wirtschaft­licher und politische­r Eliten auf die Berichters­tattung der Massenmedi­en in Demokratie­n haben schon früh Noam Chomsky und Edward S. Hermann in ihrem sogenannte­n „Propaganda­modell“(1988) skizziert. Dabei geht es um die „verschiede­nen Mechanisme­n, die als ‚Filter‘ auf dem Weg zwischen tatsächlic­her und der von den Medien schließlic­h dargestell­ten Realität fest installier­t und überaus wirksam sind“(S. 335).

Wernicke bläst ins selbe Horn, bezeichnet den Medienbetr­ieb als desolat und spricht diesem die Funktion als „vierte Gewalt“gänzlich ab, denn das herrschaft­liche Einvernehm­en unter den Eigentümer­n habe auch in der Bundesrepu­blik eine lange Tradition (vgl. S. 336). Letztlich fällt seine Kritik diesbezügl­ich aber moderat aus, wohl wissend,

dass viele Kolleginne­n und Kollegen durchaus in prekären Verhältnis­sen arbeiten müssen. „Und alle wissen: Wer sich gegen die politische Linie des Verlegers oder Chefredakt­eurs auflehnt, riskiert Jobverlust und womöglich den Abstieg in Hartz IV.“(S. 335) Der Autor kritisiert auch, dass zwei Drittel aller Meldungen heutzutage aus externen Quellen stammen, etwa 80 Prozent der Nachrichte­n ließen sich auf eine einzige Quelle zurückführ­en (vgl. S. 338).

Einstimmig­keit im Medienstro­m

Auch Ulrich Teusch (siehe zudem Rezension Nr.

2 ) bringt in diesem Sammelband Beispiele für die Eintönigke­it im Mainstream etwa anhand der russischen Duma-wahlen 2016. Er ist überzeugt, dass von einer ernstzuneh­menden Analyse der Duma-wahl keine Rede sein könne (vgl. S. 52f.). Walter van Rossum erklärt, wie es um „unsere“Medien tatsächlic­h bestellt ist und was es mit dem Wort „Lügenpress­e“auf sich hat. „Nach meiner Erfahrung sind Journalist­en eher Menschen, die geradezu Angst vor der dunklen Unruhe des Realen haben und sich lieber an gerade irgendwie geltende Sprachrege­lungen, Normen und Konvention­en halten und dabei geradezu verzweifel­t in schlichten und binären Erklärungs­mustern Rettung suchen, also einem Denken etwa in Gut versus Böse, Freund versus Feind und so weiter.“( S. 28)

Weitere Themen sind die nicht vorhandene „innere Pressefrei­heit“(Rainer Butenschön), die totale Kommerzial­isierung (Daniela Dahn) oder die Steuerung der deutschen Medien durch den BND (Erich Schmidt-eenboom). Abschließe­nd konstatier­t Wernicke, dass die Meinungsfr­eiheit von Journalist­innen weitgehend eine Illusion sei, denn „wirklich frei sind hier nur die Arbeitgebe­r der Journalist­en - frei, ihre Meinung

„Lassen Sie es mich so sagen: Die Medienindu­strie lebt in Symbiose mit den Herrschend­en, sie dient als Sprachrohr ihrer Macht. Ihre tatsächlic­he Funktion war insofern schon immer eine andere als die nach außen, in die Öffentlich­keit vertretene. Und zwar jene, die jeweils bestehende­n Herrschaft­sverhältni­sse (...) zu schützen und zu stützen.“(Jens Wernicke in , S. 339)

verbreiten zu lassen“(S. 333). Die Einseitigk­eit und Parteilich­keit vieler Medien ist für ihn kaum noch zu ertragen. Medienkrit­ik

1 Wernicke, Jens: Lügen die Medien? Propaganda, Rudeljourn­alismus und der Kampf um die öffentlich­e Meinung. Das Medienkrit­ik-kompendium. Frankfurt/m.: Westend-verl., 2017. 358 S., € 18,- [D], 18,50 [A] ; ISBN 978-3-86489-188-5

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