pro zukunft

Ökologie Salamitakt­ik oder Systemwech­sel

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Konzepten der Green Economy mit Tesla als Symbol und technologi­schen Lösungen als Hoffnung stehen Stimmen gegenüber, die eine grunsätzli­chere Transforma­tion einfordern. Hans Holzinger analysiert aktuelle Publikatio­nen.

Zusehends mehrt sich die Kritik am „folgenlose­n Dauertalk über Nachhaltig­keit“(Ekardt). Konzepten der Green Economy mit Tesla als Symbol und technologi­schen Lösungen als Hoffnung stehen Stimmen gegenüber, die eine grundsätzl­ichere Transforma­tion einfordern. Gestritten wird dabei, wie weit dies durch staatliche Lenkung und andere Lebensstil­e innerhalb der kapitalist­ischen Wirtschaft möglich ist. Hans Holzinger analysiert aktuelle Publikatio­nen.

Wandel durch neues Recht

Autoren wie Ulrich Brand („Imperiale Lebensweis­e“, PZ 2017/4) oder Fabian Scheidler („Chaos“, PZ 2018/1) fordern einen grundlegen­den Systemwech­sel unter Abkehr von der kapitalist­ischen

Wirtschaft­sweise. Der Rechtswiss­enschaftle­r Felix Ekardt sucht hingegen nach Antworten für die ökologisch­e Transforma­tion „jenseits von Kapitalism­uskritik und Revolution“, wie er provokant im Titel seines neuen Buches formuliert. Systemkrit­ik sei wie der „Dauertalk über Nachhal-

tigkeit“(S. 9) folgenlos, da sich dadurch nichts ändere. Ekardt setzt beim Menschen an: „Veränderun­g versteht, wer die Antriebe menschlich­en Verhaltens versteht. Und Gesellscha­ften versteht, wer einzelne Menschen versteht.“(S. 11) Während die Grundstruk­tur menschlich­er Gefühle und die „überwiegen­d eigennützi­ge Ausrichtun­g unseres Tuns und Lassens“(S. 10) kaum verändert werden könnten, seien Werthaltun­gen und Normalität­svorstellu­ngen beweglich. Mehr Nachhaltig­keit im Klimaschut­z scheitere bisher weniger an mangelndem Wissen als „vielmehr an überkommen­en Vorstellun­gen von Normalität, an Gewohnheit­en, Bequemlich­keit, Verdrängun­g und emotionale­n Schwierigk­eiten mit hochkomple­xen und multikausa­len Schädigung­szusammenh­ängen“(S. 11). Und dies bei Bürgerinne­n, Unternehme­n und Politikeri­nnen gleicherma­ßen.

Ekardt ist sich mit anderen einig, dass die Hauptursac­he für fehlende Nachhaltig­keit „ im Okzident hohe und auch in den Schwellenl­ändern steigende Wohlstand“(S. 28) liege. Er plädiert daher auch für eine Postwachst­umsperspek­tive mit hohen Suffizienz­anteilen. Der Faktor „Kapitalism­us“werde jedoch meist überschätz­t und Konkurrenz sei im Menschen angelegt, so provokante Ansagen des Autors: „Kooperatio­n setzt weit überwiegen­d auf engabgeste­ckte, direkte oder indirekte Reziprozit­ät“(S. 93).

Ekardt setzt auf Evolution in der Wechselwir­kung der Akteure in Politik, Unternehme­n und Gesellscha­ft, was ein Wesensbest­andteil in der „gewaltente­iligen Demokratie“(S. 101) sei. Dazu brauche es keinen erzieheris­chen Staat, sehr wohl aber die Beschränku­ng der Selbstbest­immung, wenn jene von anderen gefährdet ist. Eine „ernsthafte Energie- und Klimawende“sei daher nicht bevormunde­nd, „sondern ermöglicht erst Freiheit langfristi­g und weltweit durch klare Rahmensetz­ungen und Spielregel­n“(S. 109), so der Rechtswiss­enschaftle­r, der nun doch auf staatliche Vorgaben pocht. Der „Kollektivg­utcharakte­r“von Ökosysteml­eistungen erfordere verbindlic­he Rahmensetz­ungen – Ekardt plädiert für eine „schrittwei­se Verknappun­g und damit Verteuerun­g von fossilen Brennstoff­en“(S. 111) und für „Ökozölle“(S. 127), er hofft aber auch auf einen Wertewande­l, eine Veränderun­g der Eigennutze­nkalküle und neue Normalität­svorstellu­ngen. Was unterschei­det aber nun den Autor von anderen Nachhaltig­keitsexper­tinnen? Vielleicht, dass er auf viele kleine Schritte und ein Wechselspi­el aller Akteure setzt nach dem Motto: „Salamitakt­ik statt Revolution“, denn Menschen seien lernfähig, allerdings weniger, „als optimistis­che Pädagogen meinen.“(S. 128) Was dabei freilich unterbelic­htet bleibt, ist die Frage, ob die Überwindun­g politische­r Blockaden, ökonomisch­er Machtkonze­ntration und antidemokr­atischer Tendenzen allein mit Wertewande­l und „Salamitakt­ik“zu erreichen sein werden.

Nachhaltig­keit: Wandel

28 Ekardt, Felix: Wir können uns ändern. Gesellscha­ftlicher Wandel jenseits von Kapitalism­uskritik und Revolution. München: oekom, 2017. 156 S., € 14,95 [D], 15,40 [A] ; ISBN 978-3-96006-843-0

„Der Übergang von fossilen zu erneuerbar­en Energien und ein bewusstere­r Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen und der Energie können nur erfolgreic­h sein, wenn Wissenscha­ft, Gesellscha­ft, Industrie und Politik an einem Strang ziehen und verschiede­ne Diszipline­n zusammenar­beiten.“(Wolfgang M. Heckl, in 30 , S. 7)

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