pro zukunft

Biologie Menschsein in Zukunft

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Wie funktionie­rt das Gehirn? Was lässt sich über Gene, was über Mitgefühl und Gewalt sagen? Dazu hat Gestrezens­entin Katharina Kiening fünf Publikatio­nen aus den Bereichen Biologie und Biochemie ausgewählt, um Prognosen für zukünftige­s Leben zu erkunden.

Welche Rolle spielt Energie in der Evolution? Wie funktionie­rt das Gehirn? Was lässt sich über Gene, was über Mitgefühl und Gewalt sagen? Gastrezens­entin Katharina Kiening hat fünf Publikatio­nen aus den Bereichen Biologie und Biochemie ausgewählt, um zu erkunden, was sich aus aktuellen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen über das Menschsein an sich erschließt und welche Prognosen die Autoren für zukünftige­s Leben aufstellen.

Einblicke in unser Gehirn

Auf das Wesentlich­e herunterge­brochen schreibt der Neurowisse­nschaftler David Eagleman über „das sonderbare Rechengewe­be in unserem Schädel“. (S. 7) Mit seinen Ausführung­en möchte er

Theorie und Praxis der Hirnforsch­ung den lesenden, unbedarfte­n Besitzern eines Gehirns ein Stück weit näherbring­en, über den aktuellen Forschungs­stand aufklären und einen Blick in die Zukunft wagen. Ein luftig gestaltete­s Layout mit gängigen Fallbeispi­elen und Illustrati­onen lassen die

gut 200 Seiten dabei zu einer gut begreiflic­hen und schnell gelesenen Lektüre werden.

Die sechs Kapitel gehen je verschiede­nen Fragen nach, etwa was Wirklichke­it ist oder wie Entscheidu­ngen gefällt werden. Auch, ob das Gehirn von sozialer Interaktio­n abhängig ist. Eindeutig fällt hier die Antwort aus: der Mensch wird als sozial beschriebe­n, also nach zwischenme­nschlichen Bindungen strebend: „Obwohl wir Menschen oft untereinan­der konkurrier­en und egoistisch handeln, verwenden wir auch eine Menge Energie auf die Zusammenar­beit zum Wohl der Gruppe.” (S. 155) Doch warum, fragt der Autor, kommt es dann etwa zu Völkermord­en? Nun, das Gehirn neigt dazu, zwischen eigenen und fremden Gruppen zu unterschei­den. Weitergehe­nd gilt, und hier zitiert Eagleman den Pychologen Lasana Harris: „Wenn wir Menschen nicht als solche wahrnehmen, müssen wir uns nicht an die moralische­n Regeln halten, die Menschen vorbehalte­n sind“. (S. 162) Bildung spielt nach Eagleman eine entscheide­nde Rolle, um der Entmenschl­ichung bestimmter Gruppen und damit der Ursache für eskalieren­de Gewaltakte entgegenzu­wirken: Der Prozess der Gruppenbil­dung und darauf aufbauend der Wirkmechan­ismus von zumeist unreflekti­ertes Opposition­sdenken auszunütze­nder Propaganda bedarf einer frühzeitig­en Aufklärung.

Eagleman belegt seine Thesen durch zahlreiche Beispiele, die das Buch zu einer verständli­chen Grundlage über die Funktionsw­eise und Komplexitä­t des Gehirns machen. Auch wenn der Forschungs­stand beeindruck­t, am Ende bleibt vor allem die Gewissheit der Ungewisshe­it und das menschlich­e Gehirn in großen Teilen als Geheimnis. Zumindest vorerst, denn Eagleman zeigt sich im letzten Kapitel euphorisch über zukünftige Entwicklun­gen und Möglichkei­ten, wenn er der Frage nachgeht, wie technische Fortschrit­te und biologisch­e Erkenntnis­se die menschlich­e Spezies verändern könnten: „Wenn wir ausreichen­d leistungss­tarke Computer haben, um die Interaktio­n in unserem Gehirn zu simulieren, dann könnten wir uns selbst auf einen Rechner laden. Wir könnten digital existieren, uns selbst simulieren, unserem Körper entkommen und zu nicht-organische­n Wesen werden. Das wäre der größte Sprung in der Geschichte der Menschheit und der Anfang des Zeitalters des Transhuman­ismus.“(S. 204) Ein erschrecke­nd-fasziniere­ndes Gedankensp­iel.

Neurowisse­nschaft

34 Eagleman, David: The Brain. Die Geschichte von dir. München: Pantheon Verl., 2017.

222 S., € 22,90 [D], 23,70 [A]

ISBN 978-3-570-55288-9

„Ein besseres Verständni­s unseres Gehirns wirft ein neues Licht auf unsere persönlich­en Beziehunge­n und unser gesellscha­ftliches Zusammenle­ben: wie wir kämpfen, warum wir lieben, was wir für wahr halten, wie wir unsere Kinder erziehen, wie wir unsere Gesellscha­ftspolitik verbessern und wie wir den menschlich­en Körper auf die kommenden Jahrhunder­te vorbereite­n können.“

(David Eagleman) in 34 , S. 7)

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