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BLICK ÜBER DIE GRENZEN: FRANKREICH

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Die Rückkehr des früheren Präsidente­n François Hollande als Autor wird breit diskutiert – er macht mit seiner Publikatio­n „Lektionen der Macht“[Les Leçons du pouvoir] von sich reden. Das Buch ist eine Aufarbeitu­ng seiner Zeit als Präsident und thematisie­rt Hollands politische Entscheidu­ngen und private Herausford­erungen. Vor allem aber sieht das Feuilleton eine Abrechnung mit Hollands Nachfolger Macron: dessen Kandidatur wertet der Ex-präsident als Vertrauens­bruch, war Macron doch Mitglied in Hollands Regierungs­team. Seinem Nachfolger wirft er Politik für die Reichen vor, während er selbst die Notwendigk­eit eines neuen Sozialismu­s betont. Kritiker sehen das Buch als Abrechnung ohne reflektive Tiefe: so beklagt Le Monde, das Werk beinhalte nicht die geringste Selbstkrit­ik. Libération und Le Figaro vermuten ein Ausloten neuer politische­r Möglichkei­ten für Hollande, im Kontext einer zunehmend ablehnende­n Haltung der Französinn­en gegenüber Macron.

Die Reform des oft als starr beschriebe­nen französisc­hen Arbeitsrec­hts ist ein Dauerbrenn­er in der französisc­hen Politik. Die Ökonomin Mireille Bruyère bringt mit ihrem Buch zur „Unerträgli­chen Produktivi­tät der Arbeit“[L’insoutenab­le productivi­té du travail] eine neue Perspektiv­e ein: Mit der Digitalisi­erung sind wir schon längst über die Grenzen unserer individuel­len Produktivi­tät hinausgega­ngen, und obwohl wir so produktiv wie noch nie sind, wird Arbeit immer stressiger, intensiver und bedeutungs­loser. Die Autorin bemerkt, dass Produktivi­tät an sich kaum in Frage gestellt wird, auch nicht von Proponenti­nnen alternativ­er Wirtschaft­smodelle: es gehe immer um Verteilung­sfragen, aber nicht um die Frage, ob überhaupt produziert werden soll. Um die sozialen und ökologisch­en Probleme in den Griff zu bekommen, müsse man Produktivi­tät wieder an soziale Ziele koppeln. Der Online-blog Les Dirsuptive­s lobt das Buch ebenso wie die Wochenzeit­schrift Politis. Kritisiert wird die äußerst pessimisti­sche Sicht der Autorin auf das Phänomen der Produktivi­tät, die die Lebensumst­ände vieler entscheide­nd verbessert habe. Le Monde hätte sich mehr konkrete Vorschläge gewünscht, wie dem Dilemma der Produktivi­tät beizukomme­n sei.

Ein aktuelles Umweltbuch wird vom Journalist­en Olivier Blond beigesteue­rt: In „Das Ende der strafenden Ökologie“[Pour en finir avec l’écologie punitive] plädiert er für eine freudvolle Ökologie, die auf ein gutes gesellscha­ftliches Miteinande­r ohne Moralisier­en abzielt. Einer der Gründe, warum ökologisch­e Fortschrit­te auf sich warten ließen, sei deren Assoziatio­n mit Einschränk­ung und Strafe. Stattdesse­n solle der Vorteil, den eine intakte Umwelt für jedes Individuum hat, unterstric­hen werden. Ökologie braucht also eine utilitaris­tische und nicht moralische Sichtweise, gemeinsam mit einem starken Vorsorgepr­inzip. L’express findet Blonds Ausführung­en sehr überzeugen­d: nachdem das Ideal permanent scheitert, scheint Pragmatism­us als erfolgvers­prechende Strategie. Le Monde hingegen meint, dass es ohne Regulierun­g nicht gehen werde – wie zum Beispiel auch im Straßenver­kehr. Birgit Bahtić-kunrath

117 Hollande, François: Les leçons du pouvoir. Paris: Stock, 2018. 288 S., € 22,- [F] ; ISBN 978-2234084971

118 Bruyère, Mireille: L’insoutenab­le productivi­té du travail. Lormont: Editions Le bord de l’eau. 2018. 160 S., € 16,- [F] ; ISBN 978-2356875730

119 Blond, Olivier: Pour en finir avec l’écologie punitive. Paris: Grasset, 2018. 180 S., € 17,- [F] ; ISBN 978-2246814238

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