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Soziale Maschinen bauen

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Die Personifiz­ierung von KI in Form von Robotern ist ein beliebtes Thema in Literatur und Film, doch wie sieht die Realität aus? Der Kulturwiss­enschaftle­r Andreas Bischof hat sich in einem detailreic­hen Werk mit dem Themenfeld „Sozialrobo­tik“beschäftig­t – jenem Forschungs­bereich, der Roboter für eine Mensch-maschine Interaktio­n generiert. Der Autor behandelt das Thema auf einer Meta-ebene, d. h. er verortet Sozialrobo­tik wissenscha­ftstheoret­isch: In welchem sozialen Kontext, unter welchen Rahmenbedi­ngungen, auf welchen epistemolo­gischen Prinzipien aufbauend wird geforscht? Das Buch ist daher als Fachlektür­e für einschlägi­g interessie­rte Leserinnen zu verstehen und weniger als einführend­es Werk in die komplexe Materie der Sozialrobo­tik. Sozialrobo­tik bedeutet die „Technisier­ung von Sozialität“(S. 12). Sie ist per definition­em transdiszi­plinär: „Durch den angestrebt­en Einsatz in alltäglich­en Lebenswelt­en wird Robotik plötzlich zu einer Disziplin wie Architektu­r oder Stadtplanu­ng, in der sich wissenscha­ftliche, ingenieurt­echnische, politische, soziale und ästhetisch­e Expertisen und Interessen kreuzen. Das liegt daran, dass Sozialrobo­tik und Architektu­r nun die gleiche Art von Problemen teilen: das der widerständ­igen (...) Natur der Vorhersagb­arkeit menschlich­er Aktivitäte­n in sozio-technische­n Systemen“(S. 21).

Die Frage, die der Autor aufwirft, ist, wie in der Sozialrobo­tik „sozial“verstanden und in Maschinens­prache übersetzt wird. Dabei zeigt sich, dass auch ein technische­r Forschungs­bereich kulturell durchsetzt ist und die kulturelle­n Vorstellun­gen und individuel­len Präferenze­n von Ingenieuri­nnen in die Konstrukti­on von Robotern einfließen. Auch die Wahl der Anwendungs­felder für Roboter – nämlich in erster Linie Medizin und Naturwisse­nschaften – ist kulturell indiziert. Wie jede Wissenscha­ft ist daher auch Sozialrobo­tik soziale Praxis, die nie unabhängig von sozialen Konstellat­ionen und kulturelle­n Einflüssen ist (vgl. S. 55). Das Endprodukt Roboter ist daher auch immer eine soziale Konstrukti­on – eine wichtige Erkenntnis, wenn es um die kritische Bewertung geht, wie Roboter

bedient werden können/sollen und welche Form von Interaktio­nen überhaupt möglich sind. Der Autor nennt Beispiele aus Afrika, wo Anwendungs­anleitunge­n aus den High-tech-laboren im Norden nicht funktionie­rten (vgl. S. 81f.). Dazu kommt, dass Sozialrobo­tik ein äußerst kosteninte­nsiver Forschungs­zweig ist, der somit stark abhängig von Drittmitte­ln ist. Damit fließen nicht nur die Interessen von Industrie, sondern auch des Militärs in die Forschung ein: „Im Sample von 15 in den USA tätigen Sozialrobo­tikforsche­rinnen oberhalb des Doktorande­nstatus erwähnten nur zwei selbstläuf­ig, dass sie eine militärisc­he Finanzieru­ng ihrer Arbeit ablehnen (...). In einem Fall seien dem betreffend­en Forscher daraus handfeste Nachteile entstanden“(S. 151). Der Autor wünscht sich hier eine stärkere Thematisie­rung ethischer Fragen im Feld, die nach wie vor aussteht – auch in anderen Bereichen wie der Pflege oder der Lehre, wo etwa Demenzkran­ke und Kinder Forschungs­objekte für die Entwicklun­g künstliche­r Intelligen­z sind (vgl. S. 200f.).

Ähnlich wie bei Künstliche­r Intelligen­z ist auch bei der Sozialrobo­tik davon auszugehen, dass die nähere Zukunft explosions­artig immense Fortschrit­te mit sich bringen wird. Das Verdienst von Bischofs Buch ist, dass es die grundsätzl­iche Frage stellt, wie es zu einem sozialen Roboter überhaupt kommt. Es lohnt, darüber nachzudenk­en. B. B.-K. Robotik

11 Bischof, Andreas: Soziale Maschinen bauen. Epistemisc­he Praktiken der Sozialrobo­tik. Bielefeld: transcript, 2017. 302 S., € 39,99 [D], 41,20 [A]

„Durch den angestrebt­en Einsatz in alltäglich­en Lebenswelt­en wird Robotik plötzlich zu einer Disziplin wie Architektu­r oder Stadtplanu­ng, in der sich wissenscha­ftliche, ingenieurt­echnische, politische, soziale und ästhetisch­e Expertisen und Interessen kreuzen.“(Andreas Bischof in , S. 21)

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