Rechts gewinnt, Links versagt
Roberto J. De Lapuente ist Blogger in Deutschland und eng vernetzt mit der linken Szene. Mit dieser geht er in seinem Buch hart ins Gericht – nicht die differenzierte Analyse, sondern eine Abrechnung mit dem linken „Versagen“in einem sprachlich sehr lockeren Blogger-stil steht im Vordergrund. Der Verlust der Arbeiterklasse als Wählerreservoir, das Unvermögen, Rechtspopulisten die Stirn zu bieten, das Verzetteln in irrelevanten Richtungskämpfen, das Setzen auf Toleranz – anstelle auf Gerechtigkeitsthemen –, all das sieht De Lapuente als Grund, warum die Linke gegenüber den Rechten an Terrain verliert.
Deutschland bietet unter dem Vorwand der „Alternativlosigkeit“einer wachsenden Anzahl von Menschen keine materiellen Zukunftsperspektiven mehr – während die Linke vor allem ideologische Toleranzdebatten führt. „Und das ist meines Erachtens tatsächlich das große Dilemma, in das sich die Linke (…) begeben hat. Sie führt sich als Ideal auf. Nicht als handfeste Alternative im Verteilungskampf. Dabei ist genau das ihr Metier immer gewesen. Heute kann man behaupten: Idealistisch läuft, materialistisch hinkt es“(S. 40). Das heißt, dass die Linke ihre Kernaufgabe nicht mehr wahrnimmt, nämlich den ökonomischen Verwerfungen einer Gesellschaft offensiv zu begegnen. Stattdessen übt man sich in Konsumkritik, Ökologismus und Toleranz. Im schlimmsten Fall komme es zur Verunstaltung sozialdemokratischer Ideen durch den „Dritten Weg“, der letztendlich die Linke in die Arme des Neoliberalismus getrieben und damit ihren Niedergang eingeläutet habe. Besonders kritisiert der Autor linke „Fundis“, die jegliche Form des politischen Kompromisses ablehnen und dabei ein Ideal eines Menschen kreieren, dass in der Lebenswirklichkeit der Durchschnittsbürgerinnen keine Rolle spielt – etwa wenn es um die totale Ablehnung von Konsum geht, der ein Grundbedürfnis darstellt, dessen Verteufelung eher was von katholischer Körperphobie als linkem Denken habe. Ebenso lehnt De Lapuente jenen linken Moralismus ab, der gleich einmal einen Großteil der Wählerinnen aus der Arbeiterklasse vertreibt – vor allem, wenn es in Diskussionen
nur mehr um Grundsätzlichkeiten geht, etwa wenn man sich hingebungsvoll der Frage nach Gender-toiletten oder genderneutralen Ampeln widmet. Der Autor dazu: „Und das sind nur zwei Beispiele, wie man ein eigentlich ernstes Anliegen der Lächerlichkeit preisgibt. Deswegen sind sie aber nicht überflüssig. Das Problem ist nur, dass man diese Themen unter vielen Linken, auch unter gemäßigten übrigens, überbetont und als Metafragen verkauft. Die eigentliche Metafrage jeder linken Politik bleibt hierbei leider mal wieder auf der Strecke: Wie kriegen wir sozialen Ausgleich und – wenn es gut läuft – sogar soziale Gerechtigkeit so hin, dass sie als gesellschaftlicher Stabilisator wirkt?“(S. 128)
Der Fokus vieler linker Gruppierungen auf Fundamentalopposition löst keine Probleme, so der Autor. Dazu gehört auch das Ausrufen von „Feindgruppen“und das Diskreditieren von Andersdenkenden mit den üblichen Vorwürfen des Rassismus, Sexismus, Antisemitismus. Dabei würden banale Aussagen oft mit Subtext überladen, die Empörungsmaschinerie läuft an – mit dem Kollateralschaden der Entpolitisierung. Eine „politische Nicht-politik“konstatiert De Lapuente hier (vgl. S. 140). Dazu gehören auch völlig aus der Luft gegriffene politische Konzepte, die allenfalls als Schlagworte brauchbar seien, etwa das beliebte „Kapitalismus/nato/eu-der-konzerne abschaffen“. Viel mehr komme dann aber nicht – eine große Vision, wie bestehende Systeme reformiert werden könnten, bleibt aus, und damit auch ein echtes Distinktionsmerkmal zur scheinbar „alternativlosen“Mitte oder der Neuen Rechten.