Im Namen des Volkes
Einen ganz anderen Ansatz als den Fokus auf den Materialismus eher marxistischer Prägung, wie ihn De Lapuente propagiert (siehe Nr. 19 ), verfolgt ein prominenter Vertreter der spanischen Linksbewegung Podemos [dt.: Wir können], Íñigo Errejón. Dieser trifft sich zu einem Zwiegespräch mit einer der herausragendsten Linksintellektuellen, der Politikphilosophin Chantal Mouffe. Die beiden erörtern sowohl Fragen der politischen Theorie als auch der politischen Praxis, wobei Mouffes jahrzehntelange Theoriearbeit als Inspiration für die theoretische Verankerung von Podemos‘ politischer Agitation herangezogen wird – doch durchaus mit kritischem Blick von Seiten des Aktivisten Errejón. Sie setzen sich im Gespräch zunächst intensiv mit der Bedeutung von Hegemonie auseinander und diskutieren, welche Bedeutung diese für die Strukturierung politischer Realitäten hat – gerade in einer relativ jungen Demokratie wie Spanien, deren Bürgerinnen von der Finanzkrise besonders hart getroffen wurden. Die Quintessenz dieser Krise – so ein zentraler Befund – ist das Zerbröseln von kollektiven Identitäten, Mythen und Visionen. Vor allem Errejón sieht jedoch auch Vorteile für gesellschaftliche Spaltungen: Erst diese ermöglichen die Freiheit zu wählen, denn ein gemeinsamer Volkswille bedeute kein Streben nach Homogenität. Betont wird auch die Rolle von Antagonismus: Auch wenn das Marx’sche Konzept der Klassen altbacken erscheint, gibt es in jeder Gesellschaft fundamentale Gegensätze und einander gegenüberstehende kollektive Identitäten – was vom Liberalismus ignoriert wird, der damit auch keine Alternativen zum herrschend Markt kennt: „The most important decisions are taken by unelected powers in a remote sphere that is far removed from any potential control by citizens. Meanwhile political representatives come to resemble each other more and more, and their constituents less and less. In the absence of any contestation over ideas and projects, democracy languishes and resignation spreads“(Errejón, S. 65).
Was Podemos selbst anbelangt, hat das spanische Parteiensystem im Moment einer existenzbedrohenden Krise versagt – es war die Zivilgesellschaft, welche Visionen für die Überwindung der Krise entwickelte, die von Podemos genutzt wurden. Gleichzeitig sieht man sich nicht als klassisch linke Partei, sondern versucht neue Ideen aus dem gesamten Spektrum zu kanalisieren und umzusetzen (vgl. S. 75). Vor allem versucht man, sich wieder auf das ursprüngliche Konzept von Pluralismus zu besinnen, das von Spannungen und Gegensätzen lebt. Dazu Mouffe: „I think it’s very important for that tension to stay alive, being constantly negotiated and renegotiated, to make sure that no element becomes ever entirely dominant – which is precisely what happened with the hegemony of neoliberalism“(S. 90).