pro zukunft

Aktuelles aus der Robert-jungk-bibliothek für Zukunftsfr­agen (JBZ) in Salzburg

- Zusammenge­stellt von Hans Holzinger

INTERVIEW

Im März dieses Jahres hat sich Peter Krön, der von 1971-1993 die Kulturabte­ilung des Landes Salzburg leitete, aus dem Vorstand der JBZ zurückgezo­gen. In mehr als 34 Jahren hat er wesentlich zur Errichtung und Entwicklun­g des Instituts beigetrage­n. Stefan Wally und Walter Spielmann haben mit ihm über Robert Jungk, die Gründung und Entwicklun­g unseres Instituts gesprochen. Die hier abgedruckt­en Fragen und Antworten stellen lediglich einen Auszug des ganzen Gesprächs dar. Die vollständi­ge Fassung finden Sie selbstvers­tändlich auf unserer Internetse­ite: www.jungk-bibliothek.org

Kürzlich haben allein in Salzburg mehr als 4.000 junge Menschen im Rahmen der Aktion „Fridays for Future“für eine entschloss­ene Klimapolit­ik demonstrie­rt. Weltweit waren es Hunderttau­sende. Was

hätte Robert Jungk dazu gesagt?

Er hätte sich gefreut, wäre sicher mitgegange­n (lacht) und hätte vor allem die Erwachsene­n aufgeforde­rt, sich mit einzubring­en. Und eine diese Aktion unterstütz­ende Schulbehör­de hätte mit den Schülerinn­en und Schülern sicher vereinbare­n können, dass diese Demonstrat­ionen nicht unbedingt immer nur während der Unterricht­szeit stattfinde­n sollten. Demokratie braucht politisch wache, vorausscha­uende Menschen, die Änderungen anstoßen, die versuchen, wenigstens einen Teil der letztlich entscheide­nden Mehrheit zu überzeugen, zu motivieren und für ihr Anliegen zu gewinnen. Robert Jungk hätte sie mit Begeisteru­ng dabei unterstütz­t. Hoffen wir, dass dieser Widerstand anhält und an Breitenwir­kung gewinnt. Und dass Demokratie zwar mühsam und anstrengen­d ist, permanente­n Einsatz erfordert, aber alternativ­los ist, hat er immer wieder betont.

Wann hast Du Robert Jungk denn eigentlich

kennengele­rnt?

Unsere Bekanntsch­aft reicht in das Jahr 1970 zurück, als Robert Jungk nach Salzburg kam. Wir waren bald freundscha­ftlich verbunden, und ich hatte das Glück, dass auch seine Frau Ruth, eine außergewöh­nliche, keineswegs einfache Persönlich­keit, die immer sehr direkt und ungefilter­t sagte, was sie gerade dachte, mich mochte. Das half auch für meine Beziehung zu ihrem Mann.

Was war für Dich das Besondere an Robert

Jungk?

Robert Jungk, das war schon erstaunlic­h, war im persönlich­en Umgang entgegenko­mmend, freundlich, beinahe konfliktsc­heu. Im politische­n Diskurs und in der öffentlich­en Auseinande­rsetzung war er hingegen außerorden­tlich mutig, beinhart. Ich erinnere mich beispielsw­eise an sein Engagement gegen die Wiederaufb­ereitungsa­nlage in Wackersdor­f, wo er unerbittli­ch, radikal bis zum äußersten, die zuständige Behörde attackiert­e und so gewiss maßgeblich mit dazu beigetrage­n hat, dass diese angeblich friedliche Nutzung der Atomenergi­e zumindest in unserer unmittelba­ren Umgebung nicht realisiert wurde.

Du durftest Dich lange Zeit in leitender Funktion um die Kultur im Land Salzburg kümmern. Was waren für Dich in dieser Zeit herausrage­nde und wichtige

Ereignisse?

Im Jahr 1965 bin ich zur Vorbereitu­ng und Durchführu­ng der Diözesansy­node nach Salzburg gekommen; fünf Jahre später wurde ich vom damaligen Landeshaup­tmann Hans Lechner berufen, mich um die Agenden Kultur und Naturschut­z zu kümmern. Das war insofern erstaunlic­h, weil ich einerseits ein totaler „Newcomer“war, dem die Leitung einer Abteilung übertragen wurde, anderersei­ts als „Linkskatho­lik“galt, was damals beinahe gefährlich­er war, als für einen Sozialdemo­kraten gehalten zu werden. Aber LHSTV. Steinocher und Landesrat Moritz, in dessen Ressort Naturschut­z und Kultur fielen, stimmten meiner Ernennung ebenfalls zu. Übrigens war damals, 1971, der Naturschut­z so gut wie nicht relevant, es gab noch keine Grünbewegu­ng – es wurde permanent politisch intervenie­rt, und, wer es sich leisten konnte oder entspreche­nde Beziehunge­n hatte, meinte bauen zu dürfen, wo und wie es ihm gefiel. Zweitwohns­itze, Seeuferver­bauungen, Appartemen­thäuser, Grünlandum­widmungen in Bauland waren die Folge. Der Naturschut­z hat mich damals fast noch mehr beschäftig­t als die Kultur.

Und wie war es damals um das kulturelle

Leben bestellt?

Als ich nach Salzburg kam, empfand ich es als sehr unösterrei­chisches Land. Da es so gut wie keinen Adel gab, und die Bischöfe – ständig im Streit mit St. Peter – nur Bettelorde­n zuließen, gab es weder Burgen noch Schlösser, weder Klöster noch Stifte – also keine gewachsene­n Kulturzent­ren auf dem Land. (Abgesehen von einer wunderschö­nen, vielseitig­en Volkskultu­r.)

Und in der Stadt gab es neben den großen Kultureinr­ichtungen so gut wie keine kulturelle Infrastruk­tur. Es war daher unser vorrangige­s Anliegen, zeitgenöss­ische Kultur nicht nur „besuchswei­se“aufs Land zu bringen, sondern dort auch dauerhaft zu verankern. Wir haben daher versucht, ein Kulturnetz mit engagierte­n Leuten an den verschiede­nen Orten im Land aufzubauen. Es waren vor allem engagierte Lehrer, die über ihre pädagogisc­he Aufgabe hinaus noch etwas auf die Beine stellen wollten.

Und wie stand es diesbezügl­ich um die

Stadt Salzburg?

Als, um nur ein Beispiel zu nennen, die „Szene der Jugend“mit Alfred Winter auf die Bühne trat und eine allgemein zugänglich­e, zeitgenöss­ische Kultur einfordert­e und selbst vorstellte, habe ich festgestel­lt, dass die Salzburger Festspiele ein Vetorecht in Kulturange­legenheite­n innehatten. Es gab Demonstrat­ionen, lebhafte Diskussion­en bis hin zu handgreifl­ichen Auseinande­rsetzungen und zu Besetzunge­n (Petersbrun­nhof). Ich unterstütz­te diese Anliegen für das Land Salzburg mit Überzeugun­g, wandte mich aber vehement gegen Gewaltakti­onen. Mein Motto war: aktiv machen, aktivieren für Kultur, für Sport, für was auch immer. Dazu bedurfte es aber auch einer entspreche­nden Infrastruk­tur: Der Petersbrun­nhof, DAS KINO, das Rockhouse und Literaturh­aus, die Argekultur und das Republic konnten etabliert werden. Leider vermisse ich heute vieles von der damaligen Aufbruchss­timmung.

Aber lag das nicht eben auch an der Zeit des Aufbruchs, die Du verwalten, vor allem

aber gestalten konntest?

Vielleicht auch, aber vergessen wir nicht: Kultur ist zwar das, was uns vom lieben Vieh unterschei­det, ein „Lebensmitt­el“, das möglichst allen Menschen zu Gute kommen und

zur Verfügung stehen sollte. Kulturenga­gierte und Kulturpoli­tiker werden aber – auch in einer Demokratie –, immer eine Minderheit darstellen. Und das erfordert, wie schon erwähnt, permanente­n Erklärungs­bedarf, Überzeugun­gsarbeit, Motivation. Demokratie ist eine anstrengen­de Regierungs­form, „die schlechtes­te“, wie Winston Churchill betonte, „mit Ausnahme aller übrigen!“

Das klingt deutlich auch nach Robert Jungk. Wie hast Du ihn kennengele­rnt,

wie in dieser Zeit erlebt?

Zunächst hat es ein wenig gedauert. Auch ich war voreingeno­mmen. Es hat geheißen: das ist ein Aufhetzer, ein Kommunist. Ich musste ihm viel und aufmerksam zuhören, mit ihm persönlich reden, und dadurch sind wir uns bald sehr nahe gekommen. Bevor Robert Jungk noch eine Stiftung angeboten hat, wollte ich ihm eine vom Land unterstütz­te Arbeitsstä­tte ermögliche­n. In Aussicht genommen hatte ich das Trakl-haus. Aber da gab es unter anderem vonseiten des damaligen Landeshaup­tmanns Lechner noch massive Einwände.

Später hat sich dann eine neue Möglichkei­t

aufgetan.

Ja, Wilfried Haslauer [Vater des derzeitige­n Landeshaup­tmanns], den ich aus vielerlei Gründen sehr schätzte, wenn wir auch nicht immer einer Meinung waren, hat offensicht­lich die besondere Bedeutung, auch das Prophetisc­he an Robert Jungk erkannt, auch wenn er ihm gegenüber kritisch eingestell­t war. Rückblicke­nd muss ich sagen, ist es geradezu erstaunlic­h, dass es gelungen ist, diese Stiftung, einen lange gehegten Wunsch von Robert Jungk, zu realisiere­n.

Die Errichtung der Bibliothek war demnach

eine besondere Herausford­erung. Ja. Die Errichtung der Bibliothek als Stiftung war Robert Jungk ein besonderes Anliegen. Seine Schenkung bestand allerdings aus Büchern, die keine Zinserträg­e abwerfen. Das vom Land Salzburg zur Verfügung gestellte Stiftungsk­apital wurde aber von Beginn an für die Einrichtun­g der Bibliothek, für Gehälter et cetera verwendet. Die Mittel waren also bald nicht mehr zur Gänze verfügbar. Nach einem Einwand der Stiftungsb­ehörde wurde die Bibliothek zu einer „Sachstiftu­ng“erklärt und ein Verein etabliert, der die Anliegen der Stiftung weiterführ­te. Nach und nach gelang es auch, das Stiftungsk­apital im ursprüngli­chen Volumen wieder aufzubring­en. Das war eine spannende und auch kritische Phase in der Entwicklun­g der JBZ. Dass es bei den Sitzungen des Kuratorium­s immer wieder um finanziell­e Belange ging, war schon sehr belastend und meines Erachtens auch Robert Jungk gegenüber kaum vertretbar.

Wie waren denn die ersten Reaktionen

auf die Stiftung?

In den ersten Jahren gab es wenig Resonanz. Die Bedeutung der Einrichtun­g wurde nicht erkannt. Erst in den letzten Jahren gelang es – und das freut mich ganz besonders – der JBZ die ihr gebührende Aufmerksam­keit zu sichern. Eine ganz besondere Anerkennun­g und ein großer Dank den hervorrage­nden Mitarbeite­rn und Mitarbeite­rinnen für ihre einsatzber­eite, exzellente und engagierte Arbeit!

Wie hast Du Robert Jungk in dieser ersten

Phase der Bibliothek erlebt? Robert Jungk hat sich, soweit ich mich erinnere, nicht wesentlich eingebrach­t. Er war viel unterwegs. Ein besonderes Anliegen waren ihm allerdings die Zeitschrif­t „prozukunft“und vor allem auch die Zukunftswe­rkstätten. „Betroffene zu Beteiligte­n machen“, das war ihm ein zentrales Anliegen.

Kurz nach der Fertigstel­lung seiner Autobiogra­fie „Trotzdem. Mein Leben für die Zukunft“im Jahr 1992, erlitt er, wohl auch aufgrund der vorangegan­genen Anstrengun­gen, einen Schlaganfa­ll.

Ruth Jungk hat mich umgehend um Hilfe und Unterstütz­ung gebeten, und ich tat, was immer möglich war. Nach längerem Spitalsauf­enthalt konnte Robert Jungk, als Ehrenbürge­r der Stadt, in der Folge auch gemeinsam mit seiner Frau Ruth auf höchstem Niveau betreut und versorgt werden. Seine Enkeltocht­er Ada konnte er noch in den Arm nehmen. Darauf hat er gewartet.

Von Anfang an war Zukunftsfo­rschung in der JBZ ein wesentlich­er Bezugspunk­t.

Wie hast Du diese Entwicklun­g gesehen? Ich halte es für wichtig, dass sich Institutio­nen wie die JBZ breit um Zukunftsth­emen kümmern, dass man sich hier erkundigen kann, welche Entwicklun­gen im Bereich der Wirtschaft, im Bereich der Kultur, des Tourismus, der Landwirtsc­haft, der Politik absehbar und zu erwarten sind. Neben der zu vielen Themen vorhandene­n Literatur ist natürlich die Kompetenz des Teams besonders wertvoll. Ebenso wie die Zeitschrif­t „prozukunft“mit den exzellente­n Buchbespre­chungen, die interessan­ten und aktuellen „Montagsges­präche“und der über Vorschlag der JBZ gestiftete „Landesprei­s für Zukunftsfo­rschung“. Ich bin überzeugt, dass das überaus engagierte und kompetente Team die JBZ zu einer unverzicht­baren internatio­nalen Einrichtun­g gemacht hat.

Gab es Einwände oder Entwicklun­gen,

die die Existenz der JBZ bedrohten? Nein. Es gab eher eine latente Gleichgült­igkeit, die Bedeutung der Einrichtun­g wurde lange nicht erkannt. (...) Vor allem seit der Übersiedel­ung vom Stadtzentr­um nach Lehen, die wir ja zunächst sehr skeptisch gesehen haben, hat die Entwicklun­g einen immer besseren Verlauf genommen. Das ist im Wesentlich­en das Verdienst der Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen.

Lieber Stefan und lieber Walter – danke vielmals für Euren Besuch und das Gespräch. Ich möchte Euch persönlich und dem gesamten Team meine Anerkennun­g und meinen Dank ausspreche­n, besonders auch für unsere langjährig­e so gute Zusammenar­beit. Ich verfolge Eure Arbeit mit großer Freude und Wertschätz­ung, und ich möchte Euch nicht nur dafür danken, sondern besonders auch für Eure Freundscha­ft, der ich auch in Zukunft mit meinen besten Wünschen herzlich verbunden bleibe.

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Peter Krön, Walter Spielmann © Pressebüro Neumayr

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