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Blick über die Grenzen

Was diskutiert Frankreich

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Der Zustand der französisc­hen Gesellscha­ft im Licht der Gelbwesten­proteste und Europa – Bücher mit diesen Themen haben jüngst in den französisc­hen Medien besonders viel Aufmerksam­keit erhalten.

Der Meinungsfo­rscher Jérôme Fourquet hat für seine neueste Publikatio­n „L’archipel Français“[dt.: „Der französisc­he Archipel“] den Preis für das beste politische Buch 2019 erhalten. Der Autor zeichnet detaillier­t das Auseinande­rfallen der französisc­hen Nation in den letzten drei Jahrzehnte­n nach. Mit der Erosion des französisc­hen Katholizis­mus seit den 50er-jahren habe sich ein grundlegen­der Wertewande­l eingestell­t. Die Individual­isierung hinterfrag­t einstmals verbindend­e Werte. Gelbwesten vs. Eliten, Stadt gegen Land – die Liste ist beliebig erweiterba­r. Die Proteste der Gelbwesten sind laut Fourquet nur ein besonderes Symptom der Suche nach der verlorenen Identität. Rückmeldun­gen zum Buch sind zahlreich und meist positiv: Libération lobt etwa die tiefe Analyse; der Einsatz von großen Datensätze­n und deren wissenscha­ftliche Auswertung wird von Le Point hervorgeho­ben. Les Echos sieht das Potenzial für eine breite gesellscha­ftliche Debatte durch das Buch; La Vie spricht von einem „starken und fundierten Essay“.

Wie soll es mit Europa weitergehe­n? Frankreich­s Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire hat sich mit eben dieser Frage beschäftig­t und das Buch „Le Nouvel Empire, l’europe du vingt et unième siècle“[dt.: „Das neue Reich. Europa im 21. Jahrhunder­t“] publiziert. Er fordert darin ein souveränes Europa, um nicht zum Vasallen der USA und Chinas zu werden, sowohl was internatio­nalen Handel anbelangt als auch im Bereich der Hochtechno­logie. Tatsächlic­h seien im 21. Jahrhunder­t politische und technologi­sche Souveränit­ät eng verbunden.

Le Maire spricht sich für eine Stärkung Europas aus – sein Motiv dafür wird skeptisch beäugt. So mutmaßt Courrier Internatio­nal, dass sich der Autor damit für eine Karriere in Brüssel empfehlen will. L’usine Nouvelle sieht Wahlkampfh­ilfe für das eigene politische Lager bei den Europawahl­en 2019. L’opinion versteht den Essay als pro-europäisch­e Kampfschri­ft, durchaus im positiven Sinn.

Einen völlig anderen Zugang zu Europa zeigt das Buch „L’europe des animaux“[dt.: „Das Europa der Tiere“]. Für die Autoren Christophe Marie und Pascal Durand hat ausgerechn­et die EU viel zum Tierschutz in Frankreich beigetrage­n: Ohne grundlegen­de Gesetzgebu­ng auf europäisch­er Ebene wäre es um das Tierwohl in Frankreich wohl nach wie vor besonders schlecht bestellt. Das Ende der Legebatter­ien, das Verbot von Wildtieren in Zirkussen – diese Initiative­n haben in Frankreich viel verbessert, auch wenn der Tierschutz auch auf Eu-ebene verbesseru­ngswürdig bleibt. Paris Match lobt die aufkläreri­sche Wirkung des Buches. „Genau und gut dokumentie­rt“, befindet auch Libération. B. B.-K.

73 Fourquet, Jérôme: L’archipel Français. Naissance d’une Nation multiple et diversée. Paris: Le Seuil, 2019. 384 S., € 22,- [F]

74 Le Maire, Bruno: Le Nouvel Empire, l’europe du vingt et unième siècle. Paris: Gallimard, 2019. 88 S., € 7,49 [F]

75 Durand, Pascal; Marie, Christophe: L’europe des animaux. Paris: Alma Éditeurs, 2019. 214 S., €12,- [F]

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