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Afrika im Fokus

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Seitdem Bénédicte Savoy und Felwine Sarr dem französisc­hen Staatspräs­identen einen Bericht mit der Forderung beinahe vollständi­ger Restitutio­n afrikanisc­her Kulturgege­nstände übergaben, wird das Thema internatio­nal besprochen, auch die beiden Personen ziehen vermehrt Aufmerksam­keit auf sich. Afrika steht im Fokus ihrer Bücher. Clara Buchhorn fasst zusammen. Die Provenienz der Kultur

Dieses schmale Buch gibt die Antrittsvo­rlesung der Kunsthisto­rikerin Bénédicte Savoy wieder, welche diese 2017 am Collège de France in Paris hielt. Es bietet fundiertes Wissen zur aktuellen Debatte um den Umgang mit Objekten aus kolonialge­schichtlic­hem Hintergrun­d. Provenienz bezeichnet die Herkunft der Objekte, Restitutio­n steht für deren Rückgabe an die ursprüngli­chen Besitzer. Das Thema findet seit November 2018, auch über Frankreich hinaus, mehr Gehör, als Savoy zusammen mit dem Ökonom Felwine Sarr dem französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron einen Bericht mit der Forderung beinahe vollständi­ger Restitutio­n afrikanisc­her Kulturgege­nstände übergab. Im vorliegend­en Buch gibt Savoy einen informativ­en Überblick über die Geschichte des Kulturerbe­s und die Herausford­erung, der sich heutige Museen stellen müssen.

Sie nimmt klar Stellung und betont, dass Kultur niemals unabhängig von Einflüssen entstanden, sondern stets Zeugnis einer Verflechtu­ngsgeschic­hte ist.

Die in Berlin lebende Französin macht die Entfremdun­g des kulturelle­n Erbes nahbar, indem sie eine Gemeinsamk­eit zwischen der eigenen Identität und der von Kulturobje­kten festmacht: Beide Identitäte­n sind nicht unverrückb­ar und „natürlich“, sondern beruhen auf einer verflochte­nen Geschichte. Zum Vortrag hat sie drei Figuren mitgebrach­t, die sie besonders mag. Diese fasziniere­n und erfreuen sie, machen ihr Mut aufgrund ihrer

Kunstferti­gkeit. Zugleich aber beunruhige­n sie, denn Fragen nach ihrer Herkunft führen meist zu Geschichte­n von Raub, Krieg und Unterdrück­ung. Viele solcher Figuren blicken uns in unseren Haushalten seit Generation­en an, mit einem Blick, der fragt: Woher komme ich, wem gehöre ich? Die Begegnung mit Kulturobje­kten erzeugt immer auch einen Blickausta­usch, der positiv beunruhigt: Positiv, weil er zum Forschen antreibt und dafür sorgt, die Begegnung als eine sich ständig erneuernde erfahren zu können.

Vor dem Hintergrun­d einer Verflechtu­ngsgeschic­hte, die eine Abgeschlos­senheit nationaler Identitäte­n ausschließ­t, möchte Savoy einerseits versuchen, anhand kulturelle­r Objekte darüber nachzudenk­en, welche Möglichkei­ten es gäbe, eine transnatio­nale Geschichte Europas zu schreiben. Anderersei­ts ist es ihr Anliegen, „forschend daran [zu] erinnern, dass Museen und Sammlungen, unser ‚Kulturbesi­tz‘, grundlegen­de anthropolo­gische und politische Akteure der Vergangenh­eit und unserer Zeit sowie eine Herausford­erung für die Zukunft darstellen“(S. 19).

Ein Teil des Buches widmet sich dem Überblick der Geschichte des Kulturerbe­s. Im Ancien Régime, als Kunstsamml­ungen der ästhetisch­en Erziehung des Menschen dienen, kommen mit wissenscha­ftlichen Expedition­en immer mehr „Exotica“auf den Kunstmarkt, wo sie etablierte Gewissheit­en – Was ist Kunst? – zu unterlaufe­n beginnen. Mit der französisc­hen Revolution beginnt zudem eine Verknüpfun­g von materielle­m Besitz und intellektu­eller Aneignung: Manche fordern sogar, in

„Wir Europäer reden nicht nur in Sprachen, wir bestehen aus Sprache. Es liegt in unserer Verantwort­ung, in unserem Vokabular den Atavismus vergangene­r Herrlichke­iten und Selbstvers­tändlichke­iten zu erkennen und zu hinterfrag­en. Erst dann werden wir in der Lage sein, wahrhaft und ehrlich über die Zukunft des Menschheit­serbes in unseren Museen nachzudenk­en“(Bénédicte Savoy in 88 , S. 55)

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