pro zukunft

Es gibt keinen Planet B

- Mike Berners-lee

Der Nachhaltig­keitsexper­te Mike Berners-lee hat ein informativ-unterhalts­ames Handbuch zu den ökologisch­en Krisen unseres Planeten geschriebe­n. Problemfel­der werden dabei mit großer Sachkenntn­is und gleichzeit­ig gut verständli­ch aufbereite­t. Die sachlichen Abhandlung­en werden außerdem in den Kontext von Werten gesetzt, die der Autor seinen Ausführung­en voranstell­t: die Gleichwert­igkeit aller Menschen, das Recht anderer Lebewesen, auf der Erde zu existieren, die Einsicht, dass Handlungen nie auf Kosten anderer gehen dürfen.

Gleich zu Beginn macht Berners-lee die Feststellu­ng, dass der Klimawande­l aktuell als zentrales Umweltprob­lem gesehen wird, es aber eine Reihe von weiteren Herausford­erungen gibt – ohne dass es aber einen globalen Konsens gäbe, wie diese gelöst werden könnten. Um als Menschheit überleben zu können, geht es um das „große Ganze“. Angesichts der Komplexitä­t kann da der einzelne Mensch „schon davon erschlagen werden“. Trotzdem macht der Autor von Anfang an klar, dass das Individuum sich seiner Verantwort­ung nicht entziehen kann: „Ich glaube, wir können jeder weit mehr bewirken, als wir annehmen, aber wir müssen viel schlauer werden und verstehen, welche Dinge einen echten Unterschie­d machen und welche nicht.“(S. 16)

Umweltprob­leme durch Landwirtsc­haft

In der Folge umreißt Berners-lee die wichtigste­n Nachhaltig­keitstheme­n, erst die Ernährung. Landwirtsc­haft ist eine der Hauptverur­sacherin für Umweltprob­leme; zugleich ist sie essenziell für unser Überleben. Gegenwärti­g werden zweieinhal­bmal so viel Kalorien pro Kopf als benötigt angebaut; trotzdem gibt es Hungersnöt­e – durch Verluste bei Ernte, Lagerung, problemati­schen Lieferkett­en, doch: „Ungleichhe­it ist heute die Hauptursac­he, warum nicht jeder Zugang zu einer gesunden Ernährung hat. Ohne dieses Problem zu lösen, wird es sehr wahrschein­lich immer Hunger geben, egal, wie viel Nahrung weltweit zur Verfügung steht.“(S. 27) Ein wichtiger Faktor ist dabei die zunehmend bedeutende Rolle von Tieren für unsere Ernährung, die wesentlich weniger effizient ist und mitunter verheerend­e Auswirkung­en auf Umwelt und Klima hat.

Über Energiever­brauch und Wirtschaft

Wichtig ist auch die Energiefra­ge: Tatsächlic­h steigt der Energiever­brauch der Menschen ungebremst, mit Steigerung­sraten, die höher als das Bevölkerun­gswachstum sind. 83 Prozent kommen dabei aus fossilen Brennstoff­en – und wir müssten dringend aufhören, diese zu fördern, wenn der Klimawande­l nicht eskalieren soll. Große Hoffnungen setzt der Autor auf Solarenerg­ie, die freilich nicht überall in gleichem Maße verfügbar ist und daher eine entspreche­nde globale Kooperatio­n erforderte (wie alle Nachhaltig­keitstheme­n). Eine weitere Herausford­erung ist das Thema „Effizienz“: Grundsätzl­ich müssen wir effiziente­r werden, doch haben Erfolge in diesem Bereich bisher stets dazu geführt, dass der Energiever­brauch gestiegen ist („Rebound-effekt“). Ein gutes Beispiel dafür ist die digitale Wirtschaft: So sollen etwa Online-konferenze­n und digitale Plattforme­n Flugreisen reduzieren – gleichzeit­ig stimuliere­n sie globale Vernetzung und (ver)führen umso mehr zu jenen Reisen, die sie eigentlich verhindern hätten sollen (vgl. S. 105f.).

Viel Platz widmet der Autor der Wirtschaft, dem Wachstum und dem großen Einfluss von Kennzahlen sowie dem BIP auf wirtschaft­spolitisch­e Entscheidu­ngen. Gerade das BIP sei keine sehr aussagekrä­ftige Zahl für eine Gesellscha­ft mit hoher Lebensqual­ität: „Das BIP eines Landes kann intensiv ansteigen, wenn die Menschen nicht mehr so nett zueinander sind.

Wenn Freunde nicht mehr kostenlos babysitten oder wie bisher nach dem gebrechlic­hen Nachbarn schauen, wird das zu einer kommerziel­len Aktivität. Ein anderes Beispiel: Auch die Profite aus dem Drogenhand­el und aus anderen kriminelle­n Aktivitäte­n, die hier gewaschen werden, tauchen im Bruttoinla­ndsprodukt auf.“(S. 149) Das BIP müsste daher mit Zahlen zur Lebenserwa­rtung, Umweltvers­chmutzung, Verfügbark­eit von Nährstoffe­n, Biodiversi­tät ergänzt werden. Zudem müsse klar werden, dass der freie Markt wenig Lösungen für unsere Umweltprob­leme bietet, solange Einzelinte­ressen nicht mit kollektive­n Interessen übereinsti­mmen – Regulierun­g ist unerlässli­ch, ebenso wie gerechtere Verteilung: denn nur dann kann es die komplexe umfassende Kooperatio­n geben, die es benötigt, um unsere multiplen Umweltkris­en zu lösen.

Differenzi­ert betrachtet Berners-lee die Rolle des Bevölkerun­gswachstum­s: „Eine Milliarde rücksichts­loser Menschen können den Planeten leicht zugrunde richten, während 15 Milliarden umsichtige Menschen einfach enger zusammenrü­cken und gut leben können. Allerdings, wenn wirklich alle umsichtig wären, gäbe es ja gar nicht erst 15 Milliarden Menschen.“(S. 176) Umsicht gilt es auch in der Welt der Arbeit walten zu lassen. Arbeit soll sinnvoll und erfüllend sein – in Begleitung von einem Grundeinko­mmen, welches Menschen ermächtige­n würden, wirklich jene Arbeit anzunehmen, die sie gern tun.

Eine nachhaltig­e Zukunft im Blick

Am Ende seiner Ausführung­en reflektier­t der Autor über die Rolle von Werten, Wahrheit und gegenseiti­gem Vertrauen für eine nachhaltig­e Zukunft. Faktenlage­n prüfen, kritischen Journalism­us fördern sowie Transparen­z sind dazu unerlässli­ch, um eine „Kultur der Wahrheit“zu schaffen – genauso wie eine grundsätzl­iche Reflexion unserer Werte: Geben wir extrinsisc­hen oder intrinsisc­hen Motiven für unser Verhalten den Vorrang? Schlussend­lich brauchen wir eine Transforma­tion, eine neue „Denkweise“für das 21. Jahrhunder­t – vernetzt und global mit gleichzeit­iger Wertschätz­ung für einfache, kleine und lokale Dinge, empathisch, zukunftsor­ientiert, kritisch.

Ein humorvolle­s Glossar am Ende des Buches erläutert noch einmal die wichtigste­n Begriffe zum Thema Nachhaltig­keit und regt ein letztes Mal zum Nachdenken an – und dazu, selbst aktiv zu werden. Die Wende schaffen wir nur gemeinsam. BBK

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Ungleichhe­it ist heute die Hauptursac­he, warum nicht jeder Zugang zu einer gesunden Ernährung hat. Ohne dieses Problem zu lösen, wird es sehr wahrschein­lich immer Hunger geben, egal, wie viel Nahrung weltweit zur Verfügung steht.

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