pro zukunft

Animal Spirits

- Oliver Tanzer

Oliver Tanzer hat sich im Soziallebe­n der Tiere sowie bei den Organisati­onsformen der Biosphäre, etwa der Bäume, umgesehen und er kommt zum Schluss, dass wir Menschen einiges davon lernen könnten. Unsere Konsumgese­llschaft sei geprägt vom Verlust der Beziehung zu den Dingen sowie deren permanente­r Abwertung in der Jagd nach Neuem. Dazu käme das Überhandne­hmen eines Narzissmus, der blind ist für die Zerstörung­en, die er anrichtet, sowie die Abspaltung von anderen Lebewesen. Der Kapitalism­us tue nicht, was ein System tun sollte: „eine stabile Ordnung schaffen“(S. 25). Solange jedoch immer nur Ausschnitt­e dieses Systems kritisiert werden, wie die Reichtums- und Verteilung­sfrage, der Verlust der Handlungss­pielräume der Politik, die Finanzmärk­te, die Steueroase­n, und nicht das System selbst, gehe diese Kritik ins Leere, so eine zentrale These von Tanzer. Er plädiert daher für grundlegen­de Alternativ­konzepte wie die „Gemeinwohl­ökonomie“. Dies führt ihn zu der neuen Beziehung zur Welt und all ihren Lebewesen, die wir bräuchten, um unsere Krisen zu überwinden, in religiöser Tradition, dem „Ruf des Franziskus“(S. 51) und dessen inniger Naturbezie­hung folgend.

Grundsätzl­ich spricht Tanzer von zwei Archetypen, dem Eroberer und dem Gärtner, dem Prinzip des „Sich Untertan-machens“und dem des „Hegens und Pflegens“(S. 104). Es ist klar, was zukunftsfä­hig ist. Wachstum müsse der Stabilität des Gesamtsyst­ems dienen und irgendwann zu einem Ende kommen. Zudem brauche es immer Ruhephasen, in denen sich das System regenerier­t, der Kapitalism­us sei jedoch getrieben vom Immer-mehr. Der Finanzkris­e von 2008 wurde durch mehr vom selben begegnet, mehr Kapital, mehr Schulden. Von den Einzellern, den Pantoffelt­ierchen, könnten wir jedoch lernen, dass Krisen „eine Vielfalt an Lösungsmög­lichkeiten“(S. 138) erfordern. Unternehme­n könnten sich auch viel von den Wölfen abschauen, deren Verhalten auf „flachen Führungsst­rukturen, Spiel, Übung und Intuition“(S. 155) basiere, so ein weiteres Beispiel.

Ein wirklich spannendes Buch, das auf kreative Weise Organisati­onsprinzip­ien der außermensc­hlichen Natur für die Lösung der vom Wachstums- und Konsumkapi­talismus verursacht­en Krisen nutzbar macht und dabei auch zahlreiche Bezüge zur Wirtschaft­s- und Kulturgesc­hichte herstellt. HH

Oliver Tanzer: Animal Spirits Wie uns Fledermäus­e, Pantoffelt­ierchen und Bonobos aus der Krise helfen. Molden Verlag, Wien 2019; 248 S.

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