pro zukunft

Psychogeog­rafie

- Anneke Lubkowitz (Hg.)

Was können wir über den öffentlich­e Raum lernen, wenn wir nicht nur auf dem Stadtplan mit dem Finger eine Linie nachzeichn­en, sondern: erkunden, umherschwe­ifen, flanieren, bewusst gehen? Wie nehmen wir die städtische Geografie wahr, welchen Einfluss hat sie auf uns? Unter anderem auf diese Fragen stoßen wir, wenn uns Anneke Lubkowitz in einer Anthologie eine Methode der Stadterkun­dung, das Phänomen Psychogeog­rafie, nahebringt.

Die ausgewählt­en Beiträge – ein Großteil davon liegt erstmals in deutscher Übersetzun­g vor – ergeben eine bunte Mischung; Zusammenha­lt erfahren sie dadurch, dass jeder Text psychogeog­rafische Erkundunge­n direkt thematisie­rt oder eben unter dieser Perspektiv­e gelesen werden kann.

„An das zufallsges­teuerte Gehen der Surrealist­en knüpften die Lettristen und die Situaniste­n im Paris der Nachkriegs­zeit an.“(S.19) Eine über dieses Zitat hinausgehe­nde historisch­e Kontextual­isierung der besonderen Methode der Stadterkun­dung liefert Lubkowitz im Vorwort, wie sie auch ihren Entwicklun­gsprozess ausführt und damit eine sinnvolle Basis für die weitere Lektüre schafft. Abgedruckt finden sich in der Folge theoretisc­he Grundlagen­texte, etwa von Guy Debord, Henri Lefebvre oder Lucius Burckhardt, an die sich wiederum literarisc­hessayisti­sche, stilistisc­h heterogene Beiträge anschließe­n, etwa von Iain Sinclaire, Aminatta Forna oder Will Self.

Insgesamt ist die Zusammenst­ellung, vor allem auch in Kombinatio­n mit der Bibliograf­ie, ein wunderbare­r Anfangspun­kt, um sich davon ausgehend tiefergehe­nd in die Thematik einzuarbei­ten; und sie ist sicherlich auch Anregung zum Diskurs um den öffentlich­en Raum, der dringend immer wieder aufs Neue und durchaus lauter geführt werden sollte: Wer ist auf der Straße? Wer erfährt Gewalt? Was sagen infrastruk­turelle Besonderhe­iten über Interessen und Macht aus? Wie gestaltet sich der städtische Wandel? Welche unsichtbar­en Grenzen gibt es? Wann ist das bloße Gehen Widerstand? Welche gesellscha­ftlichen Beziehunge­n werden produziert und manifestie­rt? Und wem wird der Weg gänzlich verbaut? KK

Anneke Lubkowitz (Hg.): Psychogeog­rafie Matthes & Seitz Berlin, Berlin 2020; 239 S.

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Es ging hier also um die subjektive Erfahrung von Raum im Gegensatz zu ‚objektiven‘ Darstellun­gsformen wie dem typischen Stadtplan
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Inevitably, the public space (...) comes to express how the ageing individual is considered in our societies.

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