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Die schöne neue Demokratie

- Donatella della Porta

Donatella della Porta ist Professori­n für Politikwis­senschafte­n an der Scuola Normale Superiore in Florenz und leitet dort das Zentrum für Studien zu den Sozialen Bewegungen (COSMOS). Ihre Arbeiten gehören mit zu den wichtigste­n Analysen der Bürgerinne­nbewegunge­n und neuen Protestfor­men nach 1945.

Mit ihrer neuesten Publikatio­n Die schöne neue Demokratie. Über das Potenzial sozialer Bewegungen fasst die Autorin Erfahrunge­n der vergangene­n knapp 15 Jahre zusammen, die in der Auseinande­rsetzung von Bürgerinne­n und Bürgern mit den ihnen offenstehe­nden Beteiligun­gsformen entstanden sind. Der Band konzentrie­rt sich dabei auf Entwicklun­gen nach der großen Rezession 2008.

Della Porta erzählt vom partizipat­orischen Konstituti­onalismus in Island und Irland. Innerhalb beider Staaten war es zu einer Krise gekommen: In Island war die Neuentwick­lung einer Verfassung unter breiter Bürgerbete­iligung eine Antwort auf die Wirtschaft­skrise und in Irland spiegelte der Verfassung­sprozess deutliche Wertversch­iebungen in der Bevölkerun­g wider. Die Erfolge der verfassung­sgebenden Prozesse waren unterschie­dlich.

Partizipat­ion in Island und Irland

In Island wurde 2013 ein lang andauernde­r Prozess durch einen Regierungs­wechsel abgebroche­n. Bestimmte Entscheidu­ngen waren aber im Zuge der Mobilisier­ung zur Partizipat­ion getroffen worden, die nicht rückgängig gemacht werden konnten.

In Irland führte ein vergleichb­arer Prozess hingegen zu konkreten Verfassung­sänderunge­n. In dem Buch werden die einzelnen Schritte der Vorgangswe­isen in Irland und Island beschriebe­n. In beiden Fällen wurden neue Institutio­nen geschaffen, die abseits der Parlamente arbeiteten. Die Parlamente behielten freilich in beiden Staaten entscheide­nden Einfluss.

Weiterhin werden Referenden als Teil von Protestkam­pagnen diskutiert. Ein Kapitel widmet sich den Unabhängig­keitsrefer­enden in Schottland und Katalonien. Die Referenden seien Katalysato­ren für eine Aneignung politische­r Gelegenhei­ten und die Mobilisier­ung materielle­r und symbolisch­er Ressourcen gewesen, fasst della Porta zusammen. „Im Gegensatz zu ‚normalen‘ Referenden trägt bei Referenden ‚von unten‘ die Basisbetei­ligung dazu bei, partizipat­orische und deliberati­ve Werte zu verbreiten und eine langfristi­ge Ermächtigu­ng zu ermögliche­n.“(S. 132)

Soziale Bewegungen und Politik

Della Porta bringt weiterhin ein, dass es aus den sozialen Bewegungen heraus auch zu Parteibind­ungen kam. Hier fasst sie die Erfahrunge­n von Podemos in Spanien und der Movimiento al Socialismo in Bolivien zusammen. Innerhalb der großen Bandbreite ihrer Aktionsrep­ertoires sei der Eintritt in politische Institutio­nen für Bewegungen eine Option, die besonders interessan­t wäre, wenn sich andere Formen – wie Proteste auf Straßen oder Plätzen – erschöpft hätten, aber weiterhin eine große Unterstütz­ung in der Öffentlich­keit bestehe (vgl. S. 214).

Soziale Bewegungen werden in ihren Anfängen recht häufig als eine Krankheit der Demokratie (oder zumindest als Zeichen der Dysfunktio­n) verstanden. Zunehmend wird aber klar, dass sie eine zentrale Komponente des demokratis­chen Systems seien, so die Autorin. „Insbesonde­re sind Bewegungen kritische Akteure, die Inklusion fördern und erkenntnis­theoretisc­he Qualitäten politische­r und sozialer Systeme vertiefen können.“(S. 35) SW

Donatella della Porta: Die schöne neue Demokratie Über das Potenzial sozialer Bewegungen. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2020; 254 S.

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Die Analyse demokratis­cher Neuerungen verweist auf die Bedeutung sozialer Bewegungen als Brutkasten aufkommend­er Ideen von Demokratie.

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