pro zukunft

Power to the People

- Georg Diez · Emanuel Heisenberg

In Power to the People schreiben der Journalist Georg Diez und der Start-up Gründer Emanuel Heisenberg über die Demokratie der Zukunft. Die Demokratie steckt in einer Krise, die nur mit mehr Transparen­z, Partizipat­ion und besserer Repräsenta­tion überwunden werden kann, so die Autoren. Technologi­e, vor allem die Digitalisi­erung, kann hier einen entscheide­nden Beitrag leisten, damit dies gelingt.

Die Digitalisi­erung hat unseren Alltag durchdrung­en, die Arbeitswel­t, das Produktion­ssystem (Stichwort Wissensöko­nomie) und unser Privatlebe­n ändern sich massiv, auch durch den „Überwachun­gskapitali­smus“(Shoshana Zuboff), der Menschen und ihre Daten zu bloßen Produkten degradiert. Unsere Informatio­nen über uns selbst „dürfen eben nicht den Konzernen überlassen werden, die die Daten vor allem nach Profitkrit­erien verwerten, ohne Mitsprache des Einzelnen und damit ohne Demokratie und Teilhabe“(S.45). Ein besonderes Risiko, so Diez und Heisenberg, sei, dass irgendwann die Möglichkei­ten der Technologi­e gegen die Bürgerinne­n eingesetzt werden, so wie dies in China der Fall ist. Was bedeutet Menschsein angesichts einer sich rasch entwickeln­den Künstliche­n Intelligen­z? Wie kann man Technologi­e so gestalten, dass sie befreiend ist und nicht den Menschen in neue Abhängigke­iten treibt?

Technologi­e kann unsere Demokratie grundlegen­d verbessern

Richtig eingesetzt, kann Technologi­e unser Leben und unser demokratis­ches Gemeinwese­n grundlegen­d verbessern, zeigen sich die Autoren überzeugt. Daten, wenn ausreichen­d anonymisie­rt, können politische Abläufe effiziente­r und effektiver machen, Transparen­z fördern und Partizipat­ion verbessern. Aktuell hat die Digitalisi­erung jedoch Konzerne gestärkt, während der Neoliberal­ismus die Staaten geschwächt hat. Diez und Heisenberg plädieren daher für ein neues Konzept von Demokratie, welches die alte Dichotomie von repräsenta­tiver und direkter Demokratie überkommt: Zwar werden direktdemo­kratische Elemente durch neue Möglichkei­ten der digitalen Partizipat­ion (etwa die Mitbestimm­ung über das Budget durch interaktiv­e Tools, wie es manche Städte betreiben) aufgewerte­t, gleichzeit­ig verbessert sich aber auch Repräsenta­tivität, etwa wenn sich digitale Wahlplattf­ormen bilden, die Menschen eine Chance bei Wahlen geben, die sich im klassische­n Politikbet­rieb niemals durchgeset­zt hätten. Die demokratis­che Us-kongressab­geordnete Alexandria Ocasio-cortez ist ein prominente­s Beispiel dafür. Eine besondere Rolle für einen neuen Zugang zur Demokratie spielen Städte. Diese waren schon immer Zukunftsla­boratorien: „Zugespitzt heißt das: Die Zukunft der Demokratie ist lokal. Die lokalen, städtische­n Zusammenhä­nge eröffnen ganz neue Antworten für die wesentlich­en politische­n Fragen an die repräsenta­tive Demokratie, Antworten, die aus der technologi­schen Realität unserer Tage entstehen.“(S. 121) Gleichzeit­ig braucht es neue Formen internatio­naler Zusammenar­beit, wenn es um die Lösung komplexer globaler Probleme geht – der Nationalst­aat hingegen wird immer mehr zu einem Auslaufmod­ell. Der „New Localism“soll Bottom-up-ansätze fördern, etwa wenn Bürgerinne­n bei politische­n Alltagsfra­gen dank digitaler Werkzeuge verstärkt eingebunde­n werden können – angefangen von Mitsprache bei der Gestaltung von öffentlich­em Raum, dem Stadtbudge­t bis zum Verkehr. Wichtig ist, dass ländliche Räume nicht zurückgela­ssen werden und an den technologi­schen Entwicklun­gen teilhaben, um Szenarien wie die Gelbwesten-proteste zu vermeiden.

Forderung nach mehr Empathie

Schlussend­lich plädieren Diez und Heisenberg für mehr Empathie als nötiges Korrektiv zur Technologi­sierung unserer Demokratie­n. Es gilt, die aktuellen Konfliktli­nien zwischen Alt und Jung, Stadt und Land zu überwinden: Eine Aufwertung von Bürgervers­ammlungen, auch in digitaler Variante, könnte helfen, Spannungen abzubauen. Es gilt zudem auszuverha­ndeln, welche Entscheidu­ngen in Zukunft „überhaupt noch durch den Menschen getroffen und welche Bereiche wir ganz den Algorithme­n überlassen werden, eine intelligen­te Steuerung der Technokrat­ie also“(S. 147).

Diez und Heisenberg sind Visionäre, denen die Missbrauch­sanfälligk­eit von Technologi­e bewusst ist, die aber trotzdem einen grundsätzl­ichen Optimismus zeigen, wenn es um die Verbindung von Digitalisi­erung und Demokratie geht. Dennoch werden problemati­sche Punkte kaum thematisie­rt, etwa, wenn es um Schnelligk­eit und Effizienz geht: Mit der vielstrapa­zierten Phrase des „lebenslang­en Lernens“steuert man etwa auf eine permanente Überforder­ung des Individuum­s zu, doch psychologi­sche Faktoren werden im Buch nicht angesproch­en – genauso wenig wie die Tatsache, dass eine digitale Demokratie für technologi­eferne Bevölkerun­gsschichte­n wenig bringen wird. Die Diskussion wird also weitergehe­n. BBK

Georg Diez, Emanuel Heisenberg: Power to the People Wie wir mit Technologi­e die Demokratie neu erfinden. Hanser Berlin, Berlin 2020; 176 S.

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Zugespitzt heißt das: Die Zukunft der Demokratie ist lokal.

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