Niegeschichte
Dass Kunst eine Form der Erkenntnis ist, davon geht Dietmar Dath aus. In seinem opulenten Werk Niegeschichte versucht er zu bestimmen, was für eine Erkenntnisform die Science-fiction ist. Dazu zeichnet er rund 200 Jahre Kulturgeschichte der Science-fiction zwischen 1815 und 2015 nach. Der Autor sieht die Sciencefiction dabei als Denkmaschine, die den Menschen bei ihren Handlungen hilft.
Dath schlägt vor, den Namen „Science-fiction“als Formhinweis ernst zu nehmen und in diesem Namen als ein Hendiadyoin zu lesen. Ein Hendiadyoin ist eine Redefigur, die einen Gedanken erst verdoppelt und dann die beiden Teilbegriffe zu einem neuen, synthetischen Begriff koppelt: Für Dath ist „Fiktion“eine besondere Sorte „Science“. Dies grenzt er übrigens von der Argumentation ab, „Science“sei eine besondere Form der „Fiction“.
Dath beschreibt sein Verständnis der Science-fiction vor dem Hintergrund der Entwicklung der sogenannten „exakten Wissenschaft“, die ihre Propositionen immer seltener monokausal-mechanistisch-deterministisch zu bauen „in der Lage sei, sondern stattdessen überdeterminiert, verteilt und statistisch zu forschen gelernt habe. Die exakte Wissenschaft interessiere sich mittlerweile für das Wahrscheinliche, das Mögliche, das Konditionale“, schreibt Dath unter Verweis auf die einflussreichen Erkenntnisse aus dem Bereich der Quantenmechanik und Thermodynamik. Wenn es in der exakten Wissenschaft um das Mögliche, das Wahrscheinliche gehe, steht sie in einem engen Verhältnis zu Kunst.
Science-fiction sei eine Maschine, die Wissen vergessen hilft, um neues Wissen in Vorstellung und Darstellung zu ermöglichen. Dieses Versprechen selbst aber lasse sich nur formulieren, „wenn man in seiner Form die Umrisse des Wissens andeutet, das es zu gewinnen gäbe, und das Wissen von diesen Umrissen ist eben doch, ist eben auch ein Wissen. Fantastik gehört denen, die dieses Bauprinzip verstehen, das uns hinterlassen wurde von Leuten, denen aufgefallen war, dass etwas mit einer Kultur nicht stimmte, die viel wusste, aber nicht wissen wollte, wie sie sich ändern muss, um dieses Wissen menschengerecht zu nutzen“(S. 872f.). SW