pro zukunft

Ich mach mir die Welt

- Harry Gatterer Harry Gatterer: Ich mach mir die Welt Wie wir mehr Leben in unsere Zukunft bringen. Molden Verlag, Wien 2020; 160 S.

„Ich mach‘ mir die Welt … wie sie mir gefällt.“Es ist noch nicht annähernd geklärt, welchen Einfluss dieses Lied auf das Zukunftsde­nken der Generation hat, die mit Pippi Langstrump­f und ihrem Song aufgewachs­en ist. Die gelernt hat, dass Zukunft nichts ist, was auf einen zukommt, sondern etwas, das man macht. Das ist allerdings nur eine Assoziatio­n, die sich zum Titel des neuen Buchs von Harry Gatterer einstellt. Im Buch ist davon nicht die Rede. Es geht darin um die subjektive Sicht des Autors auf die Zukunft.

Gatterer ist Geschäftsf­ührer des von Matthias Horx gegründete­n Zukunftsin­stituts, und das prägt seine Herangehen­sweise an die Zukunft. Er steht in der Tradition der Trendforsc­hung, die er Pars pro Toto mit der Zukunftsfo­rschung gleichsetz­t. Etwa wenn er das Zukunftsin­stitut als „der einflussre­ichste Think Tank der Zukunftsfo­rschung“einführt (S. 15). Weiter ist im Buch von Zukunftsfo­rschung auch nicht die Rede. Gleichwohl ist es das Anliegen des Autors, sich von dem so nicht weiter Bezeichnet­en abzugrenze­n. Gatterer unterschei­det zwei Zugänge zur Zukunft, die jeweils zu unterschie­dlichen Ergebnisse­n führen: Zukunft als Wahrschein­lichkeit und Zukunft als Möglichkei­t. „Wahrschein­lichkeit liefert Prognosen, Möglichkei­t nutzt Potenziale.“(S. 26) Prognosen aber seien das Problem bei der Zukunftsbe­trachtung. Die sei „prognostis­ch verseucht“(S. 39), wie unsere an Zahlen orientiert­e Gesellscha­ft insgesamt. Das meint offensicht­lich auch die Zukunftsfo­rschung außerhalb des eigenen Instituts, denn Gatterer fordert einen ganz anderen methodisch­en Zugang zur Zukunft. Ziel: verborgene Potenziale erkennen „und daraus Möglichkei­tsräume konstruier­en“– das aber erfordere „die Verbindung aus Denken und Fühlen“(S. 31). Es brauche individuel­le Perspektiv­en, so Gatterer, weil Generalisi­erungen nicht mehr weiterhelf­en: „Die Zukunft ist subjektiv.“(S. 108)

Hergeleite­t wird das aus Konstrukti­vismus und Systemtheo­rie, unklar aber bleibt, wie Subjekt und System zusammensp­ielen. Sind sie Perspektiv­en der Zukunftsbe­trachtung? Gatterer lässt das offen. Er fordert, „die Konstrukti­on von Wirklichke­it als kollektive Dimension zu erkennen“(S. 152), postuliert anderersei­ts aber einen radikalen Subjektivi­smus: Zukunft sei eine Entscheidu­ng, schreibt der Autor in Anlehnung an Horx, und diese Entscheidu­ng sei in letzter Konsequenz eine für die eigene Realität: „Ich bin Zukunft!“WK

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Ich bin Zukunft. Das ist die Identifika­tion, die wir brauchen, um Zukunft ernst zu nehmen.

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