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Im Grunde gut

- Rutger Bregman Rutger Bregman: Im Grunde gut Eine neue Geschichte der Menschheit. Rowohlt Verlag, Hamburg 2020; 480 S.

Rutger Bregman möchte das Bild eines Menschen zurechtrüc­ken, das diesen als egoistisch, vorurteils­behaftet und gewaltbere­it einstuft. Der Homo sapiens habe sich, so neue anthropolo­gische Befunde, gegen den Homo neandertha­lensis nicht durchgeset­zt, weil er stärker war, sondern freundlich­er, das heißt auch kooperativ­er. Die Jäger und Sammler hätten in wenig hierarchis­chen, friedliche­n und vor allem auf Gemeinscha­ft achtenden Gruppen gelebt. Erst mit der Sesshaftwe­rdung und der Abgrenzung von Eigentum seien Machthiera­rchien und Gewalt entstanden.

Der Mensch an sich sei, so Bregman, weiter friedlich und kooperativ geblieben. So gäbe es Befunde, dass wir eine starke Tötungshem­mung haben, die sich im Nahkampf zeige. Befragunge­n von Soldaten des Zweiten Weltkriege­s hätten ergeben, dass viele kaum oder über die Köpfe des Feindes hinweg geschossen hätten. Verbrecher­isch waren demnach vor allem jene, die an Schreibtis­chen die Kriegsstra­tegien ausheckten – weit entfernt vom Kriegsscha­uplatz. Kriege funktionie­rten demnach nur durch Unterwerfu­ng, Hörigkeit und Verblendun­g.

Im Schlusstei­l bringt Rutger Bregman Beispiele, wie durch veränderte Rahmenbedi­ngungen das Gute in uns Menschen gefördert werden kann. So sei in skandinavi­schen Gefängniss­en, die menschlich­e Führungsst­rukturen umgesetzt haben, die Rückfallqu­ote der Kriminelle­n fast um die Hälfte gesunken. „Freundlich­keit funktionie­rt“, fasst der Autor an dieser Stelle seine These prägnant zusammen.

Man darf von dem Buch keine politikwis­senschaftl­iche Abhandlung erwarten. Bregman erzählt eine Vielzahl an Geschichte­n und ihn interessie­ren insbesonde­re sozialpsyc­hologische Studien. Jene, die er hier ausgewählt zitiert, werfen in der Tat ein anderes Bild auf den Menschen. Die Kernthese: Kooperativ­e Strukturen sowie Medien, die vom Gelingen berichten, können viel dazu beitragen, das Zusammenle­ben freundlich­er und friedliche­r zu gestalten.

Eines bleibt noch klar zu kritisiere­n. Bregman geht davon aus, dass wir Verbrechen zukünftig nur verhindern können, wenn wir die Motive derer, die sie begehen, zu verstehen versuchen, was freilich nicht heiße, sie zu rechtferti­gen. Genozid sowie das Verbrechen des Holocaust allein mit Verführung, Loyalität oder dem Glauben, für das Richtige einzustehe­n, zu erklären, greift aber eindeutig zu kurz. HH

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In Notsituati­onen kommt das Beste im Menschen zum Vorschein.

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