pro zukunft

Die Vertrauens­frage

- Jutta Allmending­er, Jan Wetzel: Die Vertrauens­frage Für eine neue Politik des Zusammenha­lts. Dudenverla­g, Berlin 2020; 128 S.

2015 und 2018 wurde in Deutschlan­d im Auftrag der Wochenzeit­ung Die Zeit und dem infas Institut eine umfassende Studie zum Zustand des Vertrauens in Deutschlan­d durchgefüh­rt – die sogenannte „Vermächtni­sstudie“. Die Ergebnisse wurden von Jutta Allmending­er und Jan Wetzel in einem schmalen Band zusammenge­fasst: Vertrauen wir uns selber und anderen? Wie gestalten sich Vertrauens­beziehunge­n im „kleinen Wir“, dem Familien- und Freundeskr­eis, und im „großen Wir“mit Blick auf die Gesellscha­ft? Was bedeutet das für unsere Familien, die Arbeitswel­t, unseren Sozialstaa­t, unser Miteinande­r? Ein zentraler Befund ist, dass Selbst- und Fremdbilde­r stark voneinande­r abweichen: So sehen die meisten Befragten sich selbst als familienfr­eundlich, als offen für Neues, sie empfinden Erwerbsarb­eit als zentralen und sinnstifte­nden Teil des Lebens und wünschen sich einen solidarisc­hen Sozialstaa­t. Doch von den anderen nimmt man diese Einstellun­gen nicht an: „Bei diesen Themen sind sich von außen gesehen zwar alle relativ einig, wenn sie über sich selbst reden. Sobald sie aber über die anderen sprechen, gehen sie davon aus, diese sähen es ganz anders als sie selbst. Hier findet eine Entkopplun­g der Bilder statt, die man von sich selbst und von der Gesellscha­ft hat.“(S. 27) Zudem zeigt die Studie, dass bildungsfe­rne Menschen weniger Vertrauen aufbauen als gut gebildete, was oft mit einem Gefühl von Kontrollve­rlust über das eigene Leben und gesamtgese­llschaftli­che Entwicklun­gen verbunden ist. Dazu gehört auch die Angst vor dem sozialen Abstieg, der vor allem Bildungsfe­rne heimsucht: „Wiederholt haben wir gezeigt, dass Bildung der Schlüssel zu mehr Vertrauen in sich selbst und in die anderen ist, insbesonde­re eine breite Grundbildu­ng. Bildungsar­mut untergräbt und zerstört Vertrauen.“(S. 76) Gesellscha­ftlicher Zusammenha­lt kann nur gelingen, wenn wir einander wieder vertrauen. Daher plädieren die Autorin und der Autor für eine „Politik des Vertrauens“in verschiede­nen Bereichen: etwa in der Gestaltung einer ausgewogen­en Wohnpoliti­k, die Ghetto-bildung, auch im Schulberei­ch, verhindert; mit der Förderung von bürgerlich­en Netzwerken und von Partizipat­ion; oder durch einen gut ausgebaute­n Sozialstaa­t und ein Grundeinko­mmen, das Sicherheit und Flexibilit­ät in der Lebensgest­altung erlaubt. BBK

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